Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sebstverwirklichung bei Rap
Ein inklusives Musikvideo-Projekt verschafft Menschen mit Handicap eine große Bühne
- „Sprich mit mir!“, heißt das Rap-Projekt der Theatergruppe der Stiftung des Körperbehindertenzentrums Oberschwaben (KBZO). Dabei kommunizieren Menschen, die nicht sprechen können, mit sogenannten Talkern. Unterlegt mit Hip-Hop-Rhythmen geben die Jugendlichen so offen und berührend Einblick in ihre Gefühlswelt.
Auch Alt-OB Markus Ewald hat einen Gastauftritt bei diesem Projekt, das in Kooperation mit dem Verein senseable art produziert wurde und sich im Netz tausendfacher Klicks erfreut.
Am Anfang war Corona und das Ausgebremstsein der UK-Theatergruppe der Stiftung KBZO. UK steht für Unterstützte Kommunikation. Hatte die Gruppe um Thorsten Mühl mit ihren Stücken wie „Rollin Love“schon tolle Erfolge deutschlandweit und international eingefahren, ging in der Pandemie nichts mehr, so Thorsten Mühl. Er ist Fachlehrer und Kommunikationstheaterpädagoge und arbeitet schon seit zwölf Jahren mit Sprachcomputern, sogenannten Talkern, am KBZO.
In diesen Stillstand ploppte die Idee mit dem Rapsong auf. Die Jugendlichen erarbeiteten sehr persönliche Texte über ihre Wünsche nach Anerkennung, Liebe, Sexualität und ihr Bedürfnis nach Gleichstellung und Austausch mit anderen. „Wenn sie auch körperlich behindert sind, so nicht in ihren Gefühlen“, sagt Mühl. Sie wollten wie alle anderen behandelt werden.
Mithilfe des Vereins senseable art und seinem Vorsitzenden Tobias Langlois wurde die Rapper-Szene und DJ Caspa ins Boot geholt, und die eindringliche Botschaft von Lena, Lukas und Sane mit Hip-Hop unterlegt. „Altersgerecht und zeitgemäß“sollten die von synthetischen Stimmen gesprochenen Texte vertont werden, so Tobias Langlois, um möglichst viele Leute zu erreichen.
Mitte Oktober dann die „große Party“beim Drehtag am Skaterplatz in Weissenau und auf dem Vorplatz der Basilika. Mit von der Partie: AltOB Markus Ewald, der seit seinem Unfall im Rollstuhl sitzt. Und die Theatergang des KBZO performte, was das Zeug hält, bühnenerfahren wie die neun Jugendlichen zwischen 15 und 26 Jahren sind.
Zur Premiere des Rapvideos kam hoher Besuch. Neben Oberbürgermeister Clemens Moll auch Landesminister Lucha, der mit Lob nicht sparte. In den zwei Monaten, seit „Sprich mit mir“online abrufbar ist, hat es schon tausende von Klicks generiert und zu Herzen gehende Kommentare wie MTV: „Danke, dass ihr uns eine Welt zeigt, die uns sonst verborgen bleibt“.
Auch der Rektor der Schulen des KBZO, Thomas Sigg, sieht in diesem Projekt eine „Riesenchance“weitere Teile der Gesellschaft auf das Leben von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen und vor allem zu zeigen, wie „normal“diese sich ausdrücken können. Kunst und Kultur seien ein großer Motor der Inklusion.
Das Rap-Projekt „Sprich mit mir“ist mit Spenden finanziert. Der Verein senseable art macht sich mit dem Geld für kreative Ausdrucksweisen von Menschen mit Behinderung stark.