Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Leistungssteigerung, Sieg und ein kurioser Treffer
Towerstars rehabilitieren sich für enttäuschendes Freitagsspiel und gewinnen am Sonntag 5:3 in Selb
- Einige Diskussionen und ein völlig kurioser Treffer: Das Spiel der Ravensburg Towerstars in der Deutschen Eishockey-Liga 2 (DEL2) bei den Selber Wölfen bot viel Gesprächsstoff. Am Ende belohnten sich die Towerstars für eine deutliche Leistungssteigerung zur Partie am vergangenen Freitag und siegten beim Tabellenzwölften mit 5:3.
Der Freitagabend war für Towerstars-Coach Peter Russell doppelt ernüchternd. Als er nach dem Spiel an der Bande stand und auf den Beginn der Pressekonferenz wartete, versuchte er zuerst die enttäuschende 0:4-Niederlage gegen die Eispiraten Crimmitschau in Worte zu fassen. Dann erinnerte er sich an das Jahr zuvor. Das Coronavirus hatte seinen Kader zu jener Zeit stark dezimiert. Lediglich 13 Spieler standen ihm im Training zur Verfügung. Und irgendwie hoffte Russell inständig, dass dies nicht wieder so enden würde. Denn kurz vor dem Spiel gegen Crimmitschau meldeten sich am Vormittag mit Florin Ketterer, Jonas Langmann und Maximilian Hadraschek gleich drei wichtige Spieler krank. Corona hatte wieder zugeschlagen. Und natürlich drohte die Gefahr, dass sich noch mehr Profis angesteckt hatten. Doch am Sonntag gab es zuerst einmal Entwarnung. Charlie Sarault fühlte sich zwar nicht wohl und fuhr nicht mit; ansonsten blieb es bei den „nur“drei coronabedingten Ausfällen. Selbst Julian Eichinger meldete sich fit. Er fiel am Freitag ebenfalls kurzfristig aus. Allerdings bestätigte sich der Anfangsverdacht einer Coronainfektion bei ihm nicht. Zusammen mit den anderen Spieler reiste er mit ins Fichtelgebirge, nahe der tschechischen Grenze, ins rund 450 Kilometer entfernte Selb. Aber den Verantwortlichen war trotzdem klar: Es würde ein schweres Auswärtsspiel werden – obwohl der Kader der Towerstars nicht so stark dezimiert war, wie es der Freitag vielleicht vermuten ließ.
Die Towerstars hatten zu Beginn etwas mehr von der Partie und belohnten sich nach gut drei Minuten mit dem frühen Führungstreffer. Louis Latta passte scharf von der blauen Linie in den Lauf von Robbie Czarnik, der dann alleingelassen von der
Selber Abwehr mit der Rückhand zur 1:0-Führung einschob. In der sechsten Minute war die Ravensburger Abwehr unsortiert und ließ Martin Hlozek nach einem langen Pass aus dem eigenen Drittel entwischen. Doch Jonas Stettmer im Tor der Towerstars parierte klasse. Und auch fortan hatten die Oberschwaben zwar mehr Spielanteile, doch Selb setzte immer wieder gefährliche Nadelstiche.
Dann kamen die Oberfranken zum völlig kuriosen Ausgleich (17.), der vermutlich in keinem Jahresrückblick fehlen wird. Eine Strafe war für Towerstars-Profi Vincent Hessler angezeigt. Zeitgleich saß bereits Torschütze Czarnik auf der Strafbank und der Puck befand sich beim Selber Goalie Michael Bitzer. Stettmer im Tor der Ravensburger war offenbar abgelenkt und dachte wohl, das Spiel sei bereits durch die Anzeige der Strafe unterbrochen. So drehte sich der Ravensburger Goalie mit dem Rücken zum Spielfeld in Richtung Trinkflasche
über seinem Kasten. Allerdings lief das Spiel weiter. Sein Gegenüber Michael Bitzer zog ab und der Puck schlitterte an allen Feldspielern vorbei ungehindert ins Tor der Ravensburger. Während die Gastgeber und deren Fans feierten, folgten minutenlange wütende Diskussionen der Ravensburger. Aber der Treffer zählte. „Ihr seid nun ein berühmter Eishockeyclub“, scherzte Ravensburgs Trainer Peter Russell nach der Partie bei der Pressekonferenz. „Dieses Tor wird überall zu sehen sein.“
Selb erhöhte nun den Druck, wollte die gestörte Konzentration der Gäste ausnutzen, kam aber nicht mehr zum Führungstreffer. Die Towerstars dagegen schon. Mit der Schlusssirene traf Josh MacDonald mit einem herrlichen Distanzschuss ins obere linke Eck. Auch nach diesem Treffer gab es Diskussionen – allerdings waren diesmal die Selber sauer, weil sie bezweifelten, dass das Tor noch in der regulären Spielzeit erfolgte. „Es ist ein schnelles
Spiel. Beide Seiten haben ihre Chancen“, sagte Towerstars-Spieler Denis Pfaffengut in der Drittelpause bei SpradeTV. „Selb gibt alles, die wollen nicht Play-downs spielen.“Und wie sah er die kuriose Szene um Stettmer? „Kein Kommentar dazu, sonst muss ich eine Geldstrafe zahlen“, brummte der Verteidiger.
In der Drittelpause beruhigten sich die Gemüter wieder etwas. Die Partie blieb trotzdem weiter umkämpft und temporeich. Czarnik hatte in den ersten fünf Minuten des zweiten Drittels die beste Chance, als der Selber Goalie Bitzer den Puck nach vorne abprallen ließ, aber Czarnik die Scheibe nicht platziert genug aufs Tor brachte. Es war die dominanteste Phase der Ravensburger, bei der sie es lediglich verpassten, die Führung zu erhöhen. Auch bei Sam Herrs Versuch war Bitzer auf dem Posten (35.). Im Gegenzug fiel dann der Ausgleich. Bryce Reddick stellte den Spielverlauf etwas auf den Kopf. Er setzte zum Solo von der rechten Seite aus an und traf aus spitzem Winkel flach ins linke Eck (34.). Stettmer hatte sich etwas zu weit links am Tor platziert und ließ das lange Eck offen. „Wir müssen hinten gut stehen und vorne unsere Chancen verwerten“, sagte der Selber Michael Schaaf in der zweiten Drittelpause. „Ich hoffe auf ein gutes Ende und wir werden jetzt versuchen, drei Punkte zu holen.“
Spannung war vor den letzten regulären 20 Minuten also garantiert. Und auch der Wunsch von Michael Schaaf erfüllte sich schnell. In der 41. Minute tankte sich Nick Miglio auf der rechten Seite durch, zog vor das Tor Stettmers und lupfte den Puck sehenswert ins rechts obere Eck. Doch die Freude der Selber dauerte nicht lange. Im Powerplay glich Sam Herr wenige Sekunden später zum 3:3 nach einem Pass von Julian Eichinger aus. Fortan ging es hin und her, dynamisch und mit ausgeglichenen Spielanteilen. Es wurde das prognostizierte schwere Auswärtsspiel für die Towerstars. Der Qualitätsunterschied, den es laut Tabelle gibt, spiegelte sich auf dem Eis nicht wider. Knapp vier Minunten vor dem Ende brachte Sam Herr die Towerstars erneut in Führung. Fabian Dietz passte hinter dem Tor auf den Topscorer der Ravensburger. Dessen Schuss rutschte unter der Schlägerhand Bitzers durch und kullerte über die Linie (56.). Den Schlusspunkt setzte Josh MacDonald mit einem Emptynet-Treffer. Vor allem mit dem letzten Drittel war Towerstars-Coach Russell zufrieden. „Wir sind immer besser ins Spiel reingekommen und waren am Ende richtig gut.“
DEL2, 44. Spieltag
Selber Wölfe - Ravensburg Towerstars 3:5 (1:2, 1:0, 1:3)
Tore: 0:1 (3:12) Robbie Czarnik (Latta, Eichinger), 1:1 (16:25, ÜZ) Michael Bitzer, 1:2 (19:59, ÜZ) Josh MacDonald (Czarnik), 2:2 (34:57) Bryce Reddick (Gelke, McNeill), 3:2 (40:53) Nick Miglio, 3:3 (41:17, ÜZ) Sam Herr (Eichinger, MacDonald), 3:4 (16:06) Sam Herr (Dietz, Nick Latta), 3:5 (59:17) Josh MacDonald (Czarnik, Louis Latta).
Zuschauer: 1189
Strafen: Selb: 6 Minuten, Ravensburg: 6 Minuten