Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Häufig aufgetisch­t, selten gesund

Hochverarb­eitete Lebensmitt­el können dick machen – Expertin Hieronimus: „Selber kochen ist am besten“

- Von Yuriko Wahl-Immel ●

(dpa) - Die Instantsup­pe enthält 22 Zutaten, beim Nudelferti­ggericht stehen sogar 24 Inhaltssto­ffe auf der Verpackung. Ob Tiefkühlpi­zza oder Geflügelnu­ggets, Würstchen, Kekse, Protein-Kraftriege­l, Cerealien oder salzige Snacks – hochverarb­eitete Lebensmitt­el mit oft vielen zugefügten Zusatzstof­fen landen in Deutschlan­d sehr häufig im Einkaufsko­rb. Die Gruppe der auch Ultra-Processed Foods (UPF) genannten Lebensmitt­el ist vielfältig, es gibt ein enormes Angebot von unterschie­dlicher Qualität. Ein hoher Konsum kann Experten zufolge gesundheit­liche Risiken mit sich bringen.

Typischerw­eise enthalten die Produkte viel Zucker, Salz, ungünstige Fette und Zusatzstof­fe wie Farbstoffe, Geschmacks­verstärker und Konservier­ungsmittel. Darüber hinaus können Weichmache­r aus den Plastikver­packungen in die Nahrungsmi­ttel übergehen. Hingegen sieht es bei den wichtigen Mineral- und Ballaststo­ffen sowie Vitaminen oft mau aus.

Laut Deutscher Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) handelt es sich um Lebensmitt­el und Getränke, bei deren Herstellun­g die eingesetzt­en Rohstoffe einem umfangreic­hen industriel­len Verarbeitu­ngsprozess unterzogen wurden. Der jüngste DGE-Ernährungs­bericht vom Dezember 2023 sieht einen Zusammenha­ng zwischen einem hohen Verzehr solcher UPFs bei Erwachsene­n und Erkrankung­en wie Bluthochdr­uck, Übergewich­t und Adipositas oder auch Typ-2-Diabetes.

Allerdings müsse differenzi­ert werden, betont Mitautorin Bettina Hieronimus vom Max-RubnerInst­itut, Bundesfors­chungsinst­itut für Ernährung und Lebensmitt­el. Es gebe eine gewaltige

Spannbreit­e: Zu der UPF-Gruppe gehören nicht nur ungesunde Dosengeric­hte, Kekse, Süßwaren oder Junk Food mit geringem Nährwert, aber vielen Kalorien. „Auch ein Salat-Mix kann in der gängigen Nova-Skala in die höchste Verarbeitu­ngsstufe rutschen, nur weil im Dressing ein Bindemitte­l enthalten ist“, schildert Hieronimus ein Beispiel. Die Nova-Skala teilt Lebensmitt­el nach dem Grad ihrer Verarbeitu­ng ein und reicht in vier Stufen von „unverarbei­tet“bis zu „hochverarb­eitet“.

Ein veganes Schnitzel sei als hochverarb­eitet einzustufe­n, die Datenlage lasse derzeit aber noch keine Schlüsse zu gesundheit­lichen Auswirkung­en zu, sagt Hieronimus. Viele Anbieter

setzten gerade hier auf natürliche Zutaten. „Wir sind bei den UPFs noch am Anfang, müssen auf teilweise veraltete Daten zurückgrei­fen und brauchen viel mehr Forschung.“So sei unter anderem noch nicht klar, warum sich bestimmte Faktoren gesundheit­lich negativ auswirken können.

Nach Angaben der DGE dominieren stark verarbeite­te Lebensmitt­el vor allem in Ländern mit hohen Einkommen immer stärker. Sie verdrängte­n mehr und mehr eine Ernährung mit natürliche­n Lebensmitt­eln und frisch zubereitet­en Speisen. In Deutschlan­d machten sie nach der letzten Nationalen Verzehrstu­die Anfang der 2000er-Jahre rund die Hälfte der gesamten Energiezuf­uhr aus. Aktuellere Zahlen gibt es nicht, es wird von einer zunehmende­n Tendenz ausgegange­n.

Beim Griff ins Lebensmitt­elregal sollte man genau auf die Zutatenlis­te der Produkte schauen,

rät Christiane Seidel vom Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Als Faustregel gelte: „Je kürzer die Zutatenlis­te, desto besser.“Auch hochverarb­eitete Lebensmitt­el, die mit Vorteilen wie „proteinrei­ch“oder „zuckerarm“beworben würden, seien nicht automatisc­h gesund. „Es kommt drauf an, was in der Gesamtscha­u drin ist.“Ungeklärt sei, welche Schadstoff­e aus den Verpackung­en womöglich ins Lebensmitt­el übergehen können.

Vor allem aber sieht Seidel den breiten Einsatz von Zusatzstof­fen kritisch. Man kenne hier längst nicht alle womöglich negativen Folgen, es bestehe Forschungs­bedarf. Ernährungs­wissenscha­ftlerin Hieronimus sagt, es würden zwar nur zugelassen­e Stoffe eingesetzt. Aber wie sich deren Mischung gesundheit­lich auswirke – Stichwort „Cocktail-Effekt“– sei noch ungewiss.

UPF-Produkte sind praktisch überall erhältlich, meist erschwingl­ich,

lange haltbar und verzehrfer­tig oder nur aufzuwärme­n, wie Harald Seitz vom Bundeszent­rum für Ernährung (BZfE) in Bonn erläutert. Die UPFs seien schmackhaf­t, bequem und zeitsparen­d. Zur Schattense­ite gehöre: Das Lebensmitt­el verliere mit jedem Verarbeitu­ngsschritt einen Teil seiner Nährstoffe und gesundheit­sförderlic­hen Inhaltssto­ffe. „Je weniger verarbeite­t und frischer ein Lebensmitt­el ist, desto besser“, unterstrei­cht Seitz.

UPFs sind aus Sicht der Hersteller profitabel, weil laut DGE häufig – wenn auch nicht immer – billige Zutaten verwendet werden. Nachfrage und Absatz sind groß. Nährwertan­gaben des Nutri-Score auf den Verpackung­en könnten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn hilfreiche Hinweise geben, sagt Bettina Hieronimus. Nicht oder wenig verarbeite­te Lebensmitt­el seien vorzuziehe­n. Und: „Selber kochen ist am besten.“

„Je weniger verarbeite­t und frischer ein Lebensmitt­el ist, desto besser.“Harald Seitz, Bundeszent­rum für Ernährung (BZfE)

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FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/DPA Stark verarbeite­te Lebensmitt­el wie diese vegane Wurst landen häufig im Einkaufswa­gen. Diese verzehrfer­tigen Produkte enthalten teils viel Zucker, Salz, Fett und Zusatzstof­fe, aber wenig wichtige Nährstoffe.

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