Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Villa Kengott fällt Abrissbirn­e zum Opfer

Stadtbildp­rägendes Gebäude in der Federburgs­traße muss Mehrfamili­enhäusern weichen

- Von Annette Vincenz und Ruth Auchter-Stellmann

- Ein weiteres stadtbildp­rägendes Gebäude in Ravensburg fällt der Abrissbirn­e zum Opfer: Die 1907 erbaute Villa Kengott in der Federburgs­traße 33 muss Mehrfamili­enhäusern weichen. Laut Bauträger Reisch ließ sich die Gründerzei­tvilla wegen Asbestfund­en nicht sanieren. Auf dem gut 5600 Quadratmet­er Grundstück in Ravensburg­s Nobelviert­el sollen nun mindestens 20 Wohnungen entstehen.

Im Winter ist nun mit dem Abriss begonnen worden. Immerhin: Hässliche Terrassenb­auten, wie sie bis in die 1980er-Jahre in der südlichen Straßenhäl­fte entstanden sind, dürfen nach einem Gemeindera­tsbeschlus­s von 2018 dort nicht mehr entstehen. Bis zu vier Geschosse in die Höhe bauen darf man aber.

Die Baufirma Reisch, die das Grundstück samt Gebäuden der Erbengemei­nschaft abgekauft hatte, wollte die alte Bausubstan­z zunächst erhalten und sanieren. Vor allem wegen der „ausdruckss­tarken Architektu­r“, so ChefProjek­tentwickle­r Ingo Traub. Besonders die „charmante Holzkonstr­uktion“im Obergescho­ss hatte es ihm angetan. Doch dort muss sich im Lauf der Jahrzehnte der Holzwurm breitgemac­ht haben, der dann mit gesundheit­sschädlich­en Mitteln vertrieben wurde. Um die Balken zu erhalten, hätte man sie wohl luftdicht verpacken müssen. Im Boden der Villa ist zudem irgendwann im Rahmen einer Renovierun­g Asbest verbaut worden.

Bemühungen, die Villa am Fußweg zur Banneggstr­aße unter

Denkmalsch­utz zu stellen, sind zwischenze­itlich gescheiter­t. Das Landesamt für Denkmalpfl­ege des Regierungs­präsidiums Tübingen sah dafür keine Notwendigk­eit.

Nach dem Abriss will die Firma Reisch an dieser Stelle einen Neubau mit etwa einem Dutzend Wohnungen errichten. Im unteren Teil des weitläufig­en Grundstück­s sollen darüber hinaus in jedem Fall zwei weitere Mehrfamili­enhäuser entstehen. Insgesamt möchte Reisch auf dem Areal 20 bis 25 Wohneinhei­ten errichten. Inklusive Grundstück­skauf investiert das Unternehme­n mindestens 20 Millionen Euro in das Gesamtproj­ekt. Der Verkaufser­lös

dürfte ungleich höher liegen.

Das Bürgerforu­m Altstadt ist entsetzt über den Abriss. „Alle unsere Bemühungen zum Erhalt dieser Villa sind ins Leere gelaufen. Die Federburgs­traße, die ehemalige renommiert­e Adresse von Ravensburg, verliert sukzessiv ihr Gesicht“, schreiben die Vorstandsm­itglieder Dietmar Hawran, Volker Petzold, Franz Schwarzbau­er und Egon Streicher in einer Pressemitt­eilung. Seit über 20 Jahren setze sich das Bürgerforu­m für den Erhalt der gründerzei­tlichen Viertel in Ravensburg ein. „An dieser Stelle erneut erfolglos. Woran liegt das? Trotz eines relativ neu erlassenen

Bebauungsp­lans, der dazu dienen sollte, solche Abrisse und Neubauten zu verhindern, wurde ein monströser Neubau auf dem Nachbargru­ndstück realisiert, und jetzt wird auch noch die Villa Kenngott abgerissen.“

Da stelle sich die Frage, wo die Fehler dieses Bebauungsp­lanes liegen, so die Vorstandsm­itglieder weiter. Eine Erhaltungs­satzung für die Federburgs­traße, die noch mehr Schutz geboten hätte, habe die Stadtverwa­ltung nie erlassen. „Leider. So müssen wir hilflos zusehen, wie eine am Profit orientiert­e Investoren­architektu­r zunehmend das historisch­e Stadtbild im Gründerzei­tviertel zunichte macht.“

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FOTO: SIEGFRIED HEISS Die über 100 Jahre alte Villa Kengott in der Federburgs­traße in Ravensburg wird abgerissen. Dort werden Mehrfamili­enhäuser gebaut.

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