Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Kreisverkehr für Jugendverkehrsschule
Übungsplatz von 1989 muss saniert werden – Trägerverein sieht sich finanziell am Limit
- Kaum ein Kind der Region kommt seit 1989 an ihr vorbei: In der Jugendverkehrsschule in Kißlegg pauken jedes Jahr zwischen 1300 und 1400 Viertklässler Verkehrsregeln und machen ihren Fahrradführerschein. Nun aber ist das Übungsgelände in die Jahre gekommen. Die Anlage kämpft mit abgeplatzten Fahrbahnmarkierungen, Schlaglöchern im Asphalt und Ampeln, die regelmäßig den Dienst versagen. Pläne für eine Sanierung gibt es, doch diese wird teuer und bringt den Trägerverein ans Limit.
„Links abbiegen“, sagt Polizist Jürgen Ehrhart, wenn man ihn fragt, womit die Viertklässler auf dem Übungsplatz die meisten Schwierigkeiten haben. So viele Dinge – acht Schritte insgesamt – müssten dabei berücksichtigt werden, vom Umschauen über das Handzeichen geben bis zum Achten auf Gegenverkehr und Fußgänger. Ehrhart und sein Kollege Thomas Fackler sind die beiden Polizisten, die an der Verkehrsschule in Kißlegg genau das mit den Kindern üben. Damit sie am Ende die Prüfung bestehen, und viel wichtiger: sicher mit dem Fahrrad auf den Straßen unterwegs sind.
Insgesamt viermal, in der Regel einmal in der Woche, kommen Schulklassen für die im staatlichen Lehrplan vorgeschriebene Radfahrausbildung nach Kißlegg. 1413 Kinder waren es im vergangenen Schuljahr. Das Einzugsgebiet erstreckt sich auf Grundschulen, Förderschulen und Privatschulen aus Achberg, Aichstetten, Aitrach, Amtzell, Argenbühl, Aulendorf, Bad-Wurzach, Bad Waldsee, Isny Leutkirch, Rot an der Rot, Wangen und Wolfegg. Die Theorie unterrichten die Lehrerinnen im Verkehrsschulgebäude, die Praxis auf dem Platz vermitteln Ehrhart und Fackler. 30 Leihräder stellt die Jugendverkehrsschule dafür zur Verfügung.
Träger der Jugendverkehrsschule ist die Verkehrswacht Württembergisches Allgäu. Der gemeinnützige Verein baute die Anlage samt Schulungsgebäude 1989 in Eigenregie, unterstützt mit Investitionszuschüssen der Kommunen. Ein Vorzeigeprojekt, das die Ära der mobilen Jugendverkehrsschule auf mehr oder weniger geeigneten Schulhöfen und Parkplätzen beendete.
Mittlerweile ist die Anlage in die Jahre gekommen. Zuletzt saniert wurde der Platz 2009. Nun steht eine grundsätzliche Modernisierung an. Die Kosten wird der Verein indes nicht alleine stemmen können, wie Joachim Arnold, Vorsitzender der Verkehrswacht Württembergisches Allgäu, erläutert. Denn die Liste der Dinge, die gerichtet werden sollten, ist umfangreich. Auf dem Übungsplatz selbst muss im Mittelbereich frisch asphaltiert und müssen die weißen Fahrbahnmarkierungen erneuert werden. Zudem soll die Verkehrsschule neben den Ampelkreuzungen künftig einen kleinen Kreisverkehr bekommen, damit auch die dort geltenden Verkehrsregeln geübt werden können.
Apropos Ampeln: Die sind ein kleines Glücksspiel. Zum Pressetermin leuchten sie in grün, gelb und rot. Das ist aber nicht immer so. Sie fallen regelmäßig aus und sollen schon zeitnah komplett umgerüstet und auf LED-Technik angepasst werden.
Insgesamt rund 75.000 Euro veranschlagt die Verkehrswacht für diese Arbeiten, die nach Möglichkeit schon in den Osterferien Ende März gemacht werden. Über Erspartes und Spenden könne der Verein diese Kosten selbst tragen. „Dann sind wir allerdings blank“, gewährt Arnold Einblick in die Vereinsfinanzen. Denn auch laufende Kosten für den Unterhalt der Jugendverkehrsschule muss die Verkehrswacht noch aufbringen.
Rund 700 Euro fallen laut Arnold im Monat an Kosten für den laufenden Betrieb an – angefangen von den Nebenkosten des Gebäudes bis zu Reparaturen der Leihräder. Die Haupteinnahmequelle des Vereins sind dabei die Beiträge, die die Schulträger pro Schüler zahlen. Dazu kommen Bußgeldzuweisungen der Gerichte, Beiträge der 42 Vereinsmitglieder, Spenden und Mieteinnahmen – eine Fahrschule und ein Akkordeonorchester nutzen den Unterrichtsraum.
Das Problem: die Liste der Dinge, die es zu sanieren gilt, ist noch nicht zu Ende. Denn auch am Schulungsgebäude nagt der Zahn der Zeit, obwohl man das dem gepf legten und 2015 mit einem neuen Fassadenanstrich versehenen Gebäude auf den ersten Blick nicht ansieht. Doch eine energetische Sanierung steht an – dem Wunsch nach in 2025. Dabei geht es um ein neues Dach samt Dämmung, die Erneuerung der sanitären Anlagen, und auch die Holzfenster von 1989 würde die Verkehrswacht in diesem Zug gerne ersetzen. Weitere an die 150.000 bis 200.000 Euro schätzt der Verein, wären dafür nötig.
Wo das Geld herkommen soll, ist dabei im Moment noch ungeklärt. Die Verkehrswacht hofft, einen Fördertopf des Landes anzapfen zu können. Auch ein möglicher Investitionskostenzuschuss der nutznießenden Kommunen ist angedacht – wobei Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher das als „worst case“betitelt. „Besser wäre es, es finden sich Leute, die sagen, das ist hier gut angelegtes Geld – denn das ist es“, sagt er und sieht Ansatzpunkte auch in einem Sponsoring durch Unternehmen und Institutionen. Wenn Jürgen Ehrhart den Schülern das richtige Verhalten im Straßenverkehr beibringt, tut er das übrigens ganz bewusst in Polizeiuniform. Für viele Kinder sei die Radfahrausbildung der erste direkte Kontakt mit der Polizei. Der Polizeibeamte hofft, dass viele Kinder diesen in positiver Erinnerung behalten.