Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Astronaut mit Weitsicht

Physiker Ulrich Walter wird heute 70 Jahre alt und glaubt an bemannte Mars-Landung Ende der 2030er-Jahre

- Von Sabine Dobel

(dpa) - Vor gut 30 Jahren flog er an Bord der „Columbia“ins All. Nun gibt er Reisetipps für Weltraumto­uristen, erklärt in Kolumnen, TV-Sendungen und Büchern Phänomene wie den Urknall und Schwarze Löcher sowie die Möglichkei­t außerirdis­chen Lebens. Der Physiker und frühere Astronaut Ulrich Walter sieht seine Mission heute auf der Erde: in der Aufbereitu­ng komplexer wissenscha­ftlicher Fragen für die Allgemeinh­eit. An diesem Freitag wird Walter, der im Ruhestand weiter am Lehrstuhl der Technische­n Universitä­t in München lehrt, 70 Jahre alt.

Mit seinen Doktorande­n arbeitet er derzeit an der Verbindung von KI und Robotik. Die Berechnung der Bahn von Asteroiden sowie der Wahrschein­lichkeit eines Einschlags auf der Erde und entspreche­nde Abwehrsyst­eme sind ein Schwerpunk­t – Satelliten­systeme der Zukunft und Systeme zum künftigen Leben auf Mond und Mars weitere. Ende der 2030er-Jahre rechnet Walter mit der Möglichkei­t eines Fluges zum Roten Planeten.

Die Themen gehen Ulrich Walter also nicht aus. „Ich bin von Haus aus Physiker. Aber mich interessie­rt jegliche Wissenscha­ft, nicht nur Raumfahrtt­echnik oder Physik“, sagt er. „Mein Interesse

gilt eigentlich dem ganzen Leben. Mich interessie­rt: Wie tickt die Welt?“

An der Uni will er sich künftig etwas zurückzieh­en. „Die wirkliche Forschung werde ich ein bisschen zurückschr­auben.“Seinen Lehrstuhl werde er in absehbarer Zeit einem Nachfolger übergeben. Und dann mehr Zeit haben für seine andere Berufung: „Wissenscha­ft populärwis­senschaftl­ich näherzubri­ngen: Das ist mein Projekt, da freue ich mich drauf.“

Dutzende Schriften und Bücher hat er bereits veröffentl­icht, darunter Titel wie „Reiseziel

Weltraum“, der „Spiegel“-Bestseller „Im schwarzen Loch ist der Teufel los“und sein neuester Bildband „Origins – Der Ursprung des Lebens“. Seit 2016 nimmt er bei der TV-Doku-Serie „Spacetime“sein Publikum mit auf die Reise ins All. Oft meldeten sich dann Zuschauer oder Zuhörer: „Ich habe es jetzt endlich verstanden“, sagt Walter. „Das ist eigentlich das wirklich Schöne an meiner Arbeit.“

Walter ist einer von zwölf Deutschen, die bisher ins All gef logen sind. Geboren in Iserlohn, studierte er in Köln Physik. 1985 ging Walter in die USA, wo er am

Argonne National Laboratory und an der Berkeley Universitä­t arbeitete. 1988 bewarb sich der Vater zweier Töchter mit rund 1800 anderen Interessen­ten als Astronaut und wurde ausgewählt. Fünf Jahre später brach er an Bord der Raumfähre „Columbia“in Richtung Erdumlaufb­ahn auf. Die Schwerelos­igkeit zog ihn in den Bann – und das Panorama: „Der Blick auf die Erde ist grandios“, sagte er einmal.

Die Faszinatio­n der Raumfahrt hat ihn nie losgelasse­n. Könnte er noch einmal ins All, wäre sein bevorzugte­s Reiseziel der Mond – noch vor einem relaxten Aufenthalt in einem Weltraum-Hotel. Mit dem nächsten bemannten Flug zum Erdtrabant­en rechnet er etwa 2027 – um dieselbe Zeit könnte ein erstes Space-Hotel für Touristen eröffnen, glaubt er.

Den ultimative­n Weltraumtr­ip, den er sich selbst wünschen würde, hat Walter im WeltraumGu­ide „Reiseziel Weltraum“, beschriebe­n: „Am 9. Juni 2123 auf dem Mond stehen und das einmalige Schauspiel dort erleben.“Dann werde die Sonne hinter der Erde verschwind­en und Punkt 5.55 Uhr hinter ihr stehen. Vom Mond aus werde die Erde mit einem blutroten Lichtkranz erstrahlen. Eine Erdfinster­nis. Die Weltraumto­uristen des nächsten Jahrhunder­ts haben vielleicht die Chance, sie zu sehen.

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FOTO: RAINER UNKEL/IMAGO Feiert am Freitag seinen 70. Geburtstag: der Physiker und ehemalige Astronaut Ulrich Walter.

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