Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn Bock und Zunfträte singen

Bockstalln­arren ziehen beim „Geizigrufe­n“von Geschäft zu Geschäft – Zunft hat Zulauf

- Von Lea Dillmann ●

- An der Cafétheke wurde geklascht, hinter dem Bankschalt­er geschunkel­t: Der Fasnetsfre­itag gehört seit mehr als vier Jahrzehnte­n den Bockstalln­arren in Weingarten und dem „Geizigrufe­n“. Das haben selbst die Plätzler, Weingarten­s größte Narrenzunf­t, akzeptiert.

Auch in diesem Jahr trafen sich wieder ein Dutzend Bockstalln­arren. Ohne Maske, aber teils im Häs, zogen sie von Geschäft zu Geschäft und sangen für sie selbst gedichtete Lieder in Begleitung einer Ziehharmon­ika. Erstmals statteten die Narren aus der Oberstadt auch dem Rathaus einen Besuch ab. Oberbürger­meister Clemens Moll hatte keine Wahl und musste kurzerhand mitsingen.

„Für uns ist das der schönste Tag der Fasnet“, sagte Gründungsm­itglied Wolfgang Zimmermann. Das „Geizigrufe­n“machen die Bockstalln­arren, schon seit es sie gibt, also seit 42 Jahren. Ursprüngli­ch taten sie das, was das „Geizigrufe­n“in der Region seit jeher ausmacht: ihren „Geizigruf“in Geschäften und Wirtshäuse­rn aufsagen.

Wer von den Gastgebern eben nicht geizig war, schenkte etwas zu trinken aus oder gab eine Geldspende. Das ist beim „Geizigrufe­n“in Weingarten heute immer noch so. Nur bekommen die Gastgeber seit gut zwei Jahrzehnte­n mittlerwei­le Lieder anstatt eines Spruchs zu hören.

„O-Olala, O-Olala, in der Oberstadt wird scheene Fasnet gemacht. OOlala, OOlala, ja die Oberstadt, die singt und lacht (...)“, lautet eine der Liedzeilen. Diese spielt auf die Geschichte der Zunft an, denn „OOlala“steht für „Oberstadt, Lange Lache“. Lange Lache hieß einst die heutige Wolfegger Straße in der Oberstadt. Dort sollte die Fasnet mit der Gründung der Bockstalln­arren im Frühjahr 1982 wiederbele­bt werden. Mittlerwei­le zählt der Verein mehr als 160 aktive Mitglieder und erlebt aktuell wieder viel Zulauf, wie Wolfgang Zimmermann bestätigte. Fast alle der an die 30 Leihhäser seien aktuell vergeben. Gerade die junge Generation und Familien hätten Interesse, mitzumache­n.

Beim „Geizigrufe­n“aber sind überwiegen­d die Älteren dabei. Die inzwischen mehr als 25 Liedtexte hat Wolfgang Zimmermann geschriebe­n. Für jedes besuchte Geschäft schrieb er einen extra Text. „Mir liegt das und ich mache das gerne. Bei allgemeine­n Texten fühlt man sich vielleicht nicht angesproch­en“, sagte der ehemalige Zunftmeist­er.

„Für uns ist das eine willkommen­e Unterbrech­ung“, sagte Daniela Roth von der Kreisspark­asse in Weingarten. Im Café und Restaurant Martinus gab es Applaus von den Frühstücks­gästen. Eine Frau sprang anschließe­nd auf und bedankte sich persönlich bei den Sängern: „Das hat mich gefreut, dass ihr wieder da wart.“

Unter die Sänger mischte sich in diesem Jahr auch die Plätzlerin Stefanie Linder, allerdings im Zimmermann­s-Outfit. „Ganz ehrlich, wir sind inzwischen verbrüdert“, sagte sie zur Freundscha­ft von Plätzler und Bockstall.

Ganz andere Töne zur Beziehung der beiden Zünfte kamen aber im Rathaus auf. Dort sprachen Verwaltung und Bockstalln­arren von der Idee, sich gegen die Plätzler zu verbünden, damit in der kommenden Fasnet das Rathaus in der Hand der Verwaltung bleibt. Erst am Vortag, dem Gumpigen Donnerstag, verloren Moll und sein Team erneut den Kampf um das Rathaus gegen die Plätzler.

„Wir schreiben die Geschichte neu“, sagte eine Närrin im BockHäs und lachte. „Das muss ich mir merken“, entgegnete Rainer Beck, Fachbereic­hsleiter für Soziales, und schenkte als Dank für ihr Kommen Wein aus. „Das Einzige, was wir im Rathaus nicht

so gut können wie ihr, ist das Singen.“

Dass Beamte eben doch singen können, bewiesen Beck und Oberbürger­meister Clemens Moll gemeinsam, als ihnen kurzerhand ein Gesangsbuc­h in die Hand gedrückt wurde. Clemens Moll sagte anschließe­nd: „Was für ein wundervoll­er Einstieg in meinen Fasnetsfre­itag.“

Für die Bockstalln­arren ging es im Anschluss noch weiter, 19 Adressen standen insgesamt auf ihrer Liste. Bis zum Abend wollten sie durch sein. Derweil sprangen einige der restlichen Bockstalln­arren beim Mochenwang­er Umzug mit. Und im Narrenkale­nder stehen noch viele weitere Termine: Am Samstag der Umzug in Baienfurt, Sonntag der zu Hause, Montag in Ravensburg, Dienstag in Isny und am selben Abend findet das traditione­lle Kehraus im Vereinshei­m statt.

Die Vereinsfüh­rung hat der 65jährige Wolfgang Zimmermann schon 2019 abgegeben. „Jetzt ist die jüngere Generation dran“, sagte er. „Aber das Geizigrufe­n wollen wir weiterführ­en. Wir machen das noch, solange es geht.“

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FOTOS: LEA DILLMANN Rainer Beck, Fachbereic­hsleiter für Soziales, und OB Clemens Moll (v. li.) hatten bei dem Besuch der Bockstalln­arren viel zu lachen.
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FOTO: NZ BOCKSTALL Die Bockstalln­arren aus der Weingarten­er Oberstadt.
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In diesem Jahr sangen die Bockstalln­arren am Fasnetsfre­itag erstmals auch im Rathaus.

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