Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die „Grauen Busse“reisen weiter

Mobiles Denkmal aus Ravensburg steht jetzt in Erlangen

- Von Bernd Adler

- Der mobile Teil des Ravensburg­er „Denkmals der Grauen Busse“steht seit Anfang des Monats im fränkische­n Erlangen. Es soll dort bis Jahresende ausgestell­t werden. Davor blieb es wegen Corona und dessen Folgen länger als gedacht in Emmendinge­n bei Freiburg. Das Denkmal erinnert an die Menschen, die während der NS-Zeit im sogenannte­n Euthanasie-Programm ermordet wurden.

„Aktion T4“ist heute ein gebräuchli­cher Begriff für den systematis­chen Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit körperlich­en, geistigen und seelischen Behinderun­gen in Nazideutsc­hland zwischen 1940 und 1941. Vermutlich liegt die Opferzahl aber höher. Auch Ravensburg war von dem Euthanasie­Programm

betroffen, das sogenannte­s „lebensunwe­rtes Leben“auslöschen wollte. Aus der Heilanstal­t in Weißenau, heute das Zentrum für Psychiatri­e, wurden 1940 und 1941 691 Patienten nach Grafeneck (Kreis Reutlingen) in eine Tötungsans­talt deportiert und dort getötet. An diesem Ort sollen über 10.000 Menschen ermordet worden sein.

2006 wurde an der alten Pforte der ehemaligen Heilanstal­t in Weißenau das „Denkmal der Grauen Busse“errichtet. Symbolhaft soll es erinnern an die Fahrzeuge, die Menschen mit Behinderun­gen von dort abholten und zur Tötung nach Grafeneck transporti­erten. Dem Denkmal ist das Zitat „Wohin bringt ihr uns?“eingeschri­eben. Das ist die überliefer­te Frage eines Mannes, der aus Weißenau deportiert und später vermutlich ermordet wurde.

Weil er eine Behinderun­g hatte.

Das Weißenauer Denkmal stammt im Entwurf von Horst Hoheisel und Andreas Knitz. Von Anfang an war gedacht, dass ein Teil dieser Gedenkstät­te in Ravensburg bleibt und ein zweiter auf die Reise geht durch die Bundesrepu­blik, um auch an anderen Orten an die Opfer des sogenannte­n Euthanasie-Programms zu erinnern.

Seither hat der mobile Teil des Denkmals zahllose Stationen gemacht. Zunächst stand er vor der der Gewerblich­en Schule in Ravensburg, danach ging es nach Berlin (2008), Brandenbur­g (2009), Stuttgart (2009), später unter anderem nach Pirna (2010) und Köln (2011). 2012 und danach folgten Zwiefalten, Grafeneck, München, Kassel und Frankfurt.

2019 erfolgte ein Aufstellen der „Grauen Busse“im badischen

Emmendinge­n, dort blieben sie aufgrund der Verzögerun­gen durch die Corona-Pandemie länger als geplant, finden jetzt aber seit Anfang Februar in Erlangen einen neuen Standort bis Ende 2024.

Das Denkmal gehört dem Zentrum für Psychiatri­e Südwürttem­berg und der Stadt Ravensburg. Am Erlangener Hugenotten­platz, einem der am meisten frequentie­rten Orte der Innenstadt, soll es nun Beachtung finden und vielleicht zum Nachdenken anregen über diesen unrühmlich­en Teil der deutschen Geschichte. Die fränkische Stadt hat zudem ein umfänglich­es Rahmenprog­ramm angekündig­t. Aus der Erlangener Heilanstal­t wurden im Dritten Reich nach aktuellem Forschungs­stand 905 Menschen deportiert. Zahllose andere starben an Hunger.

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FOTO: WYNRICH ZLOMKE Das „Denkmal der Grauen Busse“in Weißenau. Der mobile Teil dieser Erinnerung­sstätte ist jetzt nach Erlangen gezogen.

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