Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weitere Vorwürfe gegen Lehrer mit AfD-Parteibuch
Ehemaliger Ravensburger Schüler berichtet von Beschwerde – Kultusministerium lässt die Lage beobachten
- Nach der mit einem Graffiti an der Gewerblichen Schule geäußerten Kritik an einem Lehrer mit AfD-Parteibuch und dessen Unterrichtsinhalten, hat sich nun auch ein Ex-Schüler mit Vorwürfen gemeldet. Er schildert, dass der Lehrer im Unterricht immer wieder Bemerkungen gemacht habe, die er als rassistisch empfunden hat. Er habe sich beschwert. Doch die Schule habe damals beschwichtigt, kritisiert der junge Mann, der selbst nach Deutschland geflüchtet ist. Besagter Lehrer steht laut Kultusministerium jetzt unter besonderer Beobachtung.
Der Schüler berichtet von Äußerungen des Lehrers im Wirtschaftskundeoder Deutschunterricht vor einer Klasse mit vielen Schülern, die geflüchtet waren, und nun eine Ausbildung machten. Der Pädagoge habe sich darüber beschwert, dass er viele Steuern zahlen müsse, Flüchtlinge aber nicht. Er habe auch kritisiert, dass zu viele Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden und habe abfällige Bemerkungen über Afrika gemacht, dem Heimatkontinent einiger seiner Schüler.
„Alle hatten eine andere Meinung, aber hatten Angst, sich zu äußern“, erinnert sich der ExSchüler. „Viele befürchteten, dass er schlechte Noten in der Klassenarbeit gibt, wenn sie was sagen.“Er findet, der Lehrer sei nicht geeignet, eine Klasse mit zugewanderten Schülern zu unterrichten.
Er habe dann mit einer ihm nahestehenden Person über das Problem gesprochen. Diese Person erklärt gegenüber der Redaktion: „Sein Klassenlehrer wurde darauf von mir mündlich informiert, er hat das dann an die Schulleitung weitergegeben.“Anschließend habe es ein Gespräch der Schulleitung mit der Klasse gegeben. Der Ex-Schüler erinnert sich, dass dabei beschwichtigt wurde. Die Klasse solle Ruhe bewahren. Verändert habe sich nichts.
Der Lehrer steht auch in der Kritik, weil er als Beisitzer im AfD-Kreisverband Bodensee als Redner an einer Demonstration gegen ein Flüchtlingsheim in Salem
teilgenommen hat. Im Flyer für die Veranstaltung im Dezember war unter anderem von einem angeblichen „Bevölkerungsaustausch“in Deutschland die Rede. Dabei handelt es sich laut Bundesamt für Verfassungsschutz um ein Narrativ der Neuen Rechten, wonach angeblich die „einheimische“Bevölkerung durch Zuwanderer ersetzt wird.
Die SPD-Kreistagsfraktion im Bodenseekreis forderte darauf hin in einem Brief an die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) die Überprüfung der Verfassungstreue des Lehrers. Auf mehrfache Anfragen der Redaktion in den vergangenen Wochen hat sich der Betroffene nicht zurückgemeldet.
Gut einen Monat nach der Demonstration tauchte ein Graffiti an der Gewerblichen Schule Ravensburg auf. An eine Wand wurde der Schriftzug „AfD-Unterricht, nein danke“geschrieben. Das Graffiti ist vom Schulträger entfernt worden. Die Polizei
konnte keine Täter ermitteln, wie sie auf Anfrage der Redaktion mitteilt. Der Vorgang sei als Anzeige gegen Unbekannt zwischenzeitlich der Staatsanwaltschaft vorgelegt worden. Ob es wirklich Schüler waren, die hinter dem Wandbild und einem dazu lancierten öffentlichen Brief stecken, bleibt unklar. Der „Stern“hat mit einem der Absender des Protestbriefes ein Interview unter Wahrung der Anonymität geführt, für ein Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“stand niemand aus der Gruppe zur Verfügung.
Zu den neuerlich aufgetauchten Vorwürfen des Ex-Schülers macht Schulleiter Bernd Vogt mit Verweis auf Personalangelegenheiten keine Angaben. Auch über die damalige Reaktion der Schulleitung will er mit derselben Argumentation nichts sagen.
Er hatte mitgeteilt, dass „belastbare“Beschwerden über Lehrer bei der Schulleitung durchaus
richtig seien. Belastbar sei eine Beschwerde, wenn sie nicht anonym sei und sich beim Gegencheck mit Zeugen als relevant und richtig herausstelle.
Schulleiter Vogt hatte berichtet, dass das Graffiti Anlass für interne Gespräche an der Schule gewesen und dabei die Idee für eine Demokratiewoche an der Schule entstanden sei. Die Projekttage werden gerade für Mai geplant.
Auf den Lehrer an der gewerblichen Schule hat nun das Regierungspräsidium (RP) Tübingen als Aufsichtsbehörde ein Auge. Kultusministerin Schopper hatte auf das Schreiben der SPD-Kreistagsfraktion vom Bodensee geantwortet, das RP „wird gemeinsam mit der Schule das weitere Verhalten des Beamten beobachten“.
Fraktionschef Norbert Zeller sagt dazu: „Ich bin dankbar, dass sich die Ministerin damit klar positioniert. Der Lehrer steht jetzt unter verschärfter Beobachtung,
das ist gut so.“Es gehe immer um eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit, „aber es gibt Grenzen“, sagt Zeller und verweist auf das Mäßigungsgebot im Beamtenrecht.
Die Kultusministerin hat in ihrem Antwortschreiben die jüngere Rechtsprechung zum Thema so dargestellt: Bei der Beurteilung, ob eine politische Betätigung eines Beamten disziplinarrechtlich zu ahnden ist, komme es auf eine Gesamtschau der zur Last gelegten Verhaltensweisen an. Würden Pflichtverletzungen festgestellt und käme man in der Gesamtschau dieser Pflichtverletzungen mit dem Persönlichkeitsbild zum Ergebnis, dass eine Abkehr von den Fundamentalprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stattgefunden habe, könne es Konsequenzen geben.
Dann sei die Einleitung disziplinarischer Maßnahmen bis hin zur Entlassung aus dem Dienst möglich.