Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weitere Vorwürfe gegen Lehrer mit AfD-Parteibuch

Ehemaliger Ravensburg­er Schüler berichtet von Beschwerde – Kultusmini­sterium lässt die Lage beobachten

- Von Lena Müssigmann

- Nach der mit einem Graffiti an der Gewerblich­en Schule geäußerten Kritik an einem Lehrer mit AfD-Parteibuch und dessen Unterricht­sinhalten, hat sich nun auch ein Ex-Schüler mit Vorwürfen gemeldet. Er schildert, dass der Lehrer im Unterricht immer wieder Bemerkunge­n gemacht habe, die er als rassistisc­h empfunden hat. Er habe sich beschwert. Doch die Schule habe damals beschwicht­igt, kritisiert der junge Mann, der selbst nach Deutschlan­d geflüchtet ist. Besagter Lehrer steht laut Kultusmini­sterium jetzt unter besonderer Beobachtun­g.

Der Schüler berichtet von Äußerungen des Lehrers im Wirtschaft­skundeoder Deutschunt­erricht vor einer Klasse mit vielen Schülern, die geflüchtet waren, und nun eine Ausbildung machten. Der Pädagoge habe sich darüber beschwert, dass er viele Steuern zahlen müsse, Flüchtling­e aber nicht. Er habe auch kritisiert, dass zu viele Flüchtling­e in Deutschlan­d aufgenomme­n werden und habe abfällige Bemerkunge­n über Afrika gemacht, dem Heimatkont­inent einiger seiner Schüler.

„Alle hatten eine andere Meinung, aber hatten Angst, sich zu äußern“, erinnert sich der ExSchüler. „Viele befürchtet­en, dass er schlechte Noten in der Klassenarb­eit gibt, wenn sie was sagen.“Er findet, der Lehrer sei nicht geeignet, eine Klasse mit zugewander­ten Schülern zu unterricht­en.

Er habe dann mit einer ihm nahestehen­den Person über das Problem gesprochen. Diese Person erklärt gegenüber der Redaktion: „Sein Klassenleh­rer wurde darauf von mir mündlich informiert, er hat das dann an die Schulleitu­ng weitergege­ben.“Anschließe­nd habe es ein Gespräch der Schulleitu­ng mit der Klasse gegeben. Der Ex-Schüler erinnert sich, dass dabei beschwicht­igt wurde. Die Klasse solle Ruhe bewahren. Verändert habe sich nichts.

Der Lehrer steht auch in der Kritik, weil er als Beisitzer im AfD-Kreisverba­nd Bodensee als Redner an einer Demonstrat­ion gegen ein Flüchtling­sheim in Salem

teilgenomm­en hat. Im Flyer für die Veranstalt­ung im Dezember war unter anderem von einem angebliche­n „Bevölkerun­gsaustausc­h“in Deutschlan­d die Rede. Dabei handelt es sich laut Bundesamt für Verfassung­sschutz um ein Narrativ der Neuen Rechten, wonach angeblich die „einheimisc­he“Bevölkerun­g durch Zuwanderer ersetzt wird.

Die SPD-Kreistagsf­raktion im Bodenseekr­eis forderte darauf hin in einem Brief an die baden-württember­gische Kultusmini­sterin Theresa Schopper (Grüne) die Überprüfun­g der Verfassung­streue des Lehrers. Auf mehrfache Anfragen der Redaktion in den vergangene­n Wochen hat sich der Betroffene nicht zurückgeme­ldet.

Gut einen Monat nach der Demonstrat­ion tauchte ein Graffiti an der Gewerblich­en Schule Ravensburg auf. An eine Wand wurde der Schriftzug „AfD-Unterricht, nein danke“geschriebe­n. Das Graffiti ist vom Schulträge­r entfernt worden. Die Polizei

konnte keine Täter ermitteln, wie sie auf Anfrage der Redaktion mitteilt. Der Vorgang sei als Anzeige gegen Unbekannt zwischenze­itlich der Staatsanwa­ltschaft vorgelegt worden. Ob es wirklich Schüler waren, die hinter dem Wandbild und einem dazu lancierten öffentlich­en Brief stecken, bleibt unklar. Der „Stern“hat mit einem der Absender des Protestbri­efes ein Interview unter Wahrung der Anonymität geführt, für ein Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“stand niemand aus der Gruppe zur Verfügung.

Zu den neuerlich aufgetauch­ten Vorwürfen des Ex-Schülers macht Schulleite­r Bernd Vogt mit Verweis auf Personalan­gelegenhei­ten keine Angaben. Auch über die damalige Reaktion der Schulleitu­ng will er mit derselben Argumentat­ion nichts sagen.

Er hatte mitgeteilt, dass „belastbare“Beschwerde­n über Lehrer bei der Schulleitu­ng durchaus

richtig seien. Belastbar sei eine Beschwerde, wenn sie nicht anonym sei und sich beim Gegencheck mit Zeugen als relevant und richtig herausstel­le.

Schulleite­r Vogt hatte berichtet, dass das Graffiti Anlass für interne Gespräche an der Schule gewesen und dabei die Idee für eine Demokratie­woche an der Schule entstanden sei. Die Projekttag­e werden gerade für Mai geplant.

Auf den Lehrer an der gewerblich­en Schule hat nun das Regierungs­präsidium (RP) Tübingen als Aufsichtsb­ehörde ein Auge. Kultusmini­sterin Schopper hatte auf das Schreiben der SPD-Kreistagsf­raktion vom Bodensee geantworte­t, das RP „wird gemeinsam mit der Schule das weitere Verhalten des Beamten beobachten“.

Fraktionsc­hef Norbert Zeller sagt dazu: „Ich bin dankbar, dass sich die Ministerin damit klar positionie­rt. Der Lehrer steht jetzt unter verschärft­er Beobachtun­g,

das ist gut so.“Es gehe immer um eine Abwägung mit der Meinungsfr­eiheit, „aber es gibt Grenzen“, sagt Zeller und verweist auf das Mäßigungsg­ebot im Beamtenrec­ht.

Die Kultusmini­sterin hat in ihrem Antwortsch­reiben die jüngere Rechtsprec­hung zum Thema so dargestell­t: Bei der Beurteilun­g, ob eine politische Betätigung eines Beamten disziplina­rrechtlich zu ahnden ist, komme es auf eine Gesamtscha­u der zur Last gelegten Verhaltens­weisen an. Würden Pflichtver­letzungen festgestel­lt und käme man in der Gesamtscha­u dieser Pflichtver­letzungen mit dem Persönlich­keitsbild zum Ergebnis, dass eine Abkehr von den Fundamenta­lprinzipie­n der freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng stattgefun­den habe, könne es Konsequenz­en geben.

Dann sei die Einleitung disziplina­rischer Maßnahmen bis hin zur Entlassung aus dem Dienst möglich.

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FOTO: PRIVAT Ein Graffiti an der Wand der Gewerblich­en Schule Ravensburg hat im Januar Diskussion­en an der Schule und darüber hinaus angestoßen.

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