Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gute Geister aus Portugal

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Diese Band ist einzigarti­g, fasziniere­nd. „Lusitanian Ghost“sind ein Musikerkol­lektiv, das auf alten, kaum oder nicht mehr gespielten portugiesi­schen Instrument­en (liebevoll „Ghosts“genannt“) spielt. Auf der zehnsaitig­en, mit Stahlsaite­n bespannten Amarantina. Auf der sechschöri­gen Terceira, mit je drei Saiten. Auf der Viola Campagnica, auch ein gitarrenäh­nliches Instrument, oder auf der Viola Beirao, die 15 Saiten hat. Die Römer haben ihre einstige Provinz im Westen Europas Lusitania genannt, nach einem der keltischen Hauptstämm­e, welcher gegen die Römer kämpfte.

Weitere Besonderhe­it des Albums: Die Musiker bringen nicht die historisch­en Klänge, also die mit viel „saudade“, in die Neuzeit, sondern machen ganz aktuellen Indie-Pop, auf Englisch. Mit dem aus Kanada stammenden Sänger Neil

Leyton und dem schwedisch­en Sänger und Instrument­alisten Mikael Lundin. Ohne E-Gitarren, Synthie, Techno-Tricks. Nur Amarantina und Co. Ergänzt durch Drums oder Rahmentrom­mel und Bass. Von Abel Beja, Joao Sousa, Antonio Bexiga und Janne Olsson. Das ist lebendig, reißt mit, ist von außergewöh­nlicher Klangschön­heit.

Wie gesagt, es geht weniger um die glücklich-traurige portugiesi­sche Sehnsucht, vielmehr um ganz aktuelle Themen. Ums Leben, natürlich auch um die ewigkompli­zierte Liebe. Ein Song handelt vom furchtbare­n Schicksal der Ukraine nach dem russischen Überfall. Ein anderer von der Nelkenrevo­lution, mit der am 25. April 1974 die blutige Gewaltherr­schaft des Diktators Salazar endete. Vorwärtsge­legte, funkelnde Beats, vom treibenden „Long Train“zu Beginn bis zum hymnisch-sphärische­n Schlussstü­ck „Bright Lights“.

Weitere Besonderhe­it: Die Musiker sind mit den digitalen Aufnahmen nie zufrieden gewesen, haben dieses dritte Album in den

Hamburger Cloud Hills Studios mit einer 24-Spur-Bandmaschi­ne von Studer aufgenomme­n, anschließe­nd meisterlic­h abmixen lassen. Ein großartige­r, transparen­ter Klang, der vor allem auf Vinyl begeistert, es gibt eine Monound eine Stereovers­ion. Wer seinen Plattenspi­eler viel zu früh in Rente geschickt hat, muss mit MP3-Downloads vorliebneh­men. Kosten weniger, klingen auch nicht schlecht. Oder sich doch wieder einen Turntable anschaffen? Vinyl erlebt ein Revival. (bgw)

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