Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Wichtig ist, dass man sich jemandem anvertraut“

Eine Fachärztin erklärt, wie sich Depression­en äußern und was Betroffene und Angehörige tun können

- Von Katrin Neef

- Was genau sind eigentlich Depression­en und wie kann man mit dieser Krankheit umgehen? Diese Fragen beantworte­t Susanne Bachthaler (Foto: Fesseler/ZfP), Fachärztin für Psychosoma­tische Medizin an der Ravensburg­er Sinova-Klinik des ZfP Südwürttem­berg, im Interview.

Was ist eine Depression eigentlich genau, wie kann man dieses Krankheits­bild definieren?

Der Begriff wird ja oft falsch verwendet, man sagt oft, ich bin heute depressiv, meint damit aber eigentlich, dass man gerade schlecht gelaunt oder frustriert ist. Das Krankheits­bild Depression aber ist klar definiert und umfasst drei Hauptmerkm­ale: Niedergesc­hlagenheit, Antriebslo­sigkeit und Interessen­losigkeit. Wenn diese drei Symptome 14 Tage anhalten, spricht man von einer Depression. Es gibt dann noch die Unterschei­dung zwischen leichter, mittelgrad­iger und schwerer Depression. Zusätzlich zu den genannten Symptomen kann es auch sein, dass Patienten nicht schlafen oder fast nichts mehr essen können oder fast nur noch schlafen oder sehr viel essen.

Und wie äußert es sich, wenn jemand manisch-depressiv ist?

Dann treten extreme Stimmungss­chwankunge­n auf zwischen Depression und Manie. Bei einer Manie ist man außerorden­tlich gut gestimmt, sprudelt vor Ideen und hat das Gefühl, alles schaffen zu können. Der Wechsel kann dabei sehr schnell, also innerhalb von Stunden, vor sich gehen, oder auch sehr langsam.

Was kann ich tun, wenn ich bei mir selbst Symptome einer Depression bemerke?

Wichtig ist, dass man sich jemandem anvertraut. Denn Depression­en können gut behandelt werden. Man kann zum Beispiel mit dem Hausarzt darüber sprechen oder man wendet sich an eine Praxis für Psychother­apie oder an eine Psychiatri­sche Institutsa­mbulanz.

Stimmt die Beobachtun­g, dass viele Betroffene über eine psychische Erkrankung­en nicht so offen sprechen oder sich sogar dafür schämen?

Es ist zwar schon viel besser geworden, aber der Umgang mit psychische­n Krankheite­n ist immer noch anders als der mit anderen Krankheite­n. Aus der Erfahrung wissen wir, dass viele Betroffene manchmal jahrelang mit den Symptomen einer Depression leben, bevor sie sich Hilfe holen. Das kann mit Scham zu tun haben oder mit dem Gefühl, nicht gut genug zu funktionie­ren. Das ist aber Unsinn. Denn mit anderen Beschwerde­n, wie zum Beispiel einer Beinverlet­zung, geht man ja auch zum Arzt. Und je früher man mit der Behandlung von Depression­en anfängt, desto besser ist die Ausgangsla­ge. Andernfall­s können sich die Symptome verfestige­n und chronisch werden.

Wie werden Depression­en behandelt?

Da gibt es zwei Säulen: die psychother­apeutische Begleitung und die Einnahme von Medikament­en. Medikament­e können den Zustand der Patienten stabilisie­ren, aber sie sind nur Hilfe zur Selbsthilf­e. Bei einer Depression muss man immer auch selbst etwas tun.

Was kann ich tun, wenn ich bei anderen, zum Beispiel bei einem Familienmi­tglied, Anzeichen einer Depression bemerke?

Man sollte die Person darauf aufmerksam machen, dass eine Depression vorliegen könnte. Und man kann Hilfsangeb­ote machen und diese auch wiederhole­n. Wichtig ist, dass man niemanden zwingt, zum Psychologe­n zu gehen. Wenn die betroffene Person das nicht will, dann kann auch der beste Therapeut nichts machen. Es muss Selbstmoti­vation da sein. Und man muss bereit sein, bestimmte Dinge in seinem Leben zu ändern. Zum Beispiel Sport treiben oder unter die Leute zu gehen.

Das fällt vielen Patienten schwer. Manche brauchen auch einen gewissen Leidensdru­ck, bis sie bereit sind, sich helfen zu lassen.

Sind Depression­en vererbbar?

Ja, eine genetische Vererbung ist möglich, kann aber auch eine Generation überspring­en.

Was kann ich tun, um das Risiko, depressiv zu werden, zu minimieren?

Sport, gesunde Ernährung und soziale Kontakte sind zentrale Faktoren für das Wohlbefind­en. Auch ein Ausgleich zur Arbeit ist wichtig. Man sollte Dinge tun, die einem Spaß machen, vielleicht mal einen Kurs besuchen, eine Sprache lernen oder ein Instrument spielen. Nicht nur vor dem Bildschirm sitzen. Außerdem sollte man sich genügend Erholung gönnen und auch mal für sich sein. Das können viele Menschen heutzutage gar nicht mehr.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany