Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wichtig ist, dass man sich jemandem anvertraut“
Eine Fachärztin erklärt, wie sich Depressionen äußern und was Betroffene und Angehörige tun können
- Was genau sind eigentlich Depressionen und wie kann man mit dieser Krankheit umgehen? Diese Fragen beantwortet Susanne Bachthaler (Foto: Fesseler/ZfP), Fachärztin für Psychosomatische Medizin an der Ravensburger Sinova-Klinik des ZfP Südwürttemberg, im Interview.
Was ist eine Depression eigentlich genau, wie kann man dieses Krankheitsbild definieren?
Der Begriff wird ja oft falsch verwendet, man sagt oft, ich bin heute depressiv, meint damit aber eigentlich, dass man gerade schlecht gelaunt oder frustriert ist. Das Krankheitsbild Depression aber ist klar definiert und umfasst drei Hauptmerkmale: Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Interessenlosigkeit. Wenn diese drei Symptome 14 Tage anhalten, spricht man von einer Depression. Es gibt dann noch die Unterscheidung zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression. Zusätzlich zu den genannten Symptomen kann es auch sein, dass Patienten nicht schlafen oder fast nichts mehr essen können oder fast nur noch schlafen oder sehr viel essen.
Und wie äußert es sich, wenn jemand manisch-depressiv ist?
Dann treten extreme Stimmungsschwankungen auf zwischen Depression und Manie. Bei einer Manie ist man außerordentlich gut gestimmt, sprudelt vor Ideen und hat das Gefühl, alles schaffen zu können. Der Wechsel kann dabei sehr schnell, also innerhalb von Stunden, vor sich gehen, oder auch sehr langsam.
Was kann ich tun, wenn ich bei mir selbst Symptome einer Depression bemerke?
Wichtig ist, dass man sich jemandem anvertraut. Denn Depressionen können gut behandelt werden. Man kann zum Beispiel mit dem Hausarzt darüber sprechen oder man wendet sich an eine Praxis für Psychotherapie oder an eine Psychiatrische Institutsambulanz.
Stimmt die Beobachtung, dass viele Betroffene über eine psychische Erkrankungen nicht so offen sprechen oder sich sogar dafür schämen?
Es ist zwar schon viel besser geworden, aber der Umgang mit psychischen Krankheiten ist immer noch anders als der mit anderen Krankheiten. Aus der Erfahrung wissen wir, dass viele Betroffene manchmal jahrelang mit den Symptomen einer Depression leben, bevor sie sich Hilfe holen. Das kann mit Scham zu tun haben oder mit dem Gefühl, nicht gut genug zu funktionieren. Das ist aber Unsinn. Denn mit anderen Beschwerden, wie zum Beispiel einer Beinverletzung, geht man ja auch zum Arzt. Und je früher man mit der Behandlung von Depressionen anfängt, desto besser ist die Ausgangslage. Andernfalls können sich die Symptome verfestigen und chronisch werden.
Wie werden Depressionen behandelt?
Da gibt es zwei Säulen: die psychotherapeutische Begleitung und die Einnahme von Medikamenten. Medikamente können den Zustand der Patienten stabilisieren, aber sie sind nur Hilfe zur Selbsthilfe. Bei einer Depression muss man immer auch selbst etwas tun.
Was kann ich tun, wenn ich bei anderen, zum Beispiel bei einem Familienmitglied, Anzeichen einer Depression bemerke?
Man sollte die Person darauf aufmerksam machen, dass eine Depression vorliegen könnte. Und man kann Hilfsangebote machen und diese auch wiederholen. Wichtig ist, dass man niemanden zwingt, zum Psychologen zu gehen. Wenn die betroffene Person das nicht will, dann kann auch der beste Therapeut nichts machen. Es muss Selbstmotivation da sein. Und man muss bereit sein, bestimmte Dinge in seinem Leben zu ändern. Zum Beispiel Sport treiben oder unter die Leute zu gehen.
Das fällt vielen Patienten schwer. Manche brauchen auch einen gewissen Leidensdruck, bis sie bereit sind, sich helfen zu lassen.
Sind Depressionen vererbbar?
Ja, eine genetische Vererbung ist möglich, kann aber auch eine Generation überspringen.
Was kann ich tun, um das Risiko, depressiv zu werden, zu minimieren?
Sport, gesunde Ernährung und soziale Kontakte sind zentrale Faktoren für das Wohlbefinden. Auch ein Ausgleich zur Arbeit ist wichtig. Man sollte Dinge tun, die einem Spaß machen, vielleicht mal einen Kurs besuchen, eine Sprache lernen oder ein Instrument spielen. Nicht nur vor dem Bildschirm sitzen. Außerdem sollte man sich genügend Erholung gönnen und auch mal für sich sein. Das können viele Menschen heutzutage gar nicht mehr.