Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lichterfest-Parade verzaubert Ravensburg
Riesenandrang in der Innenstadt – Staus, volle Parkhäuser, verspätete Busse
- Lindwurm, RiesenDackel, Huhn, Pinguin und viele Hundert kleine Laternen: Die Lichterfest-Parade mit 500 magisch-leuchtenden Figuren und dem Motto „Erde“hat am Samstag alle vollkommen begeistert: die Trägerinnen und Träger ebenso wie die jubelnden Gäste, die zusammen gefeiert haben. Der Andrang beim dritten Lichterfest in der Ravensburger Innenstadt war riesig. Veranstalter des größten „Community Art Festivals“in Süddeutschland ist das Kapuziner Kreativzentrum.
„So voll hab ich die Stadt noch nie gesehen“, sagt ein Mann. „Das ist ja wie Rutenfest und Rosenmontag zusammen“, findet sein Begleiter. Tatsächlich ist es schwierig, einen Platz mit Blick auf die Parade zu bekommen. Kinder sitzen in Bäumen, ganze Familien haben Brunnen oder Baugerüste erklettert oder drängen sich auf Treppenstufen vor Ladeneingängen. Viele Kinderwagen werden durchs Gewühl geschoben, Menschen sind in Rollstühlen oder mit Rollatoren unterwegs.
Viel bewundert werden die großen Figuren wie die Elefantin Nellie, Mutter Erde, eine gigantische Gottesanbeterin und eine Spinne mit beweglichen Beinen. „Passen die wirklich durch die Brotlaube?“, will eine Frau wissen. Ihre Gruppe steht am unteren Ende der Marktstraße und sieht den Zug von oben kommen. Ein leuchtendes Schaf schwebt über den Köpfen der Menge und biegt in die Brotlaube ein, gefolgt von einem Schwein, einer gewaltigen Schnecke, einem Igel und einem ebenso großen Coronavirus.
Dann geht ein Raunen durch die Menge: „Aahh – der Taucher kommt.“Er stammt noch vom
ersten Lichterfest mit dem Motto „Wasser“. Die gewaltige Figur verschwindet in der Brotlaube Richtung Gespinstmarkt. Auch die Zuschauerinnen und Zuschauer sind ständig in Bewegung: Als die letzten Leuchtfiguren die Bachstraße verlassen, ziehen sie zur Burgstraße, zum Gespinstmarkt oder zur Kirchstraße, um noch mehr zu sehen. Auf dem Marienplatz schlängeln sie sich um die langen Warteschlangen vor den Imbissständen.
Eine Menge Gäste sind später angekommen als geplant. Von allen Seiten hat es Staus in Richtung Innenstadt gegeben, die Parkhäuser haben bei Weitem nicht alle Fahrzeuge aufnehmen können. Um die Parkplatzsuche zu vermeiden, sind viele mit dem Bus gekommen. Eine Gruppe aus Wilhelmsdorf berichtet, dass ihr Bus bereits in Horgenzell völlig überfüllt war und erst mit 40 Minuten Verspätung in Ravensburg angekommen ist.
Wegen der breiten Zuschauerreihen entlang der Strecke beschließen viele, auf dem Marienplatz das Ende der Parade abzuwarten und dann die Figuren aus der Nähe anzusehen. Aber weil der Platz so überfüllt ist, leiten die Ordner die Trägerinnen und Träger in die Unterstadt. Vor der Zehntscheuer steht der große Pinguin.
„Der geht jetzt schlafen im Kapuziner“, erklärt der Mann, der durch eine Luke aus dem Bauch des Tiers schaut.
Ein paar Meter weiter ist eine leuchtende Fledermaus zu sehen. Sie hat um die zweieinhalb Meter Spannweite und ist wie alle Lichterfest-Figuren aus Bambus, Weidenruten und Seidenpapier gebaut, mit warmweißen LEDs im Innern. Ihr Träger, Achim Steindle aus Fronreute, ist noch ganz euphorisiert von der Parade und dem Jubel der Menschen: „Ich hab mich gefühlt wie der Kaiser von China.“
Jetzt wollen viele Passanten seine Fledermaus mal hochheben. Er schätzt das Tier auf fünf Kilogramm, dazu kommt die Batterie für die Beleuchtung auf seinem Rücken. Die Fledermaus wird einen Ehrenplatz in seiner Wohnung bekommen. Auch Lior Kreusch aus Ravensburg will sich von seiner Figur nicht trennen: Der Schüler hat für das Lichterfest eine rund dreieinhalb Meter lange Trompete gebaut. Um die Ecke wird gerade die Igelfigur in ein Auto verladen. Derweil machen sich viele Gäste auf den Weg zu den Bushaltestellen, an denen sich bereits große Menschentrauben versammeln. Andere genießen die Ausstellungen und Aftershow-Partys, die sich über die ganze Stadt verteilen.
„Nach meinem Bauchgefühl waren 35.000 Leute beim Lichterfest“, sagt Sebastian Striegel, Sprecher des Kapuziner Kreativzentrums. Gerechnet hatten Veranstalter und Stadtverwaltung nach seinen Worten mit 20.000 Gästen. „Wir waren alle überrascht von dem gigantischen Zuspruch.“Nach anderthalb Jahren Vorbereitung wollen die Macher nun ein paar Tage durchschnaufen, sagt er. Dann geht es an die Vorarbeiten fürs nächste Lichterfest im Jahr 2026 mit dem Motto „Feuer“.