Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Reisehunge­r der Deutschen stärker denn je

Buchungen für den kommenden Sommer liegen über der Rekordsais­on 2019 – Internatio­naler Tourismus auf Erholungsk­urs

- Von Friederike Marx

(dpa) - Das Geschäft mit den schönsten Wochen des Jahres brummt wieder. Die Menschen in Deutschlan­d sind in Reiselaune trotz Konjunktur­f laute, Inf lation und Streikwell­en bei Bahn und Lufthansa. „Der Reisehunge­r der Menschen in Deutschlan­d ist stärker denn je und wächst weiter“, sagte der Präsident des Deutschen Reiseverba­ndes (DRV), Norbert Fiebig, am Montag zum Auftakt der weltgrößte­n Reisefachm­esse ITB Berlin. Der Buchungsum­satz für die wichtige Sommersais­on liege derzeit deutlich über dem Vor-Corona-Rekord 2019.

Mehr Menschen als im vergangene­n Jahr möchten Umfragen zufolge in diesem Jahr verreisen. Nach Angaben des DRV teilten bei einer aktuellen GfK-Umfrage 79 Prozent (plus 2 Prozentpun­kte) mit, eine Urlaubsrei­se zu planen. Zudem wollen 25 Prozent mehr oder wesentlich mehr dafür ausgeben als 2023. Gespart wird nach Erkenntnis­sen der Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen (FUR) eher in anderen Bereichen. „Die eine lange Reise gehört für die meisten im Leben dazu“, sagte der Studienlei­ter der FUR-Reiseanaly­se Ulf Sonntag jüngst.

Mit Stand Ende Januar haben dem DRV zufolge 24 Prozent mehr Menschen in Deutschlan­d eine Veranstalt­erreise für diesen Sommer gebucht als ein Jahr zuvor. Der Umsatz mit Pauschalre­isen oder Bausteinre­isen, deren einzelne Elemente wie Hotel und

Flug individuel­l zusammenge­stellt werden können, lag um 30 Prozent über dem Vorjahr. Der Rekordsomm­er 2019 vor der Corona-Pandemie wird beim Umsatz bislang um 11 Prozent übertroffe­n, auch wegen gestiegene­r Preise. Die Zahl der Gäste hinkt gegenüber 2019 dagegen noch um 17 Prozent hinterher.

Mit Blick auf die geplanten Streiks bei der Bahn und bei Lufthansa in der ITB-Woche sagte Fiebig: „Das ist kein gutes Bild, das aus Deutschlan­d in die Welt getragen wird.“Die Ausstände schadeten der gesamten Wirtschaft und dem Vertrauen in den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d.

DRV-Präsident Fiebig erwartet im Gesamtjahr ein „signifikan­tes“Umsatzwach­stum, auch wenn es nicht in dem bisherigen Tempo weitergehe­n dürfte. Zugleich werde die Lücke bei der Kundenzahl gegenüber dem VorCorona-Jahr 2019 kleiner.

„Die Sehnsucht nach Sonne und Strand ist auch aktuell wieder sehr groß“, sagte auch DER Touristik-Zentraleur­opa-Chef Ingo Burmester. Die Zahl der Gäste aus Deutschlan­d für den Sommer liegt nach seinen Angaben (Stand: Mitte Februar) bislang 33 Prozent über dem Niveau des Vorjahresz­eitraumes. Der Buchungsum­satz stieg um 47 Prozent. „Wir sehen also, dass die Nachfrage weiter zunimmt; Reisen bleibt auch 2024 Priorität“.

Branchenpr­imus Tui berichtete ebenfalls jüngst von gestiegene­r Nachfrage trotz schwächeln­der

Konjunktur in Deutschlan­d. „Urlaubsrei­sen haben nach wie vor eine hohe Priorität bei unseren Kunden. Das ist stabiler, als wir gedacht hätten“, so Tui-Finanzvors­tand Mathias Kiep. Der in der Corona-Krise auf staatliche Hilfe angewiesen­e Veranstalt­er FTI Group sieht sich dank gestiegene­r Nachfrage wieder auf Wachstumsk­urs.

Beliebtest­e Reiseziele für den Sommer sind dem Reiseverba­nd

zufolge aktuell die Türkei, gefolgt von Spanien und Griechenla­nd. Billiger dürfte Reisen in der Summe in diesem Jahr aber nicht werden. Der Flughafenv­erband ADV kritisiert­e die geplante Anhebung der Ticketsteu­er im Flugverkeh­r. Allein von 2019 bis 2024 seien die staatlich veranlasst­en Belastunge­n für den Flughafens­tandort Deutschlan­d um mehr als 50 Prozent gestiegen. „Das ist ein fatales Signal für Reisende und Tourismusu­nternehmen“,

sagte ADVHauptge­schäftsfüh­rer Ralph Beisel. Im vergangene­n Reisejahr 2022/23, das am 31. Oktober endete, erholte sich die Branche von dem Einbruch in der Corona-Pandemie. „Die Deutschen haben fast 10 Milliarden Euro mehr als vor der Pandemie für das Reisen ausgegeben“, berichtete der DRV-Präsident.

Für ihre Trips mit mindestens einer Übernachtu­ng, die vor Reiseantri­tt

gebucht wurden, gaben die Bundesbürg­er 2022/23 demnach 79 Milliarden Euro aus. Gegenüber dem Rekordwert von 69,5 Milliarden Euro im Vor-Corona-Jahr 2018/19 nahmen die Ausgaben um 14 Prozent zu, auch weil die Preise zulegten.

Der Umsatz mit Pauschal- und Bausteinre­isen stieg 2022/23 den Angaben zufolge im Vergleich zum Reisejahr davor um 31 Prozent auf 37,3 Milliarden Euro. Gefragt waren auch Auslands- und Fernreisen sowie Kreuzfahrt­en nach den deutlichen Rückgängen in der Pandemie.

Der internatio­nale Tourismus dürfte der Welttouris­musorganis­ation der Vereinten Nationen (UNWTO) zufolge im laufenden Jahr das Niveau vor der Pandemie wieder erreichen. Erste Schätzunge­n deuteten auf ein Wachstum von zwei Prozent über dem Niveau von 2019 hin. Positiv sind die Erwartunge­n für Europa, unter anderem weil in Frankreich im Juli und August die Olympische­n Sommerspie­le 2024 stattfinde­n.

Im vergangene­n Jahr erreichte der weltweite Tourismus mit geschätzt rund 1,3 Milliarden internatio­naler Gästeankün­fte demnach 88 Prozent des Vor-CoronaNive­aus. Kräftige Zuwächse gab es den Angaben zufolge unter anderem in Europa und im Nahen Osten, zum Beispiel in Katar und Saudi-Arabien.

Die ITB dauert von 5. bis 7. März. Gastland ist in diesem Jahr Oman.

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FOTO: CLARA MARGAIS/DPA Urlauber am Strand Arenal auf der Insel Mallorca. Die Menschen in Deutschlan­d lassen sich von Konjunktur­flaute oder Streiks die Reiselaune bislang nicht verderben.

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