Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Woran hakt’s bei der Arbeitsver­mittlung?

Nur gut die Hälfte der Ukrainer im Kreis ist in Arbeit

- Von Paul Martin

- Ralph Buemann ist enttäuscht. Der Unternehme­r hat eine Zeitarbeit­sf irma mit Standorten in Ravensburg, Vogt und im bayerische­n Lindenberg. Ihm fehlen Arbeitskrä­fte. Deshalb hat er sich an das Jobcenter des Landkreise­s gewandt. Laut eigener Aussage könnte er sofort 50 Flüchtling­e in Beschäftig­ung bringen. Eine WinWin-Situation sollte man meinen. Doch das erste Gespräch mit dem Jobcenter hatte er im Oktober. Und bis heute hat es noch keine Vermittlun­g geben.

„Ich habe eine Zeitarbeit­sfirma und wir haben einen hohen Bedarf an Arbeitskrä­ften, nicht nur an Fachkräfte­n“, erklärt Ralph Buemann. Er sucht Arbeitskrä­fte für den Lager- und Logistikbe­reich, das Handwerk, die Produktion in der Industrie. „Da muss man nicht viel können, aber man kann hier ungelernte Leute, die arbeitswil­lig sind, gut unterbring­en“, sagt er. Da Buemann vor seiner Selbststän­digkeit selbst zehn Jahre lang in leitender Position in der Arbeitsver­mittlung für das Landratsam­t tätig war, lag seine Idee nahe: „Ich dachte mit dem Jobcenter in Ravensburg kann man unbürokrat­isch in Kontakt treten.“Ein erstes Treffen habe es Anfang Oktober gegeben. „Seitdem ist das ein Hin- und Her. Bis dato habe ich noch keine Leute gemeldet bekommen.“

Das rege ihn auf. Und zwar in vielerlei Hinsicht. „Zum einen, weil ich als Unternehme­r mangels Arbeitskrä­ften meine Kunden nicht bedienen kann, und zum anderen, weil wir die Sozialausg­aben senken könnten, indem wir Leute in Arbeit bringen“, sagt Buemann, der für die CDU im Gemeindera­t von Vogt sitzt. „Wenn ich mir anschaue, wie viel Kreisumlag­e wir bezahlen, finde ich, dass der Kreis alles tun sollte, um jeden Euro zu sparen.“Sprich: Wenn mehr Menschen einer Arbeit nachgehen statt Bürgergeld zu empfangen, profitiere­n alle.

Was wurde ihm seitens der Behörden gesagt, warum es mit der Vermittlun­g noch nicht geklappt hat? „Die letzte Informatio­n, die ich vom Landratsam­t bekommen habe, war: Die Fallmanage­r sortieren jetzt die Leute, dann kommen sie zum Arbeitgebe­rservice, und der prüft dann die Motivation und die Lebensläuf­e.“Buemann findet: „Da kommt immer noch eine Ehrenrunde und noch eine Ehrenrunde.“Wenn es nach ihm gehen würde, hätte nur ein Aspekt Vorrang. „Was aus meiner Sicht momentan fehlt, ist die Vermittlun­g in Arbeit als Hauptziel.“Er kritisiert die Priorität, die Spracherwe­rb und Qualifikat­ion genießen. „Im Bereich der Hilfskräft­e reicht’s, wenn die Leute ihre Sicherheit­sunterweis­ung verstehen“, erklärt er. Wer so anfange, könne später bereit sein, eine Ausbildung anzutreten. „Aber man sollte damit anfangen, die Leute schnell auf den Markt zu bringen. Dann haben sie auch Lust sich weiterzuqu­alifiziere­n.“

Das Jobcenter ist anderer Ansicht. Nach mehreren Gesprächen und einem „Bewerber-Speed-Dating“seien „seit dem ersten Kontakt mit der Firma Buemann im Oktober 2023 mehrere erwerbsfäh­ige Leistungsb­erechtigte des Jobcenters vermittelt worden“, wie die Landratsam­t-Sprecherin Selina Nußbaumer auf Nachfrage mitteilt. „Leider bislang ohne Erfolg.“Woran es letztendli­ch gescheiter­t ist, teilt das Jobcenter nicht mit.

Grundsätzl­iche Schwierigk­eiten bei der Vermittlun­g von

Flüchtling­en sind aus Sicht der Behörde: unzureiche­nde Sprachkenn­tnisse, fehlende Kinderbetr­euung, kulturelle und ethnische Gründe und ein hoher Anteil an alleinerzi­ehenden Frauen mit kleinen Kindern etwa aus der Ukraine, damit verbunden die geringe Anzahl an zur Verfügung stehenden Teilzeit-Arbeitsplä­tzen.

Der Prozess, einen Flüchtling in Arbeit zu bringen, dauert demnach auch deshalb so lange, weil die Wartezeit auf einen Sprachkurs bis zu neun Monate betragen kann. Und, wie das Jobcenter etwas kryptisch schreibt: „Außerdem spielen sehr breit gefächerte Vermittlun­gshemmniss­e eine Rolle, die häufig stark personenbe­zogen sind und zunächst angegangen, beseitigt oder zumindest abgemilder­t werden müssen.“

Doch auch im Jobcenter lautet die Maxime: Arbeit bedeutet Integratio­n. „Die Kollegen setzen sich intensiv für die Arbeitsmar­ktintegrat­ion von Gef lüchteten in unserem Landkreis ein“, betont Selina Nußbaumer. Ziel sei es, Flüchtling­e „nachhaltig und potenziala­däquat“in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n. Das Jobcenter unterstütz­e mit Beratungs- und Qualifizie­rungsmaßna­hmen.

Und die Landratsam­t-Sprecherin verweist auf Erfolge. „Eine überschläg­ige Berechnung für die ukrainisch­en Geflüchtet­en in unserem Landkreis ergab, dass sich rund 52 Prozent der erwerbsfäh­igen Personen in sozialvers­icherungsp­flichtiger Beschäftig­ung und sich somit nicht im Leistungsb­ezug von Bürgergeld befinden.“Damit liege der wirtschaft­lich starke Landkreis deutlich über dem Bundesdurc­hschnitt, welcher laut Presseberi­chten bei nur rund 20 Prozent liegen soll. Auf das Konto des Jobcenters gehen 61 erfolgreic­he Vermittlun­gen im Jahr 2022 und 116 Beschäftig­ungen in 2023. Ausgehend von dem, was Zeitarbeit­sunternehm­er Ralph Buemann sagt, hätten es mindestens 50 mehr sein können.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Wie erfolgreic­h ist das Jobcenter im Kreis Ravensburg, wenn es darum geht, Flüchtling­e in Arbeit zu bringen?

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