Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
OSK will ruinösen Wettbewerb beenden
Enge Zusammenarbeit in Kinder- und Jugendmedizin mit der Klinik in Friedrichshafen geplant
- Jahrzehntelang waren die Ravensburger Oberschwabenklinik (OSK) und der MedizinCampus Bodensee (MCB, früher Klinikum Friedrichshafen) erbitterte Konkurrenten. Doch die prekäre Finanzsituation im Gesundheitswesen zwingt zu einer engeren Zusammenarbeit und besseren Absprachen über das medizinische Angebot. Um Doppelstrukturen in der Kinder- und Jugendmedizin abzubauen, geht OSK-Chefarzt Andreas Artlich jetzt auf die Kollegen am Bodensee zu.
Zuerst berichtete der „Südkurier“über die dramatische Lage an der Häf ler Kinderklinik in diesem Winter. Wegen eines eklatanten Mangels an Pf legepersonal konnten demnach zeitweise nur die Hälfte der 14 Betten auf der Frühchenstation und zwölf von 20 Betten in der Kinder- und Jugendmedizin belegt werden.
Zahlreiche kleine Patienten mussten abgewiesen oder in die mit 75 Betten recht gut ausgestattete Ravensburger Kinderklinik überwiesen werden. „Mehrfach pro Woche“komme weiteres vor, erklärt Artlich auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. In Ravensburg gibt es deutlich mehr Kinderkrankenpfleger – erstmals verzeichnet der kommunale Klinikverbund nach Worten des Ärztlichen Direktors Oliver Rentzsch sogar mehr Zugänge beim Personal als Abgänge. Daher können an der OSK aktuell 68 Betten in der Kinder- und Jugendmedizin dauerhaft belegt werden – und sind auch stets voll ausgelastet.
Aber das Einzugsgebiet ist auch entsprechend groß. Es umfasst laut Chef-Pädiater Artlich vier Landkreise: Ravensburg, Biberach, Sigmaringen und bei ernsthaften oder schweren Erkrankungen zusätzlich den Bodenseekreis. Insgesamt würden in dieser Region 150.000 Kinder und Jugendliche wohnen. Dass Ravensburg gewissermaßen „Tabellenführer“bei der Kindermedizin
sei, „heißt nicht, dass wir das Existenzrecht von Friedrichshafen infrage stellen“, so Artlich. „Im Gegenteil. Es wäre ein Desaster, wenn die Abteilung dort abgewickelt würde.“
Daher habe man den Kollegen Gespräche für eine intensive Zusammenarbeit angeboten. Wie die genau aussehen soll, mag Artlich vorab noch nicht verraten. Aber: „Die Zeiten des ruinösen Wettbewerbs sind vorbei. Wir wollen den Nachbarkreis als Partner sehen, nicht als Gegner.“Denn die Personalressourcen in
der Pflege werden durch den demografischen Wandel knapper. Nicht nur, dass die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer in den nächsten Jahren in Rente gehen, es kommt auch weniger Nachwuchs.
Durch die generalisierte Ausbildung in der Pf lege hätten zahlreiche Pf legeschulen die Zusatzqualifikation für Kinderkrankenschwestern sogar abgeschafft. „In der Hauptstadt Berlin gibt es nur noch zehn Plätze“, weiß Artlich, der auch Generalsekretär und Pressesprecher des Verbandes Leitender
Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands ist.
Zwar komme es kaum vor, dass Kinderkrankenschwestern in die Altenpflege gingen – obwohl das neuerdings durch die generalisierte Ausbildung möglich ist – viele junge Mütter wechselten aber in Kindertagesstätten, da sie dort weder am Wochenende noch am Abend arbeiten müssten.
Und harsche Sanktionen der Krankenkassen sorgten zudem dafür, dass Kliniken die strengen Personaluntergrenzen unbedingt
einhalten wollen. Hält sich ein Krankenhaus nicht daran, werden fünf- oder sogar sechsstellige Strafzahlungen fällig. Ausnahmen werden selten genehmigt. Etwa dann, wenn in einem Winter mit sehr vielen Infektionen auch viele Mitarbeiter erkranken.
All das mache es notwendig, das regionale Angebot besser zu verzahnen, so Rentzsch. „Sonst bleiben irgendwann nur die großen Unikliniken übrig.“Der Medizin-Campus Bodensee will sich im Lauf der Woche zu den Plänen äußern.