Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Berg- und Talfahrt auf zypriotisc­h

Die zweigeteil­te Insel im Mittelmeer eignet sich auch als Urlaubszie­l in der kühleren Jahreszeit

- Von Simon Federer Weitere Informatio­nen unter www.visitcypru­s.com (Website des Tourismusm­inisterium­s der Republik Zypern) www.nordzypern-touristik.de (Website des Tourismusb­üros von Nordzypern)

Landeanflu­g über das zypriotisc­he Larnaka in Zypern: Der Mitteleuro­päer kennt selbstvers­tändlich den Wetterberi­cht und ist dennoch überrascht über die neue Realität, die er nach gerade einmal dreieinhal­b Stunden Flug sieht: Die Sonne, es gibt sie tatsächlic­h noch. Und die Sommerlaun­e auch. Obwohl er noch vor wenigen Stunden in der nassen Kälte gebibbert hat. Der Kälte entf liehen an einen warmen Ort – dieser Gedanke ist nicht neu. Wer nach Zypern fliegt, bekommt an manchen Landstrich­en allerdings den Eindruck, dass kaum jemand anderes auf diese Idee gekommen ist. Und genießt umso mehr die Ruhe am Strand oder in den Bergen.

Zypern liegt im östlichen Mittelmeer, südlich der Türkei. Auf einer Fläche, die ungefähr einem Drittel der Größe Baden-Württember­gs entspricht, leben rund 1,5 Millionen Menschen, die Griechisch und Türkisch sprechen, 50.000 davon in der Stadt Larnaka im Süden der Insel. Zuerst genannt in Reiseführe­rn wird aber meist nicht Larnaka, sondern Paphos, schon allein wegen der Königsgräb­er von Nea Paphos. Während die Ausgrabung­sstätte einen Abstecher wert ist, ist in Larnaka schlicht mehr geboten. Strand, Palmenprom­enade, Yachthafen, Kastell und Lazarus-Kirche.

Während der Stadtstran­d im Sommer gut gefüllt ist, gibt es an diesem sonnigen Vormittag bei rund 20 Grad Celsius noch genügend Platz im Sand – und erst recht im Wasser. Die Wassertemp­eratur ist auch in der kälteren Jahreszeit angenehm. Beim Baden

trifft man keine Zyprioten, für sie ist das Wasser noch viiieeel zu kalt. Wenn es allerdings um die Tradition geht, tauchen griechisch-orthodoxe Zyprioten durchaus auch im Winter ins Wasser ein. Am 6. Januar feiern sie traditione­ll mit Sprüngen ins Wasser Epiphania, die Taufe Jesu und die Erscheinun­g des Heiligen Geistes.

Es wird Zeit, den übrigen Südteil der Insel mit einem Mietwagen zu erkunden. Das kann äußerst preiswert sein und bietet die Gelegenhei­t, ganz andere Seiten Zyperns kennenzule­rnen, nämlich das bergige Zypern. Der höchste Punkt ist mit 1952 Metern der Olympos. In den Orten rund um den Olympos herrscht Hochbetrie­b. Die Hotels sind oft ausgebucht – und viel teurer als am Meer. Denn es ist Skisaison, auch wenn nicht immer Schnee liegt. Man muss allerdings nicht Skifahren, um in den Genuss von traumhafte­n Aussichten zu kommen. Es lohnt sich, einfach durch die Berge zu fahren. Als Ziel eignet sich etwa Pano Lefkara mit seinen malerische­n Gassen. Wer großen Hunger verspürt, macht einen Zwischenst­opp im Bergdorf Arakapas und besucht die von außen unscheinba­re Taverne Kalamaras. Drinnen wärmt ein Holzofen, traditione­lle zypriotisc­he Musik erklingt. Der Tavernenwi­rt, der ursprüngli­ch aus Kreta stammt, serviert unter anderem Couscous mit Bergpilzen, gebratene Auberginen, gegrilltes Gemüse, Oliven, Reis, Pommes – und natürlich Halloumi, den typisch zypriotisc­hen Grillkäse. Die Augen der Gäste weiten sich immer mehr, wenn der Wirt nach und nach die Gerichte an den

Tisch bringt. Wie soll man das nur schaffen? Die Krönung: Äpfel, Orangen und traditione­lle Süßigkeite­n als Nachtisch. Am Ende präsentier­t der Wirt die Rechnung: 30 Euro für zwei Personen, inklusive Wasser!

Dermaßen gut gesättigt geht es in Richtung Hauptstadt Nikosia. Wer in den Nordteil der Stadt möchte, muss den Mietwagen abgeben. Denn man muss eine Grenze übertreten, mitten in der Fußgängerz­one. Einmal den Personalau­sweis von den Polizeibea­mten scannen lassen, dann geht es entlang von Gebäuden, an denen man noch Einschussl­öcher sieht. Ein zweites Mal den Personalau­sweis scannen lassen, und schon bef indet man sich im Nordteil Nikosias beziehungs­weise im Nordteil Zyperns.

Seit Jahrhunder­ten ist die Insel von griechisch- und türkischsp­rachigen Zyprioten bewohnt, die teils in gemischten Dörfern lebten. Die Insel war aber auch immer wieder Zankapfel ausländisc­her Mächte. 1974 gab es einen Putsch, die Putschiste­n forderten einen Anschluss der Insel an Griechenla­nd. Daraufhin besetzte die Türkei den Norden Zyperns, gründete die sogenannte Türkische Republik Nordzypern. Dieser Staat ist internatio­nal nicht anerkannt, faktisch gibt es aber nun zwei Regierunge­n und zwei Teile der Insel. Die griechisch­sprachigen Zyprioten mussten nach dem Waffenstil­lstand in den Süden umsiedeln, die türkischsp­rachigen Zyprioten in den Norden.

Und so wehen im Norden der Hauptstadt weit und breit Flaggen der Türkei und von Nordzypern – letztere sieht der türkischen Fahne sehr ähnlich. Begrüßt werden Touristen an der Grenze auch von zahlreiche­n gefälschte­n Markenarti­keln und Cafés, die überteuert­es Baklava verkaufen.

Süd-Nikosia ist vergleichb­ar mit europäisch­en Großstädte­n, in denen die internatio­nalen Marken präsent sind. Nord-Nikosia macht an vielen Stellen den Anschein, dass hier die Zeit seit 1974 stehen geblieben ist. Gebäude verfallen, Müll liegt herum. Doch ein zweiter Blick lohnt. Außerhalb der Touristenm­eile gibt es nette Aufenthalt­sorte. Wer den Norden der Insel ausgiebig erkunden möchte, bucht noch einmal einen Mietwagen. Das lohnt sich schon allein für einen Besuch der Burg St. Hilarion. Einst ein Kloster, erstreckt sich die Festungsan­lage auf mehreren Ebenen. Wer ganz oben ankommt, genießt den Blick auf das Meer, die Hafenstadt Kyrenia und eine weitläufig­e bergige

Landschaft. Und wundert sich, warum in dieser Traumkulis­se nicht mehr als ein Dutzend andere Touristen unterwegs sind.

Es ist Zeit, nach Larnaka zurückzuke­hren, das geht von Nikosia aus problemlos mit dem Bus. Zeit, über den Aufenthalt nachzudenk­en. Bei allen Unterschie­den zwischen dem Nord- und dem Südteil hat der Autor dieser Zeilen keinen einzigen Zyprioten getroffen, der sich abfällig über die Bewohner des anderen Teils äußerte. Warum auch? Auf beiden Seiten locken wunderschö­ne Landschaft­en mit viel Aussicht.

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FOTO: SIMON FEDERER Aussicht auf die Nordküste: Auf Zypern muss man sich nicht zwischen Bergen und Meer entscheide­n.
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FOTO: IRINA SHISHKINA/UNSPLASH In Bergdörfer­n wie Lefkara laden enge Gassen zum Bummeln ein.
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FOTO: HERT NIKS/UNSPLASH Die Hala Sultan Tekke gilt als drittheili­gste Stätte des Islam.

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