Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Berg- und Talfahrt auf zypriotisch
Die zweigeteilte Insel im Mittelmeer eignet sich auch als Urlaubsziel in der kühleren Jahreszeit
Landeanflug über das zypriotische Larnaka in Zypern: Der Mitteleuropäer kennt selbstverständlich den Wetterbericht und ist dennoch überrascht über die neue Realität, die er nach gerade einmal dreieinhalb Stunden Flug sieht: Die Sonne, es gibt sie tatsächlich noch. Und die Sommerlaune auch. Obwohl er noch vor wenigen Stunden in der nassen Kälte gebibbert hat. Der Kälte entf liehen an einen warmen Ort – dieser Gedanke ist nicht neu. Wer nach Zypern fliegt, bekommt an manchen Landstrichen allerdings den Eindruck, dass kaum jemand anderes auf diese Idee gekommen ist. Und genießt umso mehr die Ruhe am Strand oder in den Bergen.
Zypern liegt im östlichen Mittelmeer, südlich der Türkei. Auf einer Fläche, die ungefähr einem Drittel der Größe Baden-Württembergs entspricht, leben rund 1,5 Millionen Menschen, die Griechisch und Türkisch sprechen, 50.000 davon in der Stadt Larnaka im Süden der Insel. Zuerst genannt in Reiseführern wird aber meist nicht Larnaka, sondern Paphos, schon allein wegen der Königsgräber von Nea Paphos. Während die Ausgrabungsstätte einen Abstecher wert ist, ist in Larnaka schlicht mehr geboten. Strand, Palmenpromenade, Yachthafen, Kastell und Lazarus-Kirche.
Während der Stadtstrand im Sommer gut gefüllt ist, gibt es an diesem sonnigen Vormittag bei rund 20 Grad Celsius noch genügend Platz im Sand – und erst recht im Wasser. Die Wassertemperatur ist auch in der kälteren Jahreszeit angenehm. Beim Baden
trifft man keine Zyprioten, für sie ist das Wasser noch viiieeel zu kalt. Wenn es allerdings um die Tradition geht, tauchen griechisch-orthodoxe Zyprioten durchaus auch im Winter ins Wasser ein. Am 6. Januar feiern sie traditionell mit Sprüngen ins Wasser Epiphania, die Taufe Jesu und die Erscheinung des Heiligen Geistes.
Es wird Zeit, den übrigen Südteil der Insel mit einem Mietwagen zu erkunden. Das kann äußerst preiswert sein und bietet die Gelegenheit, ganz andere Seiten Zyperns kennenzulernen, nämlich das bergige Zypern. Der höchste Punkt ist mit 1952 Metern der Olympos. In den Orten rund um den Olympos herrscht Hochbetrieb. Die Hotels sind oft ausgebucht – und viel teurer als am Meer. Denn es ist Skisaison, auch wenn nicht immer Schnee liegt. Man muss allerdings nicht Skifahren, um in den Genuss von traumhaften Aussichten zu kommen. Es lohnt sich, einfach durch die Berge zu fahren. Als Ziel eignet sich etwa Pano Lefkara mit seinen malerischen Gassen. Wer großen Hunger verspürt, macht einen Zwischenstopp im Bergdorf Arakapas und besucht die von außen unscheinbare Taverne Kalamaras. Drinnen wärmt ein Holzofen, traditionelle zypriotische Musik erklingt. Der Tavernenwirt, der ursprünglich aus Kreta stammt, serviert unter anderem Couscous mit Bergpilzen, gebratene Auberginen, gegrilltes Gemüse, Oliven, Reis, Pommes – und natürlich Halloumi, den typisch zypriotischen Grillkäse. Die Augen der Gäste weiten sich immer mehr, wenn der Wirt nach und nach die Gerichte an den
Tisch bringt. Wie soll man das nur schaffen? Die Krönung: Äpfel, Orangen und traditionelle Süßigkeiten als Nachtisch. Am Ende präsentiert der Wirt die Rechnung: 30 Euro für zwei Personen, inklusive Wasser!
Dermaßen gut gesättigt geht es in Richtung Hauptstadt Nikosia. Wer in den Nordteil der Stadt möchte, muss den Mietwagen abgeben. Denn man muss eine Grenze übertreten, mitten in der Fußgängerzone. Einmal den Personalausweis von den Polizeibeamten scannen lassen, dann geht es entlang von Gebäuden, an denen man noch Einschusslöcher sieht. Ein zweites Mal den Personalausweis scannen lassen, und schon bef indet man sich im Nordteil Nikosias beziehungsweise im Nordteil Zyperns.
Seit Jahrhunderten ist die Insel von griechisch- und türkischsprachigen Zyprioten bewohnt, die teils in gemischten Dörfern lebten. Die Insel war aber auch immer wieder Zankapfel ausländischer Mächte. 1974 gab es einen Putsch, die Putschisten forderten einen Anschluss der Insel an Griechenland. Daraufhin besetzte die Türkei den Norden Zyperns, gründete die sogenannte Türkische Republik Nordzypern. Dieser Staat ist international nicht anerkannt, faktisch gibt es aber nun zwei Regierungen und zwei Teile der Insel. Die griechischsprachigen Zyprioten mussten nach dem Waffenstillstand in den Süden umsiedeln, die türkischsprachigen Zyprioten in den Norden.
Und so wehen im Norden der Hauptstadt weit und breit Flaggen der Türkei und von Nordzypern – letztere sieht der türkischen Fahne sehr ähnlich. Begrüßt werden Touristen an der Grenze auch von zahlreichen gefälschten Markenartikeln und Cafés, die überteuertes Baklava verkaufen.
Süd-Nikosia ist vergleichbar mit europäischen Großstädten, in denen die internationalen Marken präsent sind. Nord-Nikosia macht an vielen Stellen den Anschein, dass hier die Zeit seit 1974 stehen geblieben ist. Gebäude verfallen, Müll liegt herum. Doch ein zweiter Blick lohnt. Außerhalb der Touristenmeile gibt es nette Aufenthaltsorte. Wer den Norden der Insel ausgiebig erkunden möchte, bucht noch einmal einen Mietwagen. Das lohnt sich schon allein für einen Besuch der Burg St. Hilarion. Einst ein Kloster, erstreckt sich die Festungsanlage auf mehreren Ebenen. Wer ganz oben ankommt, genießt den Blick auf das Meer, die Hafenstadt Kyrenia und eine weitläufige bergige
Landschaft. Und wundert sich, warum in dieser Traumkulisse nicht mehr als ein Dutzend andere Touristen unterwegs sind.
Es ist Zeit, nach Larnaka zurückzukehren, das geht von Nikosia aus problemlos mit dem Bus. Zeit, über den Aufenthalt nachzudenken. Bei allen Unterschieden zwischen dem Nord- und dem Südteil hat der Autor dieser Zeilen keinen einzigen Zyprioten getroffen, der sich abfällig über die Bewohner des anderen Teils äußerte. Warum auch? Auf beiden Seiten locken wunderschöne Landschaften mit viel Aussicht.