Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Genossenschaft baut neue Wohnungen
Drei Blöcke verschwinden, vier neue entstehen – Bauherrin bricht Lanze für Nachverdichtung
- 42 zusätzliche Wohnungen entstehen demnächst in Ravensburg, ohne dass dafür neue Flächen verbraucht werden müssen. Die Postbaugenossenschaft Baden-Württemberg plant ein Projekt, wie es sich die Stadtspitze von Ravensburg noch öfter wünschen würde. Die sogenannte „Innenverdichtung“ist eines ihrer Ziele. Diese Art, die Anzahl der Wohnungen in bestehenden Wohngebieten zu erhöhen, genießt aber nicht den besten Ruf – zu Unrecht, wie die Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft findet.
Wer mit dem Rad oder zu Fuß vom Andermannsberg in Richtung Bildungszentrum St. Konrad unterwegs ist, kommt kurz nach dem Eckerschen Tobel an den Wohnhäusern der Postbaugenossenschaft vorbei. Dort stehen aktuell sechs Gebäude an der St.Martinus-Straße, zum Teil sind sie miteinander verbunden.
Die Postbaugenossenschaft hat sich entschlossen, drei Gebäude aus den 1950er-Jahren auf dem Areal abzureißen. Eine Sanierung wäre zu teuer und zudem sind die Wohnungszuschnitte für heutige Verhältnisse zu klein, wie es in Unterlagen der Stadtverwaltung zu dem Vorhaben heißt. 18 Wohnungen fallen durch den Abriss weg. Doch in den Neubauten werden dreimal so viele entstehen, insgesamt 60 Wohnungen (16 davon barrierefrei). Das erklärt Andreas Jäger-Halder von der Firma Wurm Gesamtplanung, die die Bauten samt Tiefgarage entworfen hat.
Nachverdichtung in bestehenden Wohngebieten ist eines der Ziele, die der 12-Punkte-Plan von Oberbürgermeister Daniel Rapp für die Schaffung von mehr Wohnraum vorsieht. Darin heißt es, dass Bebauungspläne aus den 60er- und 70er-Jahren häufig mit großzügigen Abständen zwischen den einzelnen Häusern aufgestellt, Dachgeschosse oft nicht ausgebaut und die maximale Höhe von Gebäuden restriktiv festgesetzt worden seien. Das alles will die Stadt überprüfen und überplanen. Alleine Dachgeschosse böten nach Ansicht des OBs ein Potenzial von 2000 weiteren Wohnungen in Ravensburg. Der 12-Punkte-Plans soll dazu beitragen, dass künftig jedes Jahr 200 bis 250 zusätzlichen Wohnungen gebaut werden.
Ein deutlich größeres Nachverdichtungs-Projekt hat in der Ravensburger
Weststadt schon eine andere Genossenschaft, nämlich der Bau- und Sparverein, umgesetzt. Alte Häuser in der Galgenhalde wurden abgerissen und auf demselben Gelände viel effizienter neu gebaut: Dort können nach Angaben der Genossenschaft rund 220 Menschen leben, das sind 150 mehr als früher in den alten Häusern.
Für das Areal der Postbaugenossenschaft in der Nordstadt muss zunächst der Bebauungsplan geändert werden. Deshalb gibt es noch keinen konkreten Zeitplan für Abriss und Neubau, wie die Vorstandsvorsitzende der Postbaugenossenschaft mit Sitz in Tübingen, Nelgin Bozkurt, erklärt. Auftrag der Genossenschaft sei es, bezahlbare Mietwohnungen zu bauen. Allerdings weiß sie, dass Anwohner Nachverdichtungsprojekte eher beunruhigen. „Diese Sorgen nehmen wir ernst und entkräften sie mit einer anspruchsvollen
und gut durchdachten Planung“, sagt Bozkurt. Die Genossenschaft verfolge das Ziel, eine Gegend attraktiv zu halten, damit die künftigen Wohnungen auch vermietet werden können. Und sie argumentiert mit der Verantwortung, knappe Flächen optimal zu nutzen.
Ebenso wie die Stadtverwaltung in ihrem 12-Punkte-Plan schildert Bozkurt, dass Wohnanlagen aus den 1950er- bis 70er-Jahren auf großen Flächen gebaut wurden. Auf diesen „kostbaren Bauflächen“stünden zum Beispiel in der St.-Martinus-Straße Garagen, die durch eine Tiefgarage überflüssig werden und deren Verschwinden dann zusätzliche Wohnungen ermöglicht. Nachverdichtung sei im Sinne des bezahlbaren Wohnraums wichtig, sagt Bozkurt. „Aufgrund der hohen Nachfrage an Mietwohnungen steigen die Mieten zunehmend. Der größte Hebel
dem entgegenzuwirken, ist das Angebot zu vergrößern.“
Was passiert mit den Bewohnern der Häuser, die abgerissen werden? „Unsere Mieter sind zugleich Mitglieder unserer Genossenschaft. Wir haben sie daher bereits früh über unsere Absichten informiert und ihnen Ersatzwohnungen aus unserem Wohnungsbestand in Ravensburg und Umgebung angeboten“, sagt Bozkurt. Kündigungen habe es daher nicht gegeben. Und wer wolle, könne nach Ende des Projekts in die Neubauwohnungen zurückkehren. Die Genossenschaft rechnet mit Kosten von 21 Millionen Euro für das Projekt.
Die Postbaugenossenschaft Baden-Württemberg hat ihren Sitz in Tübingen. In Ravensburg hat sie 154 Wohnungen. Weitere 56 Wohnungen sind es in Weingarten, Wangen und Leutkirch. Vorstandsvorsitzende Bozkurt erklärt: „In der Rechtsform einer Genossenschaft unterliegen wir keiner Gewinnmaximierung. Unser Unternehmenszweck ist der Erhalt und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten.“
Die drei Häuser am östlichen Teil des Grundstücks wurden laut Bozkurt 2003 energetisch saniert und werden daher erhalten. Die Gebäude sollen über ein Nahwärmenetz der Technischen Werke Schussental mit Wärme versorgt werden – dazu werde eine lokale Energiezentrale eingerichtet.