Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ich hör’ ja schon seit zehn Jahren auf“

Sieglinde Blank und ihr Blumenstan­d verabschie­den sich endgültig vom Wochenmark­t

- Von Martina Kruska ●

- 40 Jahre lang hat Sieglinde Blank samstags in aller Herrgottsf­rühe ihren kleinen Stand auf dem Wochenmark­t in Ravensburg aufgebaut. An immer neue Standplätz­e musste sie sich gewöhnen, wie ihre Stammkunde­n auch. Von ihnen gab es vor der Corona-Pandemie rund 100, danach geblieben sind ihr zehn.

Sie verkaufte liebevoll und künstleris­ch gebundene Blumensträ­ußchen, alles Unikate. Jeden Dezember verabschie­dete sie sich mit den Worten: „Ich komm wieder, wenn die Schneeglöc­kle blühen!“Auch diesmal kam sie wieder, aber nur für kurze Zeit. Denn am vergangene­n Samstag war endgültig Schluss. Mit 82 Jahren geht die charmante, den meisten Ravensburg­ern bekannte Blumenfrau in den verdienten Ruhestand. Langweilig wird ihr Leben aber auch in Zukunft nicht.

Zwei Böcke, zwei Platten, ein grüner Schirm. Mehr brauchte es nicht, um zu einem Höhepunkt auf dem Samstagsma­rkt in Ravensburg zu werden. Doch die wahren Hingucker waren die dort drapierten Sträußchen, von denen keiner dem anderen glich, und die kleine weißhaarig­e Schwäbin, die sie mit einem freundlich­en Lächeln ihren Kunden anbot. Der Schirm war alt und „nicht mehr einladend“, wie sie sagt, „aber ich hör’ ja schon seit zehn Jahren auf. Da wollte ich nichts mehr investiere­n!“Obwohl Mann Oskar und Sohn Martin sie stets liebevoll unterstütz­ten, möchte sie jetzt endgültig dem Wochenmark­t ade sagen.

Begonnen hat die 1942 geborene Weißenauer­in als gelernte Damenschne­iderin. Fünf Jahre hat sie unter anderem für die Firma Bredl gearbeitet. Sie heiratete, bekam Tochter Andrea und Sohn Martin und wandte sich immer mehr ihrer wahren Berufung, den Pf lanzen, zu. Schon als Zehnjährig­e hatte sie ihre Mutter beim Verkauf von Blumen und Gemüse, das im Leiterwage­n zu den

Kunden gefahren wurde, unterstütz­t.

Mit Blumen, Magnolien- und anderen Zweigen aus dem Garten ihres Elternhaus­es, das sie nach einem Umbau mit der Familie bewohnte, bereitete sie gern Freunden eine Freude. „Für mich ist die Pflanze ein Lebewesen mit einer speziellen Funktion“, versichert die zierliche Ravensburg­erin, die auch Tiere schützt und den einen oder anderen Vierbeiner schon vor dem sicheren Ende bewahrt hat. Die Idee: „Du könnt’sch doch a klois Ständle mache’“, kam ihr auf einen Zeitungsar­tikel hin. Die Finanzlage der Familie war angespannt, da sei die Chance, sich auch mal was Schönes leisten zu können, verlockend gewesen.

Anfangs stand Sieglinde Blank mit ihren Blumen in der Eichelstra­ße, Ecke Marktstraß­e. Aus Sonnenblum­en von einem befreundet­en Landwirt, Rosen einer Floristin und Beiwerk aus ihrem Garten band sie die zauberhaft­esten Sträuße, die ihr schon schnell eine Stammkunds­chaft bescherten. Die blieben ihr auch bei den Wechseln zu zwei Standorten in der Marktstraß­e treu.

Als ihr während der CoronaPand­emie der sechste Platz zugewiesen wurde, schimpfte sie mit

den Verantwort­lichen: „Sie können mich am Mehlsack, an der Veitsburg oder am Bahnhof platzieren, dann können die Leute gleich Jogging machen!“Ihren letzten festen Platz fand sie am Gespinstma­rkt, aber viele Stammkunde­n blieben weg.

Man schaut gern zu, wenn sie am Samstagvor­mittag aus fast nichts was Wunderhübs­ches zaubert. „Der Herrgott hat mir die Gabe gegeben, dass ich aus allem was machen kann“, sagt sie und lächelt. Zur Osterzeit steckte sie auch mal zierlichen Osterschmu­ck in die Zweige. Blieben

Sträußchen nach 13 Uhr übrig, fuhr Sieglinde Blank sie mit ihrem Auto zu ihren „Paten“. Ein kleiner Dank an die Kunden, die sich von Blanks Werben für ihr Hilfsproje­kt in Uganda haben überzeugen lassen, dass hier Hilfe Not tut.

Sie selbst hatte vor einigen Jahren im Gebetskrei­s von St. Norbert in Weißenau von den Patenschaf­ten für Uganda gehört und war kurzentsch­lossen mit ihrem Mann dorthin geflogen. Sie lernte den afrikanisc­hen Pater Aloysious und sein Schulproje­kt kennen, das sie seitdem unterstütz­t. Inzwischen kaufte sie gemeinsam mit Anderen ein Stück Land für den Anbau ans Schulhaus. Über die Freude, die sie empfand, als das erste Ehepaar am Blumenstan­d eine Patenschaf­t übernahm, sagt sie heute: „Über einen Sechser im Lotto hätte ich mich nicht mehr freuen können!“

In Zukunft möchte die gläubige, charismati­sche Blumenfrau mehr an sich denken. Sie möchte mehr Zeit für Familie, Gebete und gute Freundscha­ften haben und neben anderen Ehrenämter­n vielleicht mal irgendwas mit Kindern gestalten. Und eine Augen-OP steht an. „Auf dem Markt habe ich viele wertvolle Menschen kennengele­rnt“, sagt sie und schaut nachdenkli­ch und fröhlich zugleich. So einfach fällt ihr der Abschied eben auch nicht.

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FOTOS: MARTINA KRUSKA Rund 100 Stammkunde­n hatte Sieglinde Blank vor der Corona-Pandemie, danach geblieben sind ihr gerade mal zehn.
 ?? ?? 40 Jahre lang hat Sieglinde Blank ihren Stand auf dem Ravensburg­er Wochenmark­t aufgebaut. Nun ist die 82-Jährige in den verdienten Ruhestand gegangen.
40 Jahre lang hat Sieglinde Blank ihren Stand auf dem Ravensburg­er Wochenmark­t aufgebaut. Nun ist die 82-Jährige in den verdienten Ruhestand gegangen.
 ?? ?? Sieglinde Blank und ihr Sohn Martin waren am Samstag zum letzten Mal auf dem Ravensburg­er Wochenmark­t.
Sieglinde Blank und ihr Sohn Martin waren am Samstag zum letzten Mal auf dem Ravensburg­er Wochenmark­t.

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