Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Bitte niemals Lebensmittel vom Speiseplan streichen“
ERNÄHRUNGSBERATERIN LUISA MAIER IM INTERVIEW
Gesundes und ausgewogenes Essen – das klingt für die meisten Kinder alles andere als lecker. Allerdings ist eine Ernährung, die den Körper mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt, für die körperliche und geistige Entwicklung ausgesprochen wichtig. Ernährungsberaterin Luisa Maier aus Lindau erklärt, wie Eltern das Essverhalten ihrer Kinder positiv beeinflussen können. Zudem hat die Expertin einige Tipps und Tricks in petto.
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, sagt: „Ernährungsgewohnheiten werden in der Kindheit geprägt.“Stimmt das?
Definitiv. Mittlerweile ist sogar bekannt, dass die Prägung bereits im Mutterleib beginnt – dort nehmen Kinder über Nabelschnur und Fruchtwasser die ersten Geschmacksreize auf. Sobald der Säugling auf der Welt ist, erfolgen die Reize durch Muttermilch und Breinahrung. Allerdings kommt es nicht nur auf die Nahrung, sondern auch auf das Essverhalten an. Wichtig ist Ruhe und Zeit, wenn es ums Stillen oder Fläschchen geben geht. Je älter die Kinder werden, umso bedeutender sind beispielsweise Rituale wie ein gemeinsames Abendessen. Hektik und Stress beim Essen können sich egal in welchem Alter negativ auf das künftige Essverhalten auswirken. Auch die Ablenkung durch Handy, Tablet oder Fernseher sollte vermieden werden.
Wie können Eltern die Essgewohnheiten Ihres Kindes nachhaltig positiv beeinflussen?
Grundsätzlich gilt: So wie es die Eltern vorleben, leben es die Kinder nach. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder nachhaltig gesund und ausgewogen ernähren, steigt, wenn das auch die Eltern tun und dementsprechend vorleben. Damit Kinder ihr eigenes Sättigungsgefühl entwickeln, ist es ratsam, beim Essen keinen Zwang aufkommen zu lassen – gerade, wenn Kinder etwas nicht aufessen möchten. Ein weiterer Aspekt ist die Aufklärung, woher unsere Lebensmittel überhaupt kommen und wie sie entstehen. Dabei kann beispielsweise der eigene Anbau von Obst und Gemüse hilfreich sein – selbst wenn es „nur“Kresse in einem Blumentopf auf der Fensterbank ist. Zudem können Kinder ab einem gewissen Alter auch beim Kochen helfen, so sehen sie, wie Lebensmittel verarbeitet werden. Besonders essenziell zu wissen ist, dass nicht nur die Ernährung, sondern auch Bewegung und die psychische Gesundheit eine große Rolle spielen.
Welche Lebensmittelgruppen sind besonders wichtig für das Wachstum und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen?
Ich bin kein Fan davon, bestimmte Lebensmittel als Allheilmittel zu empfehlen. Eine ausgewogene Ernährung ist ausschlaggebend. Eine gute Faustregel ist, dass alle drei Makronährstoffe (Eiweiße, gesunde Fette und Kohlenhydrate) vorhanden sind. Zudem viel Obst und Gemüse für die Vitamine und Mineralstoffe. Gerne auch tiefgefroren – oftmals ist es sinnvoller, reifes Obst oder Gemüse zu essen als „frisches“, das unreif importiert wurde. Von Fertigprodukten würde ich jedoch grundsätzlich die Finger lassen, besser ist es weitestgehend frisch zu kochen. Außerdem ist es ein besonderes Anliegen, von Diäten bei Kindern abzuraten – selbst, wenn mal ein paar Kilo zu viel sind.
Haben Sie Tipps für unsere Leser, wenn Kinder Obst und Gemüse verweigern?
Zunächst mal ist das überhaupt nichts Ungewöhnliches. Obst und Gemüse in Speisen zu verstecken ist wohl der gängigste Tipp – gerade Soßen oder Gemüsepuffer bieten sich dafür an. Oftmals liegt es auch an der Konsistenz oder ist Tagesform abhängig, von daher sollten Lebensmittel auf keinen Fall vom Speiseplan gestrichen werden. Lieber etwas öfter und unterschiedlich zubereitet ausprobieren. Apropos Zubereitung: Kinder einzubeziehen kann ebenfalls bei Abneigung helfen. Einige berichten auch von Erfolgen, nachdem sie Obst und Gemüse in verschiedenen Formen serviert haben.
Wie sollte nach der Frage nach Süßigkeiten umgegangen werden?
Süßigkeiten sollten meiner Meinung nach nie verboten werden – außer in den ersten beiden Lebensjahren, da würde ich komplett auf unnatürlichen Zucker verzichten. Offenheit, Kommunikation und Grenzen sind bei diesem Thema ausschlaggebend. Einen besseren Einfluss haben Eltern natürlich, wenn die Kinder zu Hause sind – da können auch mal gesündere Süßigkeiten angeboten werden. Beispielsweise ein selbst gebackener Brownie oder ähnliches. Ich würde Süßigkeiten auch nie als Belohnung einsetzen, sondern eher mal nach einer Hauptmahlzeit als Nachtisch. Da hat der Zucker nicht allzu großen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel.
Welchen Einfluss nehmen Ihrer Meinung nach soziale Medien auf das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen?
Soziale Medien finde ich sehr schwierig, weil oftmals ein falsches Bild vermittelt wird. Beispielsweise auf Instagram teilen Influencer ihr nahezu perfektes Leben – gesunde Ernährung, schlanke Figur und häufige Trainingseinheiten. Was während dieser wenigen Minuten nicht ersichtlich ist, ist der Rest ihres Tages. Auch Werbung kann Kinder und Jugendliche beeinflussen – es gibt neue Gummibärchen oder Chips, die probiert werden wollen. Daher bin ich der Meinung, dass soziale Medien einen großen Einfluss nehmen. Allerdings können Kinder und vor allem Jugendliche nicht vollends davon abgeschirmt werden, deshalb gilt: Aufklärung.