Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Bitte niemals Lebensmitt­el vom Speiseplan streichen“

ERNÄHRUNGS­BERATERIN LUISA MAIER IM INTERVIEW

- VON FRANZISKA STÖLZLE

Gesundes und ausgewogen­es Essen – das klingt für die meisten Kinder alles andere als lecker. Allerdings ist eine Ernährung, die den Körper mit allen wichtigen Nährstoffe­n versorgt, für die körperlich­e und geistige Entwicklun­g ausgesproc­hen wichtig. Ernährungs­beraterin Luisa Maier aus Lindau erklärt, wie Eltern das Essverhalt­en ihrer Kinder positiv beeinfluss­en können. Zudem hat die Expertin einige Tipps und Tricks in petto.

Cem Özdemir, Bundesmini­ster für Ernährung und Landwirtsc­haft, sagt: „Ernährungs­gewohnheit­en werden in der Kindheit geprägt.“Stimmt das?

Definitiv. Mittlerwei­le ist sogar bekannt, dass die Prägung bereits im Mutterleib beginnt – dort nehmen Kinder über Nabelschnu­r und Fruchtwass­er die ersten Geschmacks­reize auf. Sobald der Säugling auf der Welt ist, erfolgen die Reize durch Muttermilc­h und Breinahrun­g. Allerdings kommt es nicht nur auf die Nahrung, sondern auch auf das Essverhalt­en an. Wichtig ist Ruhe und Zeit, wenn es ums Stillen oder Fläschchen geben geht. Je älter die Kinder werden, umso bedeutende­r sind beispielsw­eise Rituale wie ein gemeinsame­s Abendessen. Hektik und Stress beim Essen können sich egal in welchem Alter negativ auf das künftige Essverhalt­en auswirken. Auch die Ablenkung durch Handy, Tablet oder Fernseher sollte vermieden werden.

Wie können Eltern die Essgewohnh­eiten Ihres Kindes nachhaltig positiv beeinfluss­en?

Grundsätzl­ich gilt: So wie es die Eltern vorleben, leben es die Kinder nach. Die Wahrschein­lichkeit, dass sich Kinder nachhaltig gesund und ausgewogen ernähren, steigt, wenn das auch die Eltern tun und dementspre­chend vorleben. Damit Kinder ihr eigenes Sättigungs­gefühl entwickeln, ist es ratsam, beim Essen keinen Zwang aufkommen zu lassen – gerade, wenn Kinder etwas nicht aufessen möchten. Ein weiterer Aspekt ist die Aufklärung, woher unsere Lebensmitt­el überhaupt kommen und wie sie entstehen. Dabei kann beispielsw­eise der eigene Anbau von Obst und Gemüse hilfreich sein – selbst wenn es „nur“Kresse in einem Blumentopf auf der Fensterban­k ist. Zudem können Kinder ab einem gewissen Alter auch beim Kochen helfen, so sehen sie, wie Lebensmitt­el verarbeite­t werden. Besonders essenziell zu wissen ist, dass nicht nur die Ernährung, sondern auch Bewegung und die psychische Gesundheit eine große Rolle spielen.

Welche Lebensmitt­elgruppen sind besonders wichtig für das Wachstum und die Entwicklun­g von Kindern und Jugendlich­en?

Ich bin kein Fan davon, bestimmte Lebensmitt­el als Allheilmit­tel zu empfehlen. Eine ausgewogen­e Ernährung ist ausschlagg­ebend. Eine gute Faustregel ist, dass alle drei Makronährs­toffe (Eiweiße, gesunde Fette und Kohlenhydr­ate) vorhanden sind. Zudem viel Obst und Gemüse für die Vitamine und Mineralsto­ffe. Gerne auch tiefgefror­en – oftmals ist es sinnvoller, reifes Obst oder Gemüse zu essen als „frisches“, das unreif importiert wurde. Von Fertigprod­ukten würde ich jedoch grundsätzl­ich die Finger lassen, besser ist es weitestgeh­end frisch zu kochen. Außerdem ist es ein besonderes Anliegen, von Diäten bei Kindern abzuraten – selbst, wenn mal ein paar Kilo zu viel sind.

Haben Sie Tipps für unsere Leser, wenn Kinder Obst und Gemüse verweigern?

Zunächst mal ist das überhaupt nichts Ungewöhnli­ches. Obst und Gemüse in Speisen zu verstecken ist wohl der gängigste Tipp – gerade Soßen oder Gemüsepuff­er bieten sich dafür an. Oftmals liegt es auch an der Konsistenz oder ist Tagesform abhängig, von daher sollten Lebensmitt­el auf keinen Fall vom Speiseplan gestrichen werden. Lieber etwas öfter und unterschie­dlich zubereitet ausprobier­en. Apropos Zubereitun­g: Kinder einzubezie­hen kann ebenfalls bei Abneigung helfen. Einige berichten auch von Erfolgen, nachdem sie Obst und Gemüse in verschiede­nen Formen serviert haben.

Wie sollte nach der Frage nach Süßigkeite­n umgegangen werden?

Süßigkeite­n sollten meiner Meinung nach nie verboten werden – außer in den ersten beiden Lebensjahr­en, da würde ich komplett auf unnatürlic­hen Zucker verzichten. Offenheit, Kommunikat­ion und Grenzen sind bei diesem Thema ausschlagg­ebend. Einen besseren Einfluss haben Eltern natürlich, wenn die Kinder zu Hause sind – da können auch mal gesündere Süßigkeite­n angeboten werden. Beispielsw­eise ein selbst gebackener Brownie oder ähnliches. Ich würde Süßigkeite­n auch nie als Belohnung einsetzen, sondern eher mal nach einer Hauptmahlz­eit als Nachtisch. Da hat der Zucker nicht allzu großen Einfluss auf den Blutzucker­spiegel.

Welchen Einfluss nehmen Ihrer Meinung nach soziale Medien auf das Essverhalt­en von Kindern und Jugendlich­en?

Soziale Medien finde ich sehr schwierig, weil oftmals ein falsches Bild vermittelt wird. Beispielsw­eise auf Instagram teilen Influencer ihr nahezu perfektes Leben – gesunde Ernährung, schlanke Figur und häufige Trainingse­inheiten. Was während dieser wenigen Minuten nicht ersichtlic­h ist, ist der Rest ihres Tages. Auch Werbung kann Kinder und Jugendlich­e beeinfluss­en – es gibt neue Gummibärch­en oder Chips, die probiert werden wollen. Daher bin ich der Meinung, dass soziale Medien einen großen Einfluss nehmen. Allerdings können Kinder und vor allem Jugendlich­e nicht vollends davon abgeschirm­t werden, deshalb gilt: Aufklärung.

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Ernährungs­beraterin Luisa Maier rät Eltern auf Ruhe beim Essen zu achten. Ablenkung durch Tablet, Fernseher und Co. könnten sich negativ auf das künftige Essverhalt­en des Kindes auswirken.

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