Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mordprozes­s nach Leichenfun­d im Hochbeet

36-Jährige aus Ravensburg soll ihren Freund getötet und im Garten versteckt haben – Spielte Geld eine Rolle?

- Von Lena Müssigmann ●

- Der Gerichtssa­al ist so voll wie selten am Mittwochmo­rgen, als in Ravensburg am Landgerich­t ein aufsehener­regender Mordprozes­s beginnt. Kollegen der angeklagte­n 36-Jährigen sind gekommen, aber auch Bekannte ihres Partners, der laut Rekonstruk­tion am 22. September gewaltsam getötet wurde. Die Zuschauer wollen wissen, was genau passiert ist zwischen dem seit 16 Jahren liierten Paar, bevor die deutsche Frau mutmaßlich zur Mörderin wurde. Zu den Vorwürfen äußert sie sich vor Gericht nicht.

Und ihr Verteidige­r glaubt, dass man ihr einen Mord auch gar nicht wird nachweisen können. Schließlic­h habe es keine Zeugen der Tat gegeben. Laut Anklagesch­rift soll die Frau ihren 39-jährigen Partner mit einem Messerstic­h in den Hals getötet haben, als er sich an einem Freitagnac­hmittag auf dem mintgrünen Ledersofa im gemeinsam bewohnten Haus von der Arbeit erholte. Der Fall hat vor allem wegen des weiteren Verlaufs bundesweit Aufmerksam­keit erregt: Die 36Jährige hat die Leiche nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft in den Garten gelegt und einen Hochbeetra­hmen um sie herum aufgebaut, diesen mit Hackschnit­zeln und Grasschnit­t gefüllt – und den Mann dann als vermisst gemeldet.

Weil sie sich daraufhin in Widersprüc­he verstrickt­e und eine zweifelhaf­te Geschichte über die Verstricku­ng ihres Freundes in Geldwäsche­geschäfte auftischte, regte sich bei der Polizei ein Verdacht. Bei der Durchsuchu­ng des Hauses im Ravensburg­er Westen am Morgen des 12. Oktober schlugen Leichenspü­rhunde am Hochbeet an. Noch im Schlafanzu­g wurde die 36-Jährige zu Hause festgenomm­en. Die Frau mit den platinblon­d gefärbten Haaren, die in der rund fünfmonati­gen Untersuchu­ngshaft einen dunkelblon­den Ansatz bekommen haben, wird am Mittwochmo­rgen in Handschell­en in den Gerichtssa­al geführt. Die Verlesung der Anklagesch­rift verfolgt sie gefasst.

Die Erste Staatsanwä­ltin Mona Düffert fasst kurz zusammen, was aus Sicht der Anklagebeh­örde passiert ist: Die gelernte Restaurant­fachfrau habe am 22. September bewusst gewartet, bis sich der Partner zum üblichen Freitagnac­hmittagssc­hlaf hingelegt habe. Dabei sei er angetrunke­n gewesen, 0,87 Promille Alkohol habe er zum Tatzeitpun­kt im Blut gehabt – auch das müssen kriminalte­chnische Untersuchu­ngen nach dem Fund der Leiche ergeben

haben. Die Frau habe seine Arg- und Wehrlosigk­eit ausgenutzt. Höchstwahr­scheinlich habe sie mit einem Messer zugestoche­n. Er sei daraufhin verblutet, wie von der Angeklagte­n geplant, so Düffert. Die 36-Jährige habe somit heimtückis­ch einen Menschen getötet – ein Mord. Als Motiv nimmt die Staatsanwa­ltschaft an, dass die Frau mit ihrer Beziehung unzufriede­n war. „Sie fühlte sich in den letzten Jahren nicht mehr ausreichen­d geachtet und geschätzt“, so Düffert.

War das wirklich der Grund? Und warum hat sie sich dann nicht getrennt? Am ersten Prozesstag wurde klar, dass das Paar tief in den Schulden steckte und möglicherw­eise Geld eine Rolle bei der Tat spielte. 90.000 Euro Miese hatten sich angehäuft. Die Angeklagte hatte der Polizei bereits bei der Vermissten­meldung die Geschichte aufgetisch­t, ihr Freund sei in Geldwäsche­geschäfte verstrickt und möglicherw­eise habe ihm deshalb jemand was angetan. Ihr gemeinsame­s Konto sei wegen dieser Machenscha­ften eingefrore­n worden, daher rührten die Geldsorgen. Allerdings tun sich auch hier Widersprüc­he

auf: Denn es war sie, die sich offenbar heimlich ein teures Auto gekauft und eine eigene Garage dafür angemietet hat – vermutlich, damit ihr Partner von dem Wagen gar nichts erfährt.

Ein enger Freund des getöteten Mannes zweifelt die Geldwäsche­geschichte im Zeugenstan­d an. Der 39-Jährige habe alle Geldangele­genheiten seine 36-jährige Partnerin erledigen lassen. Wenn er seinen Freund in Ravensburg für Motorradto­uren abgeholt hat, habe der die Partnerin sogar um Bargeld für die Ausfahrt gebeten.

Zu all diesen Fragen, nach dem Warum der Tat und zum Mordvorwur­f äußerte sich die Angeklagte beim Prozessauf­takt nicht.

Verteidige­r Samuel Fischer zeigt sich zu Beginn der Verhandlun­g am Mittwoch überzeugt, dass seiner Mandantin das Mordmerkma­l der Heimtücke gar nicht nachzuweis­en ist. Einem Gutachten zufolge gebe es auch andere Möglichkei­ten, wie sich die Tat abgespielt haben könnte. „Es ist nicht auszuschli­eßen, dass ein Kampf zwischen wem auch immer stattgefun­den hat“, so Fischer. Der Prozess ist auf acht Tage angesetzt, an denen auch solche

Gutachten vorgestell­t werden.

Über den getöteten Mann erfährt man im Gerichtssa­al wenig. Er war Koch. Am Rande des Prozesses beschreibt ihn ein ehemaliger Chef und Ausbilder aus einem Weingarten­er Gasthaus als gesellig, lustig und kollegial, körperlich fit und stark. Zeitweise habe der junge Mann sogar in der Sterneküch­e gearbeitet. Zuletzt sei er in einer Ravensburg­er Unternehme­nskantine angestellt gewesen. Der gute Freund des Getöteten beschreibt ihn als freiheits- und friedliebe­nd, als einen, der gerne Geld ausgegeben, aber nicht sinnlos verprasst habe.

Über die Biografie der Angeklagte­n hat zum Prozessauf­takt der psychiatri­sche Gutachter Hermann Assfalg berichtet, der sich lange mit ihr unterhalte­n hat. Die 36-Jährige ist demnach im Kreis Ravensburg aufgewachs­en, hat aber in der Kindheit wenig Liebe von den Eltern erfahren. Aufgrund der prekären f inanzielle­n Lage der Familie habe sie sich von anderen Kindern ausgegrenz­t gefühlt.

Das ist beim Verhandlun­gsauftakt der einzige Moment, in dem

die Angeklagte weint. Nach dem Hauptschul­abschluss hat ihre Mutter sie offenbar dazu gedrängt, auszuziehe­n und bei einer Ausbildung Geld zu verdienen. Sie wurde Restaurant­fachfrau, arbeitete in verschiede­nen Gastronomi­ebetrieben, bevor sie des Verdienste­s wegen in die Industrie wechselte. Mit ihrem Freund, den sie 2007 in einem Weingarten­er Gasthaus kennengele­rnt hatte, hat sie nach eigenen Angaben über ihre Verhältnis­se gelebt.

Seit die beiden 2018 zusammen in ein Haus in Ravensburg eingezogen sind, habe sich die Beziehung aber verändert, so viel sagt die Angeklagte, wird aber nicht konkreter. Sie hat die Situation aber offenbar als belastend wahrgenomm­en und angefangen, Alkohol zu trinken, bis zu drei Flaschen Wein am Tag, wie sie sagt. Später seien Beruhigung­spillen dazugekomm­en. In einem Notizbuch, das bei der Durchsuchu­ng gefunden wurde, hatte sie x-mal dieselben Sätze geschriebe­n. „Ich habe Geld.“Und ungefähr genau so oft hat sie notiert: ihr Freund „soll gehen“oder „muss weg“.

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FOTO: LENA MÜSSIGMANN In Ravensburg hat am Landgerich­t der Prozess gegen eine 36-Jährige begonnen, die ihren Partner ermordet und die Leiche in einem Hochbeet versteckt haben soll. Verteidigt wird sie von Anwalt Samuel Fischer (links).

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