Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nach russischem Vorbild
Trotz Protesten stimmt Georgiens Parlament neuem Auslandsagenten-Gesetz zu
- Auch sie tragen schwarze Schulter-, Brust- und KnieSchützer über taubengrauen Tarnuniformen, die Sichtfenster ihrer schwarzen Helme sind genauso dunkel getönt. Und ab und zu stürzt sich ein Greiftrupp aus ihrer Plexiglas-Phalanx auf einzelne Demonstranten und zerrt sie davon. Ausrüstung und Taktik der Sicherheitskräfte, die seit Montag allnächtlich in der georgischen Hauptstadt Tiflis gegen Tausende Protestierende Front machen, erinnern sehr an die „Kosmonauten“genannten Einsatzpolizisten Wladimir Putins und ihre Gummiknüppeleinsätze. Gestern beschwerten sich mehrere Festgenommene, auch drei Journalisten, sie seien geschlagen oder gar verprügelt worden.
Georgiens Obrigkeit macht auch legislativ sehr russisch Front gegen die eigene Opposition. Gestern stimmte das mehrheitlich von der Regierungspartei „Georgischer Traum“kontrollierte Parlament in der ersten von drei Lesungen für das „Gesetz über die Auslandsagenten“. Die Opposition boykottierte die Abstimmung.
Der heftig umstrittene Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Medien, Organisationen und Bürgerinitiativen, die mehr als 20 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland erhalten, jährlich Rechenschaft über ihre Finanzierung und ihre Tätigkeiten ablegen. Das klingt zunächst wenig bedrohlich, Oppositionspolitiker aber behaupten, die Staatsmacht wolle das Gesetz nach dem Vorbild der „Auslandsagenten“-Paragraphen in Russland schrittweise verschärfen. Wie dort sollten so alle kritischen Medien, Stiftungen und Gruppen als „unerwünschte“oder „extremistische Vereinigungen“am Ende kriminalisiert und beseitigt werden. Und diesen Prozess wolle man schon vor den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen beginnen. Bereits im März vergangenen Jahres scheiterte ein Versuch der Regierung, das Gesetz im Parlament durchzudrücken, an heftigen Straßenprotesten.
Präsidentin Salome Surabischwili, die sich auf die Seite der Opposition geschlagen hat, bezeichnet den „georgischen Traum“spöttisch als „russischen Traum“. Tatsächlich strebt die Regierung offiziell die Integration in die EU und enge Kooperation mit der Nato an. Aber ihre Alltagspolemik richtet sich immer häufiger gegen den Westen und nicht gegen Russland. Obwohl Moskau die georgischen Rebellenrepubliken Abchasien und Südossetien seit über 30 Jahren militärisch unterstützt und von einem Großteil der Georgier als feindliche Besatzungsmacht betrachtet wird.
So konterte Premierminister Irakli Kobachidse kürzlich die Kritik von EU und USA an dem Auslandsagenten-Gesetz mit dem Vorwurf, ausländische Diplomaten mischten sich in die Gesetzgebung seines Landes ein. „Sie diktieren dem Parlament Georgiens, welches Gesetz es zu beschließen hat und welches nicht.“
Die Opposition wiederum beschuldigt die Regierung, sie mache klammheimlich gemeinsame Sache mit Russland. Auf jeden Fall scheint Putins inzwischen praktisch oppositionsfreies System dem seit 2012 herrschenden „Georgischen Traum“zu imponieren. Und dessen grauem Kardinal Bidsina Iwanischwili, dem reichsten Mann Georgiens, der sein laut Bloomberg 6,5 Milliarden-Dollar-Vermögen vor allem in Moskau gemacht hat. „Iwanischwili ist Milliardär. Er misst alles in Geld“, erklärt Gigi Ugulawa, der ehemalige Bürgermeister von Tiflis, das AuslandsagentenGesetz. „Und er will alle Finanzströme, die er nicht selbst kontrollieren kann, unterbrechen.“Dahinter stehe Iwanischwilis paranoide Angst, der Westen bereite seinen politischen Sturz vor.