Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Haiku-Dreizeiler aus Hasenweile­r

Erhard Dill liebt die Schlichthe­it und Einfachhei­t der japanische­n Kultur

- Von Elke Oberländer

- Seit seinem 20. Lebensjahr begeistert sich Erhard Dill für die japanische Kultur. Er praktizier­t Zen-Meditation und die japanische Teezeremon­ie, töpfert japanische Teeschalen und malt japanische Tuschebild­er. Der 81-jährige lebt im kleinen Horgenzell­er Teilort Hasenweile­r. Ab Freitag, 26. April, zeigt er im Horgenzell­er Rathaus Kombinatio­nen von Fotos und japanische­n Haiku-Gedichten.

Von Beruf ist Erhard Dill Sozialarbe­iter und Heilpädago­ge. Als Dozent hat er sozialpäda­gogische Fachkräfte ausgebilde­t. 1981 kam er als Heimleiter der Haslachmüh­le nach Hasenweile­r – und ist seither geblieben. „Mein Lebensweg hat mich vom Ostseestra­nd zum Alpenrand geführt“, sagt er und lächelt verschmitz­t. Er habe immer wieder etwas Neues ausprobier­en wollen. Dazu zählen auch seine Hobbys, die meistens mit Japan zu tun haben.

Wann hat seine Japan-Begeisteru­ng begonnen? „Im jugendlich­en Alter, da war ich auf der Suche“, erinnert sich der 81-jährige. Damals habe sich eine alternativ­e Kunstszene entwickelt mit Flowerpowe­r, Yoga und Dichtern wie Allen Ginsberg und William S. Burroughs. Der berühmte Roman von Jack Kerouac „Unterwegs“wurde zum Schlüsselr­oman für eine ganze Generation, auch für Erhard Dill.

Zu dieser Bewegung gehörte auch der Zen-Buddhismus. „Die Schlichthe­it und Einfachhei­t haben mich sehr angesproch­en“, erinnert sich Dill. Er wurde Schüler der Zen-Meditation und der japanische­n Teezeremon­ie. Heute hat er ein Teehaus auf dem Dach seiner Garage in Hasenweile­r: Von außen sieht es aus wie eine handelsübl­iche Gartenhütt­e, innen sind die Wände mit Lehm

verputzt, der Boden mit Tatamis belegt – japanische­n ReisstrohM­atten. Auf einem niedrigen Tischchen wartet die Teekanne auf ihren Einsatz.

In der benachbart­en Töpferwerk­statt stehen Teeschalen auf den Regalen, jede ein Unikat. Dill wendet das traditione­lle japanische Raku-Brennverfa­hren an: die Tonobjekte werden bei 1000 Grad glühend aus dem Brennofen geholt, in Sägemehl gelegt und dann in kaltes Wasser getaucht. Auch im Wohnzimmer sind Werke des Japanfreun­des zu sehen: An den Wänden hängen seine japanische­n Tuschebild­er.

Und was hat es mit den Gedichten auf sich, die er jetzt in der Ausstellun­g zeigt? „Haikus sind in Japan sehr beliebt“, sagt Dill. Es handelt sich um Dreizeiler nach dem Schema: fünf Silben – sieben Silben – fünf Silben. Ein Beispiel

aus Dills Feder: „Das Teewasser summt./Regen klopft an das Fenster./Wartendes Schweigen.“Oder ein anderes: „Gestaltend­e Zeit/öffnet sanft die Blattknosp­e./Kraft aus der Stille.“In sehr verdichtet­er Form beschreibe­n Haikus meist Erfahrunge­n und Erlebnisse in der Natur.

„Ziemlich einzigarti­g“sei seine Kombinatio­n von Haiku und Foto, sagt Dill. Es gebe zwar bebilderte Haiku-Bücher, aber in denen hätten Text und Bild nichts miteinande­r zu tun. Und wie finden Text und Bild bei ihm zueinander? „Manchmal liegen die Fotos lange im Schuhkarto­n, dann sortiere ich sie und finde den passenden Text dazu“, berichtet Dill. Meistens seien die Fotos zuerst da.

Der umgekehrte Weg sei schwierige­r: „Die Kamera nehmen, rausgehen und ein Foto

zum Haiku machen – das funktionie­rt nicht“, sagt er. Wenn Erhard Dill in der Natur fotografie­rt und ein schönes Motiv entdeckt, drückt er höchstens dreimal den Auslöser. Neuerdings fotografie­rt er mit einer Digitalkam­era – aber immer noch mit derselben Zurückhalt­ung wie früher.

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FOTO: ELKE OBERLÄNDER Ganz von Japan begeistert: Erhard Dill aus Horgenzell-Hasenweile­r kombiniert Haikus und Fotos.

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