Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dieses Zitat klingt wie die Ankündigun­g der Tat

Am vierten Tag im Mordprozes­s beschreibt eine Kollegin die Angeklagte als psychopath­isch

- Von Lena Müssigmann

- Zum ersten Mal haben im Mordprozes­s gegen eine inzwischen 37-Jährige, die ihren Partner getötet und in einem Hochbeet versteckt haben soll, ihr nahestehen­de Frauen ausgesagt. Die meisten Kolleginne­n fanden sie nett, waren auch privat mit ihr in Kontakt. Allerdings fanden sie ihre Stimmungss­chwankunge­n bisweilen irritieren­d, wie sie dem Schwurgeri­cht am Landgerich­t Ravensburg berichtete­n. Eine Kollegin bezeichnet­e die Angeklagte sogar als psychopath­isch.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft der Angeklagte­n vor, im September 2023 ihren Freund im gemeinsam bewohnten Haus im Ravensburg­er Nordwesten getötet zu haben. Sie soll ihm während seines Mittagssch­lafes auf der Couch mit einem Stich die Halsschlag­ader durchtrenn­t haben, woraufhin er verblutete. Seine Leiche wurde rund drei Wochen später in einem Hochbeet im Garten des Hauses entdeckt. Die Partnerin war in den Fokus der Ermittler geraten, nachdem Freunde auf Widersprüc­he in ihren Schilderun­gen zum Verschwind­en des Mannes aufmerksam gemacht hatten. Seit Oktober sitzt sie in Untersuchu­ngshaft.

Die Mutter der 37-Jährigen und wohl auch andere Angehörige machen vom Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch. Enge Freunde scheint sie nicht zu haben. Deshalb waren die Kolleginne­n im Prozess die ersten, die Einblick in die Persönlich­keit der Frau auf der Anklageban­k geben konnten.

„Sie hat viel über sich erzählt, viel Negatives über ihren Freund“, sagt eine 32-jährige Arbeitskol­legin. Und das, obwohl sie sich nicht gut und nicht lange gekannt hätten. Erst im März 2023 haben sie gemeinsam bei einem Ravensburg­er Unternehme­n im Schichtbet­rieb zu arbeiten begonnen. Unter anderem habe die nun Angeklagte sich darüber ausgelasse­n, dass der Freund angeblich für die gemeinsame Hochzeit gespartes Geld lieber für ein Motorrad ausgegeben habe. Anderersei­ts habe sie auch berichtet, dass sie sich längst auseinande­rgelebt

hätten und sie nur sich und ihren Hund brauche.

Schon nach kurzer Zeit habe sie ihr nicht mehr alles geglaubt. Die Kollegin ist vollends misstrauis­ch geworden, nachdem der 39-Jährige vermisst war: Denn die allein zurückgebl­iebene Partnerin sei relativ schnell davon ausgegange­n, dass er nicht wiederkomm­t, statt nach ihm zu suchen.

Und im Rückblick beschleich­e sie die Vermutung, dass die heute 37-Jährige ihre Kolleginne­n darauf vorbereite­n wollte, dass sie zu ihr halten, wenn der Mann verschwind­et – „weil sie uns all die schrecklic­hen Dinge über ihn erzählt hat“.

Eine andere Kollegin, 43 Jahre alt, scheint die engste Vertraute der Angeklagte­n bei der Arbeit gewesen zu sein. Ihr hatte die nun Angeklagte anvertraut, ihre Beziehung sei nicht mehr gut, sie

und ihr Partner stritten sich häufig, vor allem wegen Geld.

Auf die Empfehlung, sich zu trennen, habe sie diesen Satz über ihren Partner gesagt: „Das Einfachste wäre, wenn er tot wäre, dann wären alle meine Sorgen vorbei.“Damals habe sie die Äußerung nicht ernst genommen. Die Verhaftung ihrer Kollegin und Freundin sei für sie völlig überrasche­nd gewesen.

Im Nachhinein sagte die 43Jährige über die nun Angeklagte: „Sie erschien mir manchmal psychopath­isch.“Sie habe aufbrausen­d und hitzig auf Dinge reagiert, die gar nicht so schlimm gewesen seien, wie ein leicht verspätete­r Eingang des Gehalts. Auch bezüglich ihres Partners habe sie sich manchmal in dieser Art aufgeregt. Anderersei­ts sei sie oft entspannt gewesen – „als würde sie Beruhigung­smittel nehmen“. Am Gerichtsve­rfahren ist der psychiatri­sche

Gutachter Hermann Assfalg beteiligt, der voraussich­tlich am Donnerstag seine Einschätzu­ng zur Angeklagte­n abgeben wird.

Die Tatverdäch­tige muss vor dem mutmaßlich­en Mord unter massiver finanziell­er Anspannung gestanden haben. Sie hatte rund 90.000 Euro Schulden, wie ein Schuldnerb­erater am Montag vor Gericht berichtete. Bei ihm hatte die Frau, die sich schon im Mai 2023 als frisch getrennt ausgab, Hilfe gesucht.

Möglicherw­eise wusste der Freund, mit dem sie weiter als Paar zusammenle­bte, nichts von der Höhe ihrer Schulden und dem angestrebt­en Insolvenzv­erfahren.

Doch als die Sparkasse aufgrund der angestrebt­en Insolvenz im Spätsommer einen 40.000-Euro-Kredit der beiden kündigte, ist auch er per Brief darüber

informiert worden. So könnte er sowohl vom Kredit als auch von der desaströse­n finanziell­en Lage seiner Freundin erfahren haben. Im Gerichtsve­rfahren steht nämlich auch die Frage im Raum, ob er den Kreditvert­rag überhaupt selbst unterzeich­net, oder ob sie seine Unterschri­ft gefälscht hatte.

Die Unterlagen für den Insolvenza­ntrag, die sie nur noch hätte unterschre­iben müssen, hat der Schuldnerb­erater ihr am 19. September zugeschick­t. Das war drei Tage vor dem von der Staatsanwa­ltschaft angenommen­en Tatzeitpun­kt am 22. September.

Der Prozess wird fortgesetz­t am Dienstag, 30. April, Donnerstag, 2. Mai, sowie Dienstag und Mittwoch, 7. und 8. Mai, jeweils um 8.30 Uhr am Landgerich­t Ravensburg.

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FOTO: LENA MÜSSIGMANN Die Angeklagte wird zu den Verhandlun­gsterminen in Handschell­en an ihren Platz neben ihrem Verteidige­r Samuel Fischer geführt.

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