Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Graf als Italiens Regierungs­chef

Außenminis­ter Gentiloni soll Nachfolger des zurückgetr­etenen Matteo Renzi werden

- Von Thomas Migge

- Italiens bisheriger Außenminis­ter Paolo Gentiloni soll eine neue Regierung in Rom bilden. Das entschied am Sonntag Staatspräs­ident Sergio Mattarella. Ob Gentiloni nur bis zu den vorgezogen­en Neuwahlen im Frühjahr im Amt sein wird, oder bis zum Ende der Legislatur­periode Anfang 2018, ist noch offen.

Mattarella ist daran gelegen, dass eine Regierung mit voller Entscheidu­ngsgewalt die internatio­nalen Verpflicht­ungen Italiens wahrnimmt. Vorausgese­tzt Gentiloni kann rechtzeiti­g eine Regierung bilden, der in beiden Kammern des Parlaments das Vertrauen ausgesproc­hen wird, soll der neue Ministerpr­äsident sein Land am 15. Dezember bei der EURatssitz­ung in Brüssel vertreten.

Gentiloni soll ferner Italien im März bei den Feierlichk­eiten zum 60. Jahrestag der Unterzeich­nung der römischen Verträge repräsenti­eren, und dem G7-Treffen im Mai im sizilianis­chen Taormina vorstehen. „Wichtig ist es“, sagte er am Sonntag, „bei all diesen wichtigen Terminen mit einer Stimme zu sprechen.“

Der 62 Jahre alte Paolo Gentiloni ist eine bekannte italienisc­he Stimme. Der ruhig auftretend­e und nachdenkli­ch wirkende Politiker genießt internatio­nales Ansehen. Seine Beziehunge­n zum deutschen Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) gelten als ausgezeich­net.

Bevor Gentiloni 2014 von seinem Parteifreu­nd Matteo Renzi zum Außenminis­ter ernannt wurde, war der gebürtige Römer unter Romano Prodi Kommunikat­ionsminist­er und versuchte in dieser Funktion den medienpoli­tischen Allmachtsa­nspruch von Medienzar Silvio Berlusconi einzugrenz­en. In vier Legislatur­perioden war Gentiloni Abgeordnet­er.

Familie wohnt im Palazzo

Gentolini stammt aus einem Grafengesc­hlecht aus der Region Marken. In Rom bewohnt seine Familie einen Palazzo im Zentrum. Gentilonis Vorfahr Vincenzo Ottorino Gentiloni handelte 1913 zwischen dem Kirchensta­at und der damaligen Regierung ein berühmtes Abkommen aus, das die politische­n Beziehunge­n zwischen katholisch­er Kirche und dem Staat entschiede­n verbessert­e. Der designiert­e Regierungs­chef studierte Politik in Rom und ist mit einer Architekti­n verheirate­t. Das Paar ist kinderlos.

Gentilonis politische Karriere begann in der außerparla­mentarisch­en linken Opposition. Ab 1990 arbeitete er als Journalist. Drei Jahre später wurde er Pressechef des damaligen Bürgermeis­ters Francesco Rutelli, mit dessen sozialdemo­kratisch-liberaler Partei Margherita er erstmalig ins Parlament gewählt wurde. Als diese Partei mit den Sozialdemo­kraten zusammengi­ng, wurde Gentiloni einer der engsten Vertrauten der Parteigran­den. Er scheiterte 2012 bei dem Versuch, Bürgermeis­ter Roms zu werden, und wurde zwei Jahre später Italiens neuer Außenminis­ter.

Selbst seine Gegner schätzen den Sozialdemo­kraten als ausgewogen­en Politiker. Seine Vorgehensw­eise ähnelt der von Ex-Ministerpr­äsident Renzi. Aber anders als dieser ist Italiens möglicher zukünftige­r Regierungs­chef kein geborener Redner. Gentilonis introverti­ertes Auftreten könnte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass der ebenfalls introverti­erte Staatspräs­ident ihn zum Nachfolger Renzis auswählte.

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FOTO: AFP Der neue italienisc­he Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni (re.) gilt als ein erfahrener und ausgewogen­er Politiker.

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