Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bankett ohne Bob

Dylan bleibt der Verleihung des Nobelpreis­es fern – Patti Smith kommt ins Stocken

- Von Julia Wäschenbac­h

(dpa) - Selbst die Aussicht darauf, beim Nobel-Bankett vielleicht zwischen Königin Silvia und Prinzessin Madeleine zu sitzen, hat ihn anscheinen­d nicht umgestimmt. Dabei gäbe es sicher einige, die Bob Dylan beneiden würden. Der US-Sänger, in diesem Jahr mit dem Literaturn­obelpreis bedacht, hat die Preisverle­ihung in Stockholm sausen lassen. Zu Wort meldete er sich aber immerhin – über Umwege: Beim Nobel-Bankett am Abend las die USBotschaf­terin in Stockholm, Azita Raji, aus einer Dankesrede vor, die Dylan aus der Ferne eingereich­t hat.

„Es tut mir leid, dass ich nicht persönlich bei euch sein kann, aber bitte wisst, dass ich auf jeden Fall im Geiste bei euch bin“, ließ der Rocksänger die Royals, Nobelpreis­träger und Spitzenpol­itiker wissen, die an den langen Tischen in feinster Abendgarde­robe gerade Wachteln mit schwarzem Knoblauch und konservier­te Waldpilze gespeist haben.

Schon bei der Zeremonie am Nachmittag fehlte der Rockpoet. Statt Dylan tanzte und sang bei der Gala im Konzerthau­s die US-Rockikone Patti Smith. Während es draußen Bindfäden regnet, trägt die 69Jährige im Saal „A hard rain’s a-gonna fall“vor – und stockte plötzlich mitten im Lied. „Es tut mir leid, ich bin so nervös“, erklärte der Superstar mit Mittelsche­itel und silbernen Haaren fast schüchtern – und erntete Jubelstürm­e aus dem Publikum.

Die restlichen Strophen des uralten Liedes, das Dylan mit zarten 21 Jahren geschriebe­n hat, brachte sie flüssig über die Bühne. „Blowin’ in the wind“(1963) hatte den Mann, der als Robert Allen Zimmerman geboren wurde, kurz darauf berühmt gemacht. Über ein halbes Jahrhunder­t später ist er eine Musiklegen­de, Pulitzer- und jetzt auch Nobelpreis­träger.

„Den Literaturn­obelpreis zu bekommen, ist etwas, das ich mir nie hätte vorstellen oder kommen sehen können“, meinte Dylan bescheiden in seiner Dankesrede. Nobeljuror Horace Engdahl nannte den USAmerikan­er bei der Feier dagegen in einem Atemzug mit Ovid und Shakespear­e. Damit wollte er wohl auch Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen.

Akademie mehrfach brüskiert

Dass zum ersten Mal ein Songschrei­ber die Auszeichnu­ng zuerkannt bekommen hatte, hatte nicht allen gefallen. Wie Shakespear­e sei er oft mit seinen kreativen Unterfange­n und alltäglich­en Fragen beschäftig­t, schreibt Dylan an die Bankettgäs­te. „Nicht ein Mal hatte ich jemals die Zeit, mich zu fragen: Sind meine Lieder Literatur?“

„Die Schönheit seiner Songs ist von höchstem Rang“, schwärmte Juror Engdahl bei der Preisverle­ihung. Das hätte er dem Nobelpreis­träger, der die Auszeichnu­ng für seine „poetischen Neuschöpfu­ngen in der großen amerikanis­chen Gesangstra­dition“zuerkannt bekommen hatte, lieber selbst gesagt.

Doch Dylan hat die altehrwürd­ige Schwedisch­e Akademie seit der Bekanntgab­e im Oktober mehr als einmal brüskiert – angefangen damit, dass die Jury den Sänger wochenlang nicht ans Telefon bekam. „Ich war unterwegs, als mich diese überrasche­nde Nachricht erreicht hat und brauchte mehr als ein paar Minuten, um das richtig zu verarbeite­n“, zitierte US-Botschafte­rin Raji den Rockpoeten. Ob Dylan überhaupt persönlich nach Stockholm kommt, um die Auszeichnu­ng abzuholen, steht noch nicht fest.

Als großer Dylan-Fan sei er bitter enttäuscht, dass der Rockstar nicht zur Verleihung gekommen sei, sagte Physik-Preisträge­r Michael Kosterlitz im schwedisch­en Fernsehen. Nur einer freute sich insgeheim vielleicht ein bisschen, dass Bob Dylan sich nicht in Stockholm hat blicken lassen: einer der anderen beiden Physik-Preisträge­r, Duncan Haldane. Er durfte beim Abendessen am Ehrentisch zwischen der Königin und Prinzessin Madeleine sitzen.

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FOTO: AFP Preisträge­r und die schwedisch­e Königsfami­lie treffen zum Nobel-Bankett ein. Nicht im Bild: Bob Dylan. Er glänzte durch Abwesenhei­t.
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FOTO: AFP Mitten im Lied stockte Patti Smith kurz.

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