Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Eltern sammeln für kranke Tochter und verprassen das Geld
Skandal in Spanien: Spenden für Luxusgüter ausgegeben anstatt für medizinische Behandlung
(dpa) - Weihnachtszeit heißt Spendenzeit – das gilt normalerweise auch für Spanien. Doch jetzt erschüttert ein Betrugsfall das Land: Die Eltern eines kranken Mädchens sollen die Geschichte übertrieben und die Gelder privat genutzt haben. Im Kreuzfeuer stehen auch Medien.
Mit herzzerreißenden Spendenaufrufen hatten Eltern an das Mitgefühl der Spanier appelliert: Die Familie brauche dringend Geld, um das Leben von Tochter Nadia zu retten, die an einer seltenen Stoffwechselkrankheit leide, betonten sie und drückten seit 2008 regelmäßig auf die Tränendrüse ihrer Landsleute. Die Spanier zeigten Solidarität, immer wieder flossen hohe Geldsummen auf das Spendenkonto. Blogger, Journalisten und Ermittler deckten nun ein Netz aus Lügen und Übertreibungen auf.
Während die Ermittler jeden Tag neue schockierende Details ans Tageslicht fördern, sitzt der 52-Jährige seit Mitte der Woche ohne Möglichkeit auf Kaution im Gefängnis. Die Mutter wurde unter bestimmten Auflagen in die Freiheit entlassen, doch beiden wurde am Freitag das Sorgerecht für die kranke Tochter entzogen. Zudem hat die Justiz ihre Konten eingefroren.
Der Vater hatte zuvor behauptet, seine mittlerweile elfjährige Tochter könne durch eine kostspielige Behandlung in den USA gerettet werden. Nadia leidet an Trichothiodystrophie, einer extrem seltenen Erbkrankheit, die unter anderem zu einer frühzeitigen Zellalterung führt. Ein Spezialist namens Edward Brown in Houston stehe bereit, um das Mädchen zu kurieren. Auch in Afghanistan sei er schon gewesen, um nach einem Heiler zu suchen, der angeblich in einer Höhle lebe.
Als das Paar sich Ende November mit diesen Angaben erneut an die große Tageszeitung „El Mundo“wandte, kamen innerhalb weniger Tage 150 000 Euro zusammen. Der Skandal brach unter anderem deshalb los, weil Medien aufdeckten, dass in den gesamten USA kein Spezialist namens Dr. Edward Brown zu finden war. In der Klinik in Houston wusste zudem niemand etwas von Nadias Fall.
Vater räumt Übertreibungen ein
Der Vater, der sich plötzlich in die Ecke getrieben sah, versuchte noch schnell, seine Aussagen zu relativieren. Er räumte ein, einiges an der Geschichte übertrieben zu haben. „Aber wir waren wirklich in Afghanistan und haben nach einem Arzt gesucht, auch wenn er nicht in einer Höhle lebt“, sagte er. Er habe ein paar Dinge dramatisiert, „weil ich ohne meine Tochter nicht leben kann“, so der Mann. „Viele Teile der Geschichte sind aber wahr.“
Im Land geht nun die Frage um, wieso die Geschichte von den zuständigen Journalisten nicht besser recherchiert wurde. „Journalisten? Und niemand hat sich die Vergangenheit des Vaters angeschaut? Ihr seid mitverantwortlich!“, wettert ein Mann auf Twitter. „Dass der Vater eines kranken Kindes uns so hinters Licht führt, ist ein nationaler Skandal“, twittert ein anderer aufgebrachter Bürger.
Redakteur entschuldigt sich
Nadias Vater wurde bereits im Jahr 2000 zu mehr als vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Gelder der Firma, für die er damals arbeitete, veruntreut haben soll. Das aber schien die gesamte spanische Presse übersehen zu haben. „El Mundo“-Redakteur Pedro Simón entschuldigte sich kleinlaut bei den Lesern. Er habe „mehrere große Fehler“gemacht, gab er zu, die hätten einem Profi, der seit 25 Jahren diesen Beruf ausübe, eigentlich nicht passieren dürfen.
Nun wurde auch noch bekannt, dass der Umfang der Spenden viel größer war als angenommen. Laut den katalonischen Ermittlern haben die Eltern insgesamt Gelder in Höhe von 918 000 Euro erhalten. 600 000 Euro wurden bereits ausgegeben – aber der Großteil davon nicht für die Behandlung der Tochter, sondern für private Luxusgüter. Die Polizei fand in der Wohnung der Familie in einem kleinen Pyrenäendorf unter anderem 32 Uhren im Wert von 50 000 Euro und teure elektronische Geräte. Auch wurde offenbar die Miete mit Spenden finanziert.