Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vom Bruckwirtshaus zum Kulturzentrum
Aus der Geschichte der Riedlinger Wirtshäuser: Martin Bauknecht war erster „Bruckwirt“
- In den Archivalien der Stadt Riedlingen lassen sich in einem Zeitraum von knapp 400 Jahren über 60 verschiedenen Wirtshausnamen feststellen. Eine stolze Zahl, wobei man natürlich davon ausgehen muss, dass nicht alle Wirtschaften zur gleichen Zeit existiert haben. In der Oberamtsbeschreibung von 1827 werden für die Stadt Riedlingen immerhin 31 aktive Wirtschaften und 18 Bierbrauereien genannt. Nur wenige Wirtschaften sind bis heute davon übrig geblieben, von den Brauereien hat keine überlebt. In nächster Zeit werden drei Traditionswirtschaften entweder abgebrochen oder umfunktioniert: Der „Schwanen“wird zu Wohnungen umgebaut, der „Mohren“wird abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt und auf die „Brücke“wartet dasselbe Schicksal. Alle drei Betriebe hatten eine lange und wechselreiche Geschichte. In Beiträgen werden auszugsweise Gegebenheiten aus der Geschichte der Riedlinger Wirtshäuser veröffentlicht. Heute geht es um die „Brücke“.
Das Gasthaus zur Brücke hat eine relativ junge Geschichte im Vergleich zu anderen Riedlinger Traditionswirtschaften. 1791 erhielt der aus Unlingen stammende Salitersieder (Salpeterer) Martin Bauknecht das Riedlinger Bürgerrecht erteilt, unter der Bedingung, dass er nur in seinem Beruf arbeiten dürfe und durch „ihn keinem schon bestehenden Bürger einiger Nachstand zugehen könne“. Die Bauknechts hatten in Unlingen das Salitergraben als Monopol. Den Beruf durfte Bauknecht in Riedlingen ausüben und er richtete in seinem neu erbauten Haus vor der Stadt eine Salitersiederei ein.
Entsprechend schwierig war sein Start als Wirt. 1801 beantragte er, es möge ihm zusätzlich in seinem Haus „Wein- Bier und Branntwein auszuzapfen erlaubt werden“, was ihm nicht gestattet wurde. Dagegen legte Baumeister beim K. K. Oberamt Altdorf Beschwerde ein. „Man habe die Beschwerde nach dem umständlichen Bericht des Magistrats abgewiesen“, war die Antwort. Das hinderte Martin Bauknecht jedoch nicht an der Umsetzung seiner Idee.
Dagegen klagten im Namen aller Wirte stellvertretend Xaver Engelhard („Fuchs“), Blasi Buck („Karpfen“) und Felix Schmid („Schwanen“). Sie brachten vor, dass Bauknecht sich schon seit 14 Tagen mit dem Ausschank von Wein abgebe. Die Kontrolle über den Weinvorrat war das Problem, da Bauknecht außerhalb der Stadt wohnte. Er bestritt alle Vorwürfe und war sogar der Meinung, dass, wenn er Wein aus dem kaiserlichen Land Tirol verkaufe, man dagegen nichts einwenden könne. Er habe sich dabei nichts überlegt und nichts aus Bosheit getan. Auch habe er vergessen, die Getränkesteuer an die Stadt abzuführen.
Weiser Beschluss des Stadtrats
Der Ausschank von Wein wurde Bauknecht erneut verboten, weder über die Gasse oder flaschenweise und in kleinen Mengen. „Da nun einmal der Wein da sei, wird ihm gestattet, diesen eimerweis, und ja nicht unter einem Eimer, abzugeben. Sollte er hinkünftig Tiroler oder anderen Wein en Gros abgeben wollen, habe er hierzu erst die obrigkeitliche Erlaubnis zu erwerben. Der vorhandene Wein sei dem Herrn Umgelder Kleber zu melden und bei jedem Abgang, nicht unter einem Eimer, das Umgeld [Getränkesteuer] zu bezahlen.“
An die Vorschriften zum Ausschank von Bier und Wein hat sich Bauknecht dann wohl gehalten. Aber er fand ein neues, lukratives, jedoch lizensiertes und deshalb verbotenes Betätigungsfeld: den Salzhandel. Dieser streng kontrollierte Handel war obrigkeitlich dem Bürger Andreas Gramm übertragen. Martin Bauknecht hielt jedoch immer einen Vorrat an Salz, woher auch immer, und „er gebe diesen nicht nur an Reichsoder Ritterschaftliche Untertanen ab, sondern auch an hiesige Bürger und andere auswärtige österreichische Untertanen“. Das wurde ihm bei Strafe verboten. Für sein Vergehen hatte er einen Gulden 30 Kreuzer zu zahlen, wobei 30 Kreuzer dem Denunzianten (!) gehörten und der Gulden der Polizeikasse zukam.
1809 begann mit dem Abbruch der St. Nikolauskapelle vor der Stadt der erste Schritt zum Beseitigung mittelalterlicher Bauwerke und Befestigungen Riedlingens. Der Abbruch wurde versteigert, wobei der Erlös an die katholische Kirchengemeinde ging. Die Glocke wurde auf Kosten des Bürgermeisteramts an das nächste Stadttor (Donautor) angebracht. Martin Bauknecht erhielt den Zuschlag zum Abbruch der Kapelle um 84 Gulden ohne Platz. Für den Platz hatte er 268 Gulden zu bezahlen und eine Kandel entlang der Straße auf seine Kosten anzulegen.
1813 wird Martin Bauknecht Bruckwirt genannt und dafür gelobt, dass er bei mehreren Feuersbrünsten immer einer der ersten mit seinen vier Pferden gewesen sei, habe aber niemals das Entgelt dafür in Anspruch genommen. Mit seinen Gespannen zog er auch im Winter den Bahnschlitten. In seinem Bruckwirtshaus wollte er eine Speisewirtschaft mit Übernachtung einrichten. Bedenken herrschten, dass damit der Stadt Pflaster- und Brückengeld verloren gehe und „Reisende oder Fuhrleute bei ihm übernachten, die in die Stadt zu fahren nicht nötig hätten und das städtische Interesse gefährden würden“. Offensichtlich wurde dem Antrag trotz vorhandener Bedenken zugestimmt.
Martin Bauknecht starb 1834, seine Witwe führte den Betrieb weiter bis 1888. Nach und nach hatte sich die „Brücke“zum Kulturzentrum entwickelt. Ab 1875 gab Konzertsängerin Wilhelmine Gräser, geborene Bauknecht, in ihrer Vaterstadt mit den „Stuttgarter Dilettanten“mehrere Konzerte im Saal der Brücke. Auch der Liederkranz hielt hier seine Jahreskonzerte ab. 1888, beim Verkauf des Anwesens nach dem Tod des letzten Bauknecht, Franz Joseph, heißt es: „Das Geschäft erfreut sich guter Frequenz und guter Geschäftslage und findet ein tüchtiger Käufer sein gut gesichertes Auskommen….“
Das heutige Aussehen des Hotels Brücke entstand nach einem Brand 1937. Nach der Übernahme des Anwesens durch Walter Seemann erfolgten zahlreiche Um- und Ergänzungsbauten. In ganz Deutschland waren die Rittermahle im „Charisma-Hotel Brücke“bekannt und vor allem von Busgesellschaften frequentiert.