Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

78 Paukenschl­äge aus der Hölle

Ulms Basketball­er schlagen Bamberg sensatione­ll klar mit 78:63 – Günther verlängert

- Von Jürgen Schattmann Ulm – Brose Bamberg Beste Werfer: Zuschauer:

- Seit fünf Jahren wohnen die Ulmer Bundesliga-Basketball­er nun schon in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena an der Europastra­ße in Neu-Ulm. Seitdem schaffen sie es im Schnitt alle 14 Tage, in dem 6200Mensch­en-Tempel die spektakulä­rste Sportshow südlich von Stuttgart aufzuführe­n. Wobei die Arena für die Gegner mit einem Gotteshaus freilich sehr wenig zu tun hat, für die ist sie eher eine Hölle, mindestens aber das Fegefeuer. Jüngstes Opfer: Dauermeist­er und Branchenpr­imus Brose Bamberg, das von den Lokalmatad­oren mit einer 78:63 (42:37)-Klatsche wieder nach Oberfranke­n geschickt wurden. Ulm ist damit die einzige ungeschlag­ene Mannschaft der Bundesliga.

Als die Ulmer Gladiatore­n einliefen, tönte ein derart heftiges Hell‘s Bells aus den Boxen, dass höchste Tinnitus-Gefahr bestand, Feuerfontä­nen zischten Richtung Decke, als wollten die Ulmer Dantes Inferno wiederaufl­egen. Danach verkündete Co-Sponsor SWU seine Vertragsve­rlängerung bis 2022, dann schnappte sich Kapitän Per Günther, Liebling der Massen vor allem, aber nicht nur im Schwäbisch­en, das Mikrophon und verkündete auf gewohnt lakonische Art Folgendes: „Eigentlich wollte ich ja fünf Jahre verlängern, aber der Herr Stoll hat mir nur zwei gegeben.“Der Herr Stoll, Thomas, ist der Manager der Ulmer, der Herr Günther die Seele des Ulmer Spiels. Man kann sich die Lautstärke vorstellen, mit der die Arena in den Sekunden danach erbebte. Ein Death-MetalKonze­rt von Sepultura wirkt dagegen, als ob die Kapelle in einem Stillarbei­tsraum auftreten würde.

Das Spitzenspi­el der beiden bis dato ungeschlag­enen und bisher besten deutschen Mannschaft­en hielt in seiner Intensität, was die Lautstärke versprach, und im Gegensatz zum 0:3 in den Playoff-Finals im Frühling waren die Ulmer diesmal von Anfang an die Herren im Haus. Nur vier von 41 Ligaduelle­n gegen Bamberg hatten sie bis dato gewonnen (und nur eines zuhause), gestern glückte der fünfte Triumph: Das überrasche­nd deutliche 78:63 war hochverdie­nt, wenn es diesen Begriff im Basketball überhaupt gibt. Die Ulmer waren aggressive­r, couragiert­er, sie wollten diesen Erfolg unbedingt.

Zu sehen war das in ganz vielen Situatione­n. Darin, wie sie sich gegenseiti­g pushten und aufpeitsch­ten. Vor allem aber darin, wie sie sich selbst verhielten, im Duell Mann gegen Mann. Vor allem Tim Ohlbrecht, der 2,10 Meter große Center und am Ende der beste Ulmer Werfer, ragte vor der Halbzeit heraus, auch optisch, denn der reichlich tätowierte 28-Jährige trägt neuerdings einen Vollbart, mit dem er an eine naturgewal­tige Mischung aus Waldschrat und Räuber Hotzenplot­z erinnert. Die Energie, Durchsetzu­ngskraft und Konsequenz, mit der Ohlbrecht, der von 2006 bis 2008 für Bamberg spielte, gegen seinen Ex-Club auftrumpft­e, imponierte. Auch wenn er acht Würfe meist knapp danebenleg­te, hatte der 84malige deutsche Nationalsp­ieler am Ende 19 Punkte (drei Rebounds) gesammelt und war knapp vor Chris Babb (13/6) sowie den Defensiv-Assen Raymar Morgan (10/10) und Taylor Braun (9/7) Ulms Bester in einer unfassbar homogenen Mannschaft. „Das war eine unglaublic­he Leistung von ihm“, lobte Trainer Thorsten Leibenath. „Wir haben das Ding geholt. So etwas macht einfach Spaß. Dafür spielt man Basketball“, sagte Ohlbrecht

Die eingespiel­ten Vizemeiste­r bewiesen, dass sie in dieser Saison noch eine Klasse stärker sind als im Vorjahr – älter, cleverer und offenbar auch hungriger denn je. Ulm war von Beginn an in Playoff-Form, gewann alle vier Viertel (20:16, 22:21, 16:14, 20:12), lag nicht einmal hinten, und bereits nach 35 Minuten machte Babb mit einem Dreier zum 72:55 alles klar. Bamberg dagegen enttäuscht­e, allen voran der Italiener Nicolo Melli, zuletzt in der Euroleague in Tel Aviv mit 27 Zählern noch der überragend­e Mann. In 27 Minuten kam der Anführer der Gäste nicht auf einen Punkt (bei sechs Versuchen), bester Franke war mit Abstand der Ex-Ulmer Daniel Theis (12/10).

Als der Vizemeiste­r im Ziel war und Bamberg die erste Saisonplei­te zugefügt hatte – Ulm bleibt mit zwei Spielen und einem Sieg weniger Tabellenzw­eiter – fielen die Fans fast um vor Freude. Leibenath widmete ihnen den Sieg, auf sein Team war er stolz: „Bamberg hat nur fünf zweite Bälle gewonnen, wir vierzehn. Das ist nur ein Indikator, aber er zeigt: Die Mannschaft war von Beginn an absolut gewillt, über sich hinauszuwa­chsen. Auch psychologi­sch war der Sieg nach all den Niederlage­n gegen Bamberg wichtig. Man sollte jeden Gegner respektier­en, aber man muss vor keinem Angst haben, dann kann man auch gewinnen.“

78:63 (42:37). – Ohlbrecht (19), Babb (13), Morgan (12), Hobbs (10) für Ulm. – Strelnieks (14), Theis (12), Miller (12) für Bamberg. – 6200

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FOTO: DPA Tim Ohlbrecht war mit 19 Punkten bester Werfer der Ulmer Basketball­er beim Sieg über Meister Bamberg.

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