Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Alleingänge sind absurd
Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière macht die griechischen Behörden dafür verantwortlich, dass der mutmaßliche Mörder einer Studentin in Freiburg unerkannt nach Deutschland einreisen konnte. Datenschlamperei lautet sein Vorwurf. Zu Recht. Denn natürlich hätte der junge Afghane bei Interpol oder in der SchengenDatenbank SIS als flüchtig registriert werden müssen, nachdem er nach einer Amnestie untergetaucht war. Das aber geschah nicht – und das hatte in diesem Fall verheerende Folgen.
Doch selbst wenn alle Beteiligten vorschriftsmäßig handeln, verliert sich die Spur vieler Flüchtlinge während ihrer langen Reise durch Europa. In einigen Datenbanken werden nur Kriminelle registriert, Eurodac wiederum speichert die Fingerabdrücke aller Einreisenden – aber ohne Strafregister. All diese Informationen müssten vernetzt und leichter zugänglich gemacht werden. Es ist schließlich nicht einzusehen, dass Touristen und Geschäftsleute bei der Einreise in die EU demnächst einen Sicherheitscheck vorab durchlaufen müssen, Flüchtlinge aber nicht. Dem wird vermutlich niemand widersprechen. In der Praxis aber sind die Datenschutzanforderungen und der Umgang mit Daten von Land zu Land unterschiedlich. Was dem einen Beamten notierenswert erscheint, fällt beim Nachbarn durch den Rost.
Wie eifersüchtig einige Mitgliedsstaaten beim Thema innere Sicherheit die eigene Souveränität bewachen, zeigt ein Beispiel vom EU-Gipfel: Im Dezember 2015 hatten die Dänen in einem Referendum eine engere Polizeizusammenarbeit mit EU-Behörden abgelehnt – im Grunde ging es ihnen wohl darum, ihren Unmut gegen die EU zu zeigen. Doch die Folgen sind praktisch spürbar: Dänemark kann die Reform der gemeinsamen Ermittlungsbehörde Europol nicht mehr mittragen und könnte deshalb zum weißen Fleck auf der sicherheitspolitischen Karte Europas werden. Um das zu verhindern, müssen nun komplizierte juristische Krücken erfunden werden. Das ist angesichts des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses vieler Europäer absurd.