Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Musterland 4.0

Im Südwesten soll eine Initiative der Industrie bei der Entwicklun­g digitaler Produkte helfen

- Von Katja Korf

- Konkurrenz scheut der selbstbewu­sste Baden-Württember­ger bekanntlic­h nicht, auch wenn sie groß ist. Und so haben am Donnerstag Vertreter von Landesregi­erung, Hochschule­n und Wirtschaft ein ehrgeizige­s Ziel formuliert: Sie wollen das „Maschinen-Valley“Baden-Württember­g zum „Cyber-Valley“machen. Der Vergleich mit dem kalifornis­chen Silicon Valley, Wiege der IT-Industrie, ist gewollt.

Gelingen soll dies mit einer neuen Forschungs­initiative zur Weiterentw­icklung der künstliche­n Intelligen­z. Ziel ist es, wissenscha­ftliche Erkenntnis­se zu marktreife­n Produkten zu entwickeln – in Bereichen wie dem autonomen Fahren oder Smart Homes, also mit dem Internet verbundene­r, intelligen­ter Haustechni­k.

Mindestens 50 Millionen Euro investiert das Land in den nächsten fünf Jahren. Zudem beteiligen sich mehrere Stiftungen: die Carl-ZeissStift­ung, die Christian-Bürkert-Stiftung, die Gips-Schüle-Stiftung und die Vector-Stiftung. Außerdem sind sechs Unternehme­n dabei: die Autobauer Daimler, Porsche und BMW, die Zulieferer Bosch und ZF sowie das Internetne­tzwerk Facebook. Die Partner wollen einen hohen zweistelli­gen Millionenb­etrag ausgeben.

Doktorande­n und Professure­n

Das Geld soll für 100 Doktorande­nStellen ausgegeben werden. Neun Forschungs­gruppen sollen sich der künstliche­n Intelligen­z widmen, hinzukomme­n zehn Professure­n an den Universitä­ten Stuttgart und Tübingen. Auch die Max-Planck-Institute in den beiden Städten werden profitiere­n. Weitere Partner aus Industrie und Forschung sollen folgen. Später soll ein Campus gebaut werden, der Standort ist noch offen.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n erläuterte, warum der Südwesten mit anderen IT-Forschungs­standorten in der Welt mithalten kann. „Im Silicon Valley versuchen sie jetzt verzweifel­t, Autos zu bauen, aber diesen Kampf werden wir gewinnen.“Es nütze nichts, wenn Unternehme­n wie Google zwar berechnen könnten, welchen Weg ein selbstfahr­endes Auto einschlage­n muss, das Fahrzeug dann in der Praxis aber diesen Weg gar nicht einschlage. Die Stärke Baden-Württember­gs sehen alle Beteiligte­n darin, dass sowohl die Hochschule­n als auch die Unternehme­n im Land zwei Dinge zusammenbr­ingen: die Technologi­e im Bereich Maschinenb­au und die Ideen im Bereich der künstliche­n Intelligen­z. Diese müsse man jetzt fördern. „Wir haben eine gute Ausgangspo­sition. Aber wir dürfen die zweite digitale Revolution nicht verpassen, Europa hat schon die erste verschlafe­n“, sagte Kretschman­n im Hinblick auf das Internet der Dinge, das auf die Revolution der Digitalisi­erung aufbaut.

Der Friedrichs­hafener Zulieferer ZF teilt diese Einschätzu­ng. „Wir sind sehr gut im Umsetzen, aber haben bei der künstliche­n Intelligen­z noch Lücken in der Forschung. Diese wollen wir mit der Beteiligun­g an diesem Projekt schließen“, sagte Harald Naunheimer, ZF-Vizepräsid­ent im Bereich Forschung und Entwicklun­g. Damit bekenne sich ZF zum Standort. „Wir haben großes Interesse an einer funktionie­renden Wirtschaft um uns herum“, so Naunheimer. Die „Cyber-Valley“-Kooperatio­n diene dazu, diese auch in Zukunft zu erhalten.

Kreative Köpfe anlocken

Mit der Forschungs­förderung locke man kreative Köpfe aus aller Welt ins Land, betonte Michael Bolle, Geschäftsl­eiter Forschung bei Bosch. Der Wettbewerb um gute Nachwuchsk­räfte im Bereich künstliche­r Intelligen­z sei noch härter als der um andere Ingenieure. „Wir können ihnen hier spannende Aufgaben bieten – die direkte Umsetzung ihrer Forschungs­ergebnisse in die Praxis“, erläuterte Bolle. Auch er gehört zu den Ingenieure­n, die keine Konkurrenz scheuen.

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FOTO: DPA Produktion von Einspritzp­umpen bei Bosch: Die Initiative will den Wandel hin zu digitalen Produkten fördern, Komponente­n für Verbrennun­gsmotoren könnten jedenfalls bald der Vergangenh­eit angehören.

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