Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Herrscher am Nil
Badisches Landesmuseum Karlsruhe zeigt große Ägypten-Ausstellung
(KNA) - Kriegsherr, gottgleicher Herrscher und hundertfacher Vater: Pharao Ramses der Große stand sechs Jahrzehnte an der Spitze des altägyptischen Reiches. Die Blütezeit der antiken Hochkultur ist nun in Karlsruhe erlebbar.
Streng blickt der falkenköpfige Gott Horus auf den jungen Pharao. Und haucht dem ägyptischen Herrscher dann den göttlichen Lebensatem ein, um ihn so in den Kreis der Götter aufzunehmen. 3300 Jahre alt ist die in Erdfarben gehaltene Reliefdarstellung und eines der Schmuckstücke der großen Ägyptenausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe.
Bis 18. Juni können Besucher in die altägyptische Hochkultur unter Pharao Ramses II. eintauchen. 260 Exponate aus zahlreichen Museen Europas hat das Team um Kurator Lars Petersen zusammengetragen. Von der überlebensgroßen Granitstatue bis zum filigranen Goldring. Allein aus dem Louvre stammen 50 Ausstellungsstücke.
„Wichtig ist uns, nur Gegenstände aus öffentlichen Sammlungen zu zeigen, die seit Langem in Europa sind und auf die der ägyptische Staat keine Eigentumsansprüche stellt“, erläutert Museumsdirektor Eckart Köhne. Denn noch immer werden antike Kunstgegenstände aus Raubgrabungen und zweifelhaften Quellen auf dem Kunstmarkt gehandelt.
„Ramses – Göttlicher Herrscher am Nil“zeichnet ein vielschichtiges Porträt des mehr als sechs Jahrzehnte herrschenden Pharaos. Er stammte aus einer Familie von Soldaten und führte sein Volk unmittelbar nach seinem Aufstieg zur Macht im Jahr 1279 vor Christus in den Krieg mit der damaligen zweiten regionalen Großmacht, den Hethitern. „Nach mehreren Schlachten ist es dann sein Verdienst, den wohl ältesten Friedensvertrag der Menschheitsgeschichte zwischen zwei gleichberechtigten Partnern ausgehandelt zu haben“, so Kurator Petersen. Fragmente der ältesten erhaltenen Fassung des Friedenswerks sind nun in Karlsruhe zu sehen.
Dann nähert sich die Schau dem Herrscher als Oberhaupt einer großen Familiendynastie. Ramses hatte den historischen Quellen zufolge sieben Hauptfrauen, darunter waren drei eigene Töchter, und weitere Nebenfrauen, mit denen er geschätzt 100 Nachkommen zeugte.
Kaum ein anderer antiker Herrscher ließ so viele Tempelanlagen und Paläste errichten wie Ramses der Große. Die von seinem Vater noch als Sommerresidenz genutzte Nildelta-Siedlung Pi-Ramesse baute er zur Metropole und Hauptstadt mit mehr als Zehntausend Einwohnern aus. „Von der ehemaligen Pracht dieser Stadt, die sich über mehrere Quadratkilometer erstreckte, ist heute auf den ersten Blick nichts mehr erhalten“, sagt Archäologe Henning Franzmeier. Er leitet aktuelle Ausgrabungen der Stadt und präsentiert in einer digitalen Rekonstruktion neue Ergebnisse der Forschung. „Etwa 100 Jahre nach Ramses' Tod wurde die Stadt verlassen. Die Tempel und Prachtbauten geschleift, um die verbauten Steine für neue Gebäude zu nutzen. Nun entecken wir sie wieder.“
Viele Götter, ein Herrscher
Ein eigener Ausstellungsbereich widmet sich der Religion und dem Herrscherkult. Die Vielfalt der Göttergestalten wie der religiösen Riten wird in den ausgestellten Reliefen und Statuen erfahrbar. Entschieden widerspricht die Ausstellung der These, dass Ramses der im Alten Testament beschriebene Pharao war, vor dem die Israeliten aus Ägypten flohen. Neue Forschungen zeigten, dass die biblische Geschichte erheblich jünger sei.
Zwar versuchen die Ausstellungsmacher, Einblicke in den Lebensalltag der Ägypter vor 3.000 Jahren jenseits der Eliten zu ermöglichen, die Quellenlage dafür ist aber extrem spärlich. „Die ausgestellten Krüge, eine Babyflasche und eine Lebensmittelliste erlauben aber einige Hinweise auf die Ernährung des einfachen Volkes“, so Petersen. Mit den prachtvollen Herrscherstatuen, Reliefen und Hieroglyphen können diese Exponate indes nicht konkurrieren.