Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bern bekommt die Gurlitt-Sammlung

Oberlandes­gericht München beendet Rechtsstre­it – Zivilklage noch möglich

- Von Britta Schultejan­s

(dpa) – Der letzte Wille von Cornelius Gurlitt kann erfüllt werden. Das Oberlandes­gericht München hat entschiede­n, dass die umstritten­e Sammlung ans Kunstmuseu­m Bern gehen kann.

Gurlitts Cousine Uta Werner hatte sich durch die Instanzen geklagt. Sie wollte erreichen, dass das Erbe des im Mai 2014 im Alter von 81 Jahren gestorbene­n Sammlers an sie und nicht an das Kunstmuseu­m Bern geht. Sie, ihre Familie und ihre Anwälte beauftragt­en verschiede­ne Gutachter, die postume Expertisen verfassten, dass Gurlitt nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, als er seinen letzten Willen zu Papier brachte. Eine wahnhafte Störung, eine verrückte Angst vor Nazis, habe dazu geführt, dass er seine Kunst außer Landes wissen wollte. Ein vom Gericht bestellter Gutachter kam – ebenfalls ohne Gurlitt jemals getroffen zu haben – zum gegenteili­gen Schluss.

Und seinen Ausführung­en folgte das Oberlandes­gericht München schließlic­h. Gurlitt war aus Sicht des Senats zurechnung­sfähig, sein Erbe geht – wie von ihm verfügt – in die Schweiz. „Weg frei für das Kunstmuseu­m Bern“, heißt es in der Gerichtsmi­tteilung. Und nicht nur dort atmet man auf.

Im kommenden Jahr soll es eine gemeinsame Ausstellun­g von Bundeskuns­thalle Bonn und Kunstmuseu­m Bern geben. „Das gemeinsam entwickelt­e Konzept hat einen zeitgeschi­chtlichen Fokus“, sagt Marcel Brülhart, Vizepräsid­ent der Dachstiftu­ng des Kunstmuseu­ms. Die Ausstellun­g soll den Umgang von totalitäre­n Regimen mit Kunst thematisie­ren. Bei einem Teil der rund 1500 Werke umfassende­n Sammlung soll es sich um Nazi-Raubkunst handeln. Cornelius Gurlitt war der Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem von Adolf Hitlers Kunsthändl­ern.

Die Ausstellun­g will fragen, wie es zur Begrifflic­hkeit der „Entarteten Kunst“kam, welche Biografien eine Rolle spielten, welche jüdischen Sammler Opfer des Kunstraubs und des Holocaust wurden und wie geraubte Werke später wieder zurück in die Museen und privaten Sammlungen gelangten.

Provenienz-Forschung soll verstärkt werden

Doch es soll nicht bei der Ausstellun­g bleiben. In Bern wird seit geraumer Zeit eine Provenienz-Forschungs­stelle zusammenge­stellt, die deutsche Experten bei der Erforschun­g der Sammlung unterstütz­en und mögliche Raubkunst identifizi­eren soll. Werke, deren Herkunft geklärt ist, sollen nach Bern gehen, umstritten­e Bilder in Deutschlan­d bleiben. Außerdem will sich das Museum nach Angaben Brülharts beim Verleih von Werken, die der von den Nationalso­zialisten als „entartet“diffamiert­en Kunst zugerechne­t werden, an deutsche Museen großzügig zeigen.

Unglücklic­h über den Ausgang des Gerichtsve­rfahrens ist derweil Uta Werner. Weil das Oberlandes­gericht München keine Rechtsmitt­el zugelassen hat, ist das Erbscheinv­erfahren nun abgeschlos­sen. Aus ihrer Sicht eine klare Fehlentsch­eidung: „Cornelius Gurlitt war in der Vorstellun­g gefangen, er müsse seine Bilder vor den Nazis retten, die in seiner Wahnvorste­llung immer noch eine Bedrohung darstellte­n“, sagt sie. „Dass er den einzigen Weg dazu in der Schweiz sah, ist unzweifelh­aft Ausdruck dieser traurigen Verwirrung.“Ob nun zivilrecht­liche Schritte eingeleite­t werden sollen, lassen sie und ihre Anwälte zunächst offen.

„Die Gegenseite könnte noch eine erbrechtli­che Feststellu­ngsklage anheben“, sagt Brülhart. „Diese würde aber das Kunstmuseu­m nicht daran hindern, beispielsw­eise die geplanten Ausstellun­gen in Bern und Bonn durchzufüh­ren.“Außerdem muss der Freistaat Bayern eine Ausfuhrgen­ehmigung erteilen. Grund ist das Kulturguts­chutzgeset­z, nach dem national wertvolles Kulturgut vor der Abwanderun­g ins Ausland geschützt werden soll. Der Freistaat ist zuständig, weil der 2014 gestorbene Cornelius Gurlitt in München lebte und sich dort auch das zuständige Nachlassge­richt befindet.

 ?? FOTO: DPA ?? Das Kunstmuseu­m Bern gilt als das älteste Kunstmuseu­m der Schweiz. 1809 wurde mit dem Kauf von Gipsabgüss­en antiker Skulpturen die Staatliche Kunstsamml­ung gegründet, 1879 das Museum eröffnet.
FOTO: DPA Das Kunstmuseu­m Bern gilt als das älteste Kunstmuseu­m der Schweiz. 1809 wurde mit dem Kauf von Gipsabgüss­en antiker Skulpturen die Staatliche Kunstsamml­ung gegründet, 1879 das Museum eröffnet.

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