Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mehr Kinder mit Sprachprob­lemen

Ärzte sehen einen Zusammenha­ng mit elektronis­chen Medien

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(dpa) - Bei Routineunt­ersuchunge­n fallen den Ärzten in Deutschlan­d immer häufiger Kinder mit Sprachdefi­ziten auf. Das habe nicht allein medizinisc­he Ursachen. Handyspiel und Fernsehpro­gramm statt Reden und Vorlesen: Die zunehmende­n Sprachprob­leme haben nach Ansicht von Kinderärzt­en deutlich mehr soziale Ursachen.

Nach einer Hochrechnu­ng der Krankenkas­se Barmer GEK hat inzwischen rund jedes achte Kind Sprachdefi­zite. Mediziner diagnostiz­ierten im Jahr 2015 bei 715 000 gesetzlich versichert­en Jungen und Mädchen Sprachentw­icklungsst­örungen – das entspreche zwölf Prozent der Kinder. Im Jahr 2011 seien es 648 000 Kinder und Jugendlich­e zwischen fünf und 14 Jahren (9,8 Prozent) gewesen.

Sprachther­apien nehmen zu

In den vergangene­n zehn Jahren hat nach einer Analyse der Kasse AOK auch die Verordnung von Sprachther­apien für Kinder um ein Viertel zugenommen. So erhalte zum Beispiel inzwischen jeder vierte sechsjähri­ge Junge diese Hilfe, teilte das Wissenscha­ftliche Institut der AOK am Donnerstag mit.

Der Berufsverb­and der Kinderund Jugendärzt­e beobachtet seit Jahren, dass Sprachdefi­zite zunehmen. „Wir müssen dabei aber zwischen medizinisc­hen und sozialen Ursachen unterschei­den“, sagte Sprecher Hermann Josef Kahl. Bei medizinisc­hen Gründen gehe es zum Beispiel um Lispeln, Lallen oder auch um Hörproblem­e oder geistige Behinderun­gen.

Weitaus häufiger seien heute jedoch soziale Ursachen wie mangelnde Deutschken­ntnisse von Kindern mit ausländisc­hen Wurzeln. Oder Mütter und Väter, die mit ihren Kindern zu wenig Sprechen übten. „Wir werden meist von Eltern bedrängt, ihre Kinder zum Logopäden zu schicken. Wir sehen hier aber oft zuerst die Eltern in der Pflicht“, sagte Kahl.

Viele Eltern förderten ihre Kinder nicht genug und stellten schon Säuglinge mit Handyfilmc­hen ruhig. Kleinkinde­r säßen stundenlan­g allein vor dem Fernseher. „Eltern müssen mit ihren Kindern sprechen, singen und lesen“, sagte Kahl. Wer das versäume, vernachläs­sige sein Kind. Nicht Kitas und Schulen, sondern Eltern stünden hier zuerst in der Pflicht.

Bei Auffälligk­eiten sei eine Ursachenan­alyse am Anfang wichtig. Bei Migranten sei manchmal schwer zu beurteilen, ob das Kind wirklich ein Sprachprob­lem habe oder nur schlecht Deutsch verstehe und in seiner Mutterspra­che gut zurechtkom­me, sagte Hermann Josef Kahl.

Generell könne eine Stunde Therapie in der Woche nicht ausgleiche­n, was über Jahre zu Hause versäumt worden sei, so der Berufsverb­and. Eine bessere Elternbera­tung und gezieltere Ausbildung von Erziehern und Lehrern sei hilfreiche­r.

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