Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Schweden nehmen Oliver Roggisch mit auf eine Reise
Nachdreher zum Viertelfinale im DHB-Pokal: HBW Balingen-Weilstetten - Rhein-Neckar-Löwen
BALINGEN - Der Traum des Handball-Bundesligisten HBW BalingenWeilstetten ist aus. Der Traum, in diesem Jahr das Finalturnier der besten vier Mannschaften im Pokal des Deutschen Handball-Bundes (DHB) in Hamburg zu erreichen und damit den größten Erfolg in der Vereinsgeschichte zu feiern. Stattdessen zeigten die Löwen von Rhein und Neckar den „Galliern von der Alb“, wie sich die Balinger und Weilstettener selbst nennen, am Mittwochabend kurz mal die Krallen und die schwäbische Verwandtschaft von Asterix und Obelix trollte sich. 32:25 (17:10) hieß es am Ende für die Mannheimer, ein Ergebnis, mit dem der HBW noch ganz gut bedient war, konnte die Mannschaft von Trainer Rúnar Sigtrygsson wenigstens die zweite Halbzeit ausglichen gestalten.
Wolfgang Strobel sah es nach dem Spiel realistisch. „Ich glaube, wir haben am vergangenen Samstag und heute zwei komplett verschiedene Spiele gesehen“, verglich der HBWGeschäftsführer die Partien in der Liga am vergangenen Wochenende und das Pokal-Viertelfinale am Mittwoch. „Glückwunsch an die RheinNeckar-Löwen. Sie haben von Anfang an gezeigt, dass sie das Spiel gewinnen wollten. Das war wirklich eindrucksvoll“, fasste er die Leistung des Meisters zusammen. „Die Löwen haben von der ersten Minute an Vollgas gegeben. Wir hatten eigentlich keine Chance“, sagte Strobel, der selbst 14 Jahre für den HBW gespielt hatte, neun davon in der Bundesliga, bevor er im vergangenen Sommer seine Karriere beendete und auf den Posten des Geschäftsführers wechselte. Die Mannheimer dominierten die Partie von Beginn an, führten nach nicht einmal sechseinhalb Minuten mit 4:0 und hatten mehrere Fehler der Balinger genutzt: Zwei Fehlwürfe, ein verworfener Siebenmeter von
Yves Kunkel, der überraschend sein Comeback nach seiner Verletzung gab und ein Schrittfehler, der den Ballverlust vor dem Treffer zum 4:0 durch den überragenden Löwen-Regisseur Andy Schmid brachte. Es dauerte bis zu Minute 7:00, als Balingens rechter Rückraumspieler Lars
Friedrich erstmals den an diesem Abend überragenden Mikael Alf
Appelgren im Löwen-Tor überwand, als diesem der Ball zwischen den Beinen durchflutschte. Doch ansonsten trieb der 1,92-Meter-Hüne im Tor der Mannheimer die HBW-Spieler zur Verzweiflung. Insgesamt parierte Appelgren, 2014 und 2015 mit seinem Ex-Verein Melsungen bereits im Final Four des DHB-Pokals, alleine in der ersten Halbzeit acht Würfe der Balinger, hielt während der 60 Minuten insgesamt vier von sechs Siebenmetern - zweimal gegen Kunkel, zweimal gegen Jannik Hausmann - sodass auch Ex-HBW-Geschäftsführer Bernd Karrer, der auf den Stufen der Pressetribüne Platz genommen hatte, nur noch mit dem Kopf schüttelte. „Mit den vier Siebenmetern wären wir schon näher dran“, entfuhr es Karrer denn auch in der Halbzeitpause. In Halbzeit zwei konnte der HBW Balingen-Weilstetten die Partie einigermaßen ausgeglichen gestalten, auch weil die Löwen einige Spieler aus ihrem Starensemble schonten. Teammanager Oliver Roggisch: „Es war wichtig, dass wir auch unserer zweiten Garnitur eine Chance und Einsatzzeit gegeben haben.“Nun, zwischenzeitlich verkürzten die Balinger von neun Toren Rückstand, die der HBW über weite Strecken der zweiten Halbzeit durchs Spiel schleppte (10:19, 15:24, 18:27) auf sechs Tore beim Stand von 24:30, als den Balingern drei Tore hintereinander gelangen. Trotzdem: Nicht mehr als Kosmetik. Vor allem der schwedische Weltklassespieler Kim Ekdahl
du Rietz wollte nicht, dass seine Mannschaft Halbzeit zwei verlor und sorgte in der Endphase mit zwei seiner insgesamt sieben Treffer für den 32:25-Endstand aus Sicht der Löwen. Welch Jammer, dass der schwedische Rückraumspieler, der Psychologie studiert und fünf Sprachen spricht - trotz seiner erst 27 Jahre sich am Ende der Saison aus seinem bis 2018 laufenden Vertrag bei den Löwen herauskauft und mit seiner Freundin lieber auf Weltreise geht als weiter Profi-Handballer zu sein. Solche Überlegungen hegt Rúnar
Sigtrygsson, seit Sommer Trainer der Balinger Handballer, wohl eher nicht. „Es hätte sehr viel passieren müssen, dass wir den Löwen heute ein Spiel auf Augenhöhe liefern können. Aber wir haben in allen Mannschaftsteilen heute zu viele Fehler gemacht, lagen schnell mit sieben Toren zurück“, machte der sympathisch-ruhige Isländer deutlich, woran es seiner Meinung nach gelegen hatte. „Es hat irgendwie gar nichts gepasst. Die drei vergebenen Siebenmeter in Halbzeit eins passen ins Bild, statt phasenweise minus acht, hätten wir nur fünf Tore Rückstand gehabt.“Doch Balingen hakt das Spiel ab, warten doch schon am 17. (in
Leipzig), 21. (zu Hause gegen Stuttgart) und 26. Dezember (in Wetzlar) die nächsten Aufgaben in der Bundesliga, ehe die WM-Pause bis 5. Februar ansteht. Zufriedenheit strahlten dagegen die Mienen der Sieger aus. Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen und Co-Trainer und Manager Oliver Roggisch lachten, wohl auch, weil die beiden Verletzungen, die Alexander Petersson (Platzwunde am Kopf) und Gedeon Guardiola (Schwindelanfälle nach Zusammenprall) während des Spiels erlitten, sich als nicht so schlimm herausgestellt hatten. „Alexander musste in der Kabine genäht werden, Gedeon hat es ein bisschen die Kontaktlinse verschoben“, sagte Roggisch. „Wir sind mit der 5:1-Deckung der Balinger gut zurechtgekommen, es war ein klarerer Sieg als am vergangenen Wochenende, ich denke Mikael (Appelgren, d. Red.) hat heute mit den Unterschied ausgemacht“, lobte Jacobsen seinen Torwart. Oliver Roggisch dachte zu diesem Zeitpunkt schon ans Final Four. Als HBW-Pressesprecher Heinrich
Müller ihm zur „zehnten Teilnahme am Final Four“gratulierte, sagte der Weltmeister von 2007: „Die zehnte Teilnahme für die Löwen. Für mich ist es glaube ich das fünfzehnte Mal. Jetzt will ich das Ding endlich auch mal gewinnen.“