Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Holzstadion im grünen Wald
Wie der traditionsreiche Fußballclub Forest Green Rovers zum Ökovorbild wurde
- Adam John-Witchells Freundin reagierte misstrauisch. Immer wieder erhielt der Platzwart des englischen Fussball-Amateurclubs Forest Green Rovers mitten in der Nacht Alarmsignale auf seinem Mobiltelefon. John-Witchells Erklärung wirkte nicht sonderlich glaubwürdig: „Das ist mein Roboter.“Doch tatsächlich: Ins beschauliche Nailsworth (Grafschaft Gloucester) ist die große weite Welt eingezogen. Mit dem landesweit ersten energiesparenden Rasenmäh-Computer fand sich das gerade 5000 Zuschauer fassende Stadion plötzlich auf einer Ebene mit europäischen Spitzenclubs wie Bayern München wieder.
Die Sorge für die Umwelt wird bei den Rovers generell großgeschrieben: Auf den Rasen kommen statt Pestiziden Seetang und Spezialbakterien zum besseren Wachstum, sämtliches Wasser wird recycelt, das Flutlicht speist sich aus Ökostrom. Und während in den Stadien englischer Profivereine Zehntausende Burger und Hotdogs verzehrt werden, ist Fleisch in Nailsworth out. An der Pommesbude von Emma Franklin gibt es nur noch vegane Burger und Schokoladenkuchen ohne Eier und Butter. „Schmeckt super“, beteuert die Küchenchefin. Ein BBC-Reporter hingegen beobachtete kürzlich Skeptiker beim lustvollen Verzehr einer ins Stadion geschmuggelten Fleischpastete.
Der Chef war früher Hippie
Rovers-Chairman Dale Vince ist Spott gewohnt, in seiner Jugend reiste er für einige Zeit als Hippie und Öko-Protestler durch Europa. Ein kleines Windrad auf dem Dach seines Trucks sorgte für Elektrizität und inspirierte Vince zur Gründung von „Ecotricity“, laut Eigenwerbung der „weltweit ersten Ökostromfirma“. Mittlerweile versorgt das Unternehmen 150 000 Briten mit Strom – und hat den 55-Jährigen zum Millionär gemacht.
Zum Fussball kam er im August 2010. Die 1889 im Dorf Forest Green gegründeten Rovers darbten trotz des 2006 eingeweihten neuen Stadions, New Lawn (Neuer Rasen), in den letzten Jahren in den Niederungen der fünften Liga dahin. Ein Sponsor wurde gesucht, Dale Vince ließ sich nicht lang bitten, schliesslich hat „Ecotricity“seinen Sitz im nahen Städtchen Stroud. Seither haben sich die Rovers sportlich stabilisiert, derzeit liegen sie auf Platz drei der höchsten Amateurliga. Vor allem aber machten sie einen ökologischen Fortschritt nach dem anderen.
Der überzeugte Veganer Vince hat mit seinem Club auch für die Zukunft große Pläne. Die Ausschreibung für ein neues Stadion hat die Phantasie vieler Architekten angeregt; der Club erhielt 50 Entwürfe aus ganz Europa und den USA. Vergangenen Monat ging die weltberühmte Firma der im Frühjahr verstorbenen Zaha Hadid als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Er sei „begeistert vom Konzept und von der Art, wie das Büro Umweltkriterien in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit stellte“, schwärmt der Präsident.
Tatsächlich zeigt das Design die unverkennbare, sanft geschwungene Wellenform vieler anderer Entwürfe von Zaha Hadid, die unter anderem das Wolfsburger Wissenschaftsmuseum gebaut hat. Vor allem soll das kleine Stadion, dessen Kapazität auf 10 000 Zuschauer verdoppelt werden kann, beinahe ausschließlich aus Holz gebaut werden. „Drei Viertel der Emissionen eines Stadions entstehen beim Bau, und Holz hat als Baustoff eine unvergleichlich niedrige Belastung“, sagt Vince. Ganz ohne Zugeständnisse an die nicht immer ökologisch perfekten Verhältnisse geht es freilich auch bei Forest Green nicht ab. Das neue Stadion soll als Mittelpunkt eines rund 119 Millionen Euro teuren Sport- und Technikparks mitten ins Nichts gebaut werden. Statt wie bisher zu Fuß, werden die Fans erst einmal ins Auto steigen müssen, um zu den Heimspielen zu kommen: Die Anlage entsteht an der Autobahnausfahrt.