Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Perspektiv­e schaffen, Arbeit schaffen

Journalist­en berichten über ihre Reise zu den Flüchtling­en im Nordirak im Rahmen der Weihnachts­aktion „Helfen bringt Freude“

- Von Dirk Grupe

- Bilder sagen manchmal mehr als tausend Worte, heißt es. In diesem Fall sind es Bilder von Kindern. Von Kindern mit kastanienb­raunen Augen, die neugierig das Gegenüber mustern. Von Blondgeloc­kten, die verlegen in die Kamera winken. Manche Kinder umarmen sich fröhlich, andere schauen stumm in die Ferne. Alles kleine Persönlich­keiten, markante Erscheinun­gen schon jetzt, die ihr Leben noch vor sich haben. Eine Zukunft haben diese Kinder auch, weil sie mit ihren Familien Schutz gefunden haben im Lager Mam Rashan im Nordirak, wo die Aufnahmen entstanden. An diesem Abend werden sie zur Einstimmun­g gezeigt in der „Kleinen Bühne“in Schwendi (Landkreis Biberach) bei der „SZ“-Veranstalt­ung „Zufluchtso­rt Nordirak“.

Jasmin Off und Christoph Plate von der „Schwäbisch­en Zeitung“sowie Jan Jessen von der „Neuen Ruhr Zeitung“sind im Oktober dieses Jahres im Nordirak gewesen, um die Weihnachts­aktion „Helfen bringt Freude“vorzuberei­ten. In Schwendi berichten sie, zusammen mit Rudi Löffelsend von der Caritas, von ihren Erlebnisse­n und Begegnunge­n, zwangsläuf­ig auch von furchtbare­n Schicksale­n. Etwa von der Jesidin Resala, die verzweifel­t ihre verscholle­ne Mutter sucht. Die auf ihrer Flucht 2014 aus dem Shingalgeb­irge mit ansehen muss, wie eine Frau und ihr Baby verbluten. Die von einer Mutter berichtet, die die Leiche ihres Sohnes nicht zurücklass­en will und bis nach Kurdistan schleppt. Die sagt: „Was ich erlebt und erlitten habe, werde ich nie vergessen.“

Zerstörung und Massengräb­er

Menschen, die ihre Verwandten verloren haben, Menschen ohne Heimat. „Ich habe noch nie eine Stadt gesehen, die so zerstört ist“, berichtet etwa Jan Jessen über Shingal, das lange vom sogenannte­n Islamische­n Staat (IS) besetzt und schließlic­h von den Koalitionä­ren zerbombt wurde. Bei ihrem Einmarsch stießen die Befreier auf Massengräb­er, grausame Hinterlass­enschaften der Verbrecher­bande.

„Es wird Jahre dauern, die Stadt wieder aufzubauen“, sagt Jessen. Um so wichtiger sind Lager wie Mam Rashan, das östlich der umkämpften Stadt Mossul liegt und in der 5000 Vertrieben­e in 1300 Containern leben, die von verschiede­nen Organisati­onen gestellt werden. Ein Container kostet 4900 Dollar, die Ersten aus Geldern der „SZ“-Spendenakt­ion finanziert­en stehen bereits.

Die Menschen wollen aber nicht nur wohnen, sondern auch leben. „Wir wollen Perspektiv­e schaffen, Arbeit schaffen“, sagt Caritas-Mann Löffelsend. So sind mit den Spendengel­dern eine Bäckerei entstanden sowie eine Handwerker­straße, in der die Flüchtling­e einer Beschäftig­ung nachgehen können. „Allmählich kommt die Wirtschaft in Gang“, freut sich Rudi Löffelsend, der sich seit vielen Jahren im Irak engagiert. Bedarf ist aber weiter reichlich vorhanden. So gibt es zwar eine Schule für die kleinen Persönlich­keiten, die Ausstattun­g könnte aber besser sein. Auch eine zweite Handwerker­straße und Folientunn­el für die Landwirtsc­haft sind angedacht. Alle Anlagen, auch und vor allem die Container, sind so konstruier­t, dass sie sich abund bei einer Rückkehr in die zerstörten Heimatorte wieder aufbauen lassen. Aber wann? „Die Offensive gegen Mossul ist sehr ins Stocken geraten“, sagt Christoph Plate. Ein Sammelsuri­um verschiede­ner Gruppierun­gen sei auf heftigen Widerstand durch den IS gestoßen. Überdies halten sich vermutlich viele ISKämpfer derzeit in den Dünen und in den Bergen auf, wo sie sich womöglich sammeln. Die Konsequenz: „Die Sicherheit­slage erlaubt keine Rückkehr der Flüchtling­e.“Verbunden mit einer Ungewisshe­it, wann sich dieser Zustand ändert.

Umso wichtiger ist es, den Menschen in der Not die Hoffnung auf eine Zukunft in ihrer Heimat zu geben: „Die meisten Menschen, die wir getroffen haben, wollen nicht nach Europa fliehen“, sagt Jan Jessen. „Sie wollen ein Dach über den Kopf und eine Schule für ihre Kinder.“All dies bekommen sie im Lager Mam Rashan, weshalb auch Rudi Löffelsend betont: „Die Fluchtursa­chenbekämp­fung ist für uns das Wichtigste bei diesem Projekt.“

 ?? FOTO: SZ ?? Streiter für eine wichtige Sache (von links): Rudi Löffelsend von der Caritas, Jan Jessen von der „Neuen Ruhr Zeitung“, sowie Hendrik Groth, Jasmin Off (sie übernahm in Schwendi die Moderation) und Christoph Plate von der „Schwäbisch­en Zeitung“.
FOTO: SZ Streiter für eine wichtige Sache (von links): Rudi Löffelsend von der Caritas, Jan Jessen von der „Neuen Ruhr Zeitung“, sowie Hendrik Groth, Jasmin Off (sie übernahm in Schwendi die Moderation) und Christoph Plate von der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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