Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Keine Angst vor neuer Musik
Frank Dupree überzeugt mit vielseitigem Programm
- Im zarten Alter von 14 Jahren hat er ein Stück von Wolfgang Rihm dirigiert, als der renommierte deutsche Komponist hinter ihm in der ersten Reihe saß – Berührungsängste vor neuer Musik und berühmten Menschen hat der heute 25jährige Pianist Frank Dupree wohl keine. Mit brennender Begeisterung in Wort und Musik brachte er dem Publikum im Ravensburger Konzerthaus auch ein Werk von Rihm nahe, eingebunden in ein ebenso klug zusammengestelltes wie anspruchsvolles Programm mit Werken von Beethoven, Schumann und Berg.
Mit diesem Konzert startete das Ravensburger Kulturamt den Versuch, auch im Konzerthaus die intimere Form der Kammermusik anzubieten, die Künstler aber von der Bühne hinunter in den Saal zu holen: Der eiserne Vorhang ist heruntergefahren, der Orchestergraben dafür nach oben, der Flügel steht leicht erhöht im Zuschauerraum. Noch ist es nicht so wie auf den alten Darstellungen, als Chopin oder Liszt auf Tuchfühlung mit ihren Bewunderern am Flügel brillierten, aber etwas heimelige Salonatmosphäre kann da schon entstehen. Da können die Veranstalter noch ein wenig spielen.
Frank Dupree, der junge Pianist aus Rastatt, der in Karlsruhe studiert, schafft einen besonderen Rahmen mit der ersten und der letzten Sonate von Beethoven und platziert in der Mitte ein Variationenwerk des Meisters. In der Sonate von Alban Berg zeigt er den Übergang von der Spätromantik in die Neuzeit, in den Toccaten von Robert Schumann und Wolfgang Rihm kommt die enge Verbindung des Romantikers zum Zeitgenossen zum Tragen. All das präsentiert der bei aller Jugend bereits so erfahrene und vielseitige Künstler, der auch komponiert und dirigiert, auf erfreulich natürliche Weise. Da spürt man den jugendlich drängenden Aufschwung in Beethovens erster f-Moll-Sonate, aus der Zeit, da dieser sich in der Musikstadt Wien einen Namen machte. Im langsamen Satz darf die Melodie in großem Atembogen fließen, Akzente blitzen im Tanzsatz auf und das Finale ist klangvoll und schön ausbalanciert.
Aus einer Zeit des musikalischen Umbruchs zu Beginn des 20. Jahrhunderts stammt die Sonate op. 1 von Berg. Dupree breitet eine Vielzahl an Klangfarben aus, spürt den satten, vielschichtigen Klängen nach, bringt orchestrale Fülle, aber auch feine Beleuchtungswechsel. Und wie Beethoven aus einem einfachen, achttaktigen Thema ein Füllhorn der Figuren, der dynamischen Vielfalt, der Anschlagskapriolen macht, demonstriert der Pianist mit lustvoller Spielfreude.
Die ist auch zu hören in den beiden Toccaten von Schumann und Rihm: „toccare“beinhaltet sowohl das sanfte Berühren als auch das wiederholte, kräftige Anschlagen einer Taste. Duprees Schumann braust in hohem Tempo voll fiebriger Energie – schließlich hat der junge Mann auch einmal Schlagzeug gelernt! – bei Rihm kommt eine große Portion an pianistischer Virtuosität und musikantischem Humor hinzu: Zitate werden eingeworfen, manches wirkt wie Fratzen oder ein Kobold, launenhaft entsprechend dem Titel „Toccata capricciosa“.
Zuletzt Beethovens letzte Sonate op. 111: Dupree taucht ein in den brodelnden Sturm des ersten Satzes, spielt leidenschaftlich und feurig. Diese Energie trägt ihn auch im gemessen anhebenden Variationensatz, es schwingt und pulsiert, bricht aus in die so einzigartige jazzige Variation und hebt ab in eine spirituelle Ebene mit unendlichen Trillern und einem kraftvoll erdenden Basston. Dupree ist ein erstaunlicher Musiker, der schließlich sogar einen Bogen von Beethovens Himmelsmusik zu „Silent night“schlägt.