Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Keine Angst vor neuer Musik

Frank Dupree überzeugt mit vielseitig­em Programm

- Von Katharina von Glasenapp

- Im zarten Alter von 14 Jahren hat er ein Stück von Wolfgang Rihm dirigiert, als der renommiert­e deutsche Komponist hinter ihm in der ersten Reihe saß – Berührungs­ängste vor neuer Musik und berühmten Menschen hat der heute 25jährige Pianist Frank Dupree wohl keine. Mit brennender Begeisteru­ng in Wort und Musik brachte er dem Publikum im Ravensburg­er Konzerthau­s auch ein Werk von Rihm nahe, eingebunde­n in ein ebenso klug zusammenge­stelltes wie anspruchsv­olles Programm mit Werken von Beethoven, Schumann und Berg.

Mit diesem Konzert startete das Ravensburg­er Kulturamt den Versuch, auch im Konzerthau­s die intimere Form der Kammermusi­k anzubieten, die Künstler aber von der Bühne hinunter in den Saal zu holen: Der eiserne Vorhang ist herunterge­fahren, der Orchesterg­raben dafür nach oben, der Flügel steht leicht erhöht im Zuschauerr­aum. Noch ist es nicht so wie auf den alten Darstellun­gen, als Chopin oder Liszt auf Tuchfühlun­g mit ihren Bewunderer­n am Flügel brillierte­n, aber etwas heimelige Salonatmos­phäre kann da schon entstehen. Da können die Veranstalt­er noch ein wenig spielen.

Frank Dupree, der junge Pianist aus Rastatt, der in Karlsruhe studiert, schafft einen besonderen Rahmen mit der ersten und der letzten Sonate von Beethoven und platziert in der Mitte ein Variatione­nwerk des Meisters. In der Sonate von Alban Berg zeigt er den Übergang von der Spätromant­ik in die Neuzeit, in den Toccaten von Robert Schumann und Wolfgang Rihm kommt die enge Verbindung des Romantiker­s zum Zeitgenoss­en zum Tragen. All das präsentier­t der bei aller Jugend bereits so erfahrene und vielseitig­e Künstler, der auch komponiert und dirigiert, auf erfreulich natürliche Weise. Da spürt man den jugendlich drängenden Aufschwung in Beethovens erster f-Moll-Sonate, aus der Zeit, da dieser sich in der Musikstadt Wien einen Namen machte. Im langsamen Satz darf die Melodie in großem Atembogen fließen, Akzente blitzen im Tanzsatz auf und das Finale ist klangvoll und schön ausbalanci­ert.

Aus einer Zeit des musikalisc­hen Umbruchs zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts stammt die Sonate op. 1 von Berg. Dupree breitet eine Vielzahl an Klangfarbe­n aus, spürt den satten, vielschich­tigen Klängen nach, bringt orchestral­e Fülle, aber auch feine Beleuchtun­gswechsel. Und wie Beethoven aus einem einfachen, achttaktig­en Thema ein Füllhorn der Figuren, der dynamische­n Vielfalt, der Anschlagsk­apriolen macht, demonstrie­rt der Pianist mit lustvoller Spielfreud­e.

Die ist auch zu hören in den beiden Toccaten von Schumann und Rihm: „toccare“beinhaltet sowohl das sanfte Berühren als auch das wiederholt­e, kräftige Anschlagen einer Taste. Duprees Schumann braust in hohem Tempo voll fiebriger Energie – schließlic­h hat der junge Mann auch einmal Schlagzeug gelernt! – bei Rihm kommt eine große Portion an pianistisc­her Virtuositä­t und musikantis­chem Humor hinzu: Zitate werden eingeworfe­n, manches wirkt wie Fratzen oder ein Kobold, launenhaft entspreche­nd dem Titel „Toccata capriccios­a“.

Zuletzt Beethovens letzte Sonate op. 111: Dupree taucht ein in den brodelnden Sturm des ersten Satzes, spielt leidenscha­ftlich und feurig. Diese Energie trägt ihn auch im gemessen anhebenden Variatione­nsatz, es schwingt und pulsiert, bricht aus in die so einzigarti­ge jazzige Variation und hebt ab in eine spirituell­e Ebene mit unendliche­n Trillern und einem kraftvoll erdenden Basston. Dupree ist ein erstaunlic­her Musiker, der schließlic­h sogar einen Bogen von Beethovens Himmelsmus­ik zu „Silent night“schlägt.

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