Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Frauenleben in Neapel
In Italien sind diese Bücher Kult: „Meine geniale Freundin“ist der erste Teil einer vierbändigen Saga um die Freundinnen Lila und Elena im Neapel der Nachkriegszeit, die nun auf Deutsch erschienen ist. Dem unheimlichen Sog dieses Romans kann man sich kaum entziehen. Die Autorin Elena Ferrante erzählt italienische Geschichte aus weiblicher Sicht. Männer haben durchaus ihren Platz – in Nebenrollen.
Im Zentrum stehen die beiden Frauen, die um Unabhängigkeit und Gleichberechtigung kämpfen. Ihr Alltag in Rione, einer Armensiedlung von Neapel, ist grau, düster. Unbarmherzig bekämpfen sich Väter, Mütter, Kinder, Nachbarn. Sie bewerfen sich mit Steinen, prügeln sich, fluchen und schreien. Lila und Elena wollen der Enge, der Armut, der Brutalität entkommen: Die beflissene Elena, in dem sie die höhere Schule besucht und bis in die Nacht paukt. Die begabte Lila, indem sie mit 16 den geschäftstüchtigen Lebensmittelhändler des Viertels heiratet. Doch nur eine von ihnen wird es am Ende schaffen. Geschickt verwebt die italienische Autorin, die ihre Identität nicht preisgeben will, die persönlichen Erlebnisse der Freundinnen mit historischen Ereignissen in Italien.
Die Hörbuchversion von knapp zwölf Stunden hat die Schauspielerin Eva Mattes eingespielt. Anfangs ist ihre Stimme, wenn sie aus der Sicht von Elena erzählt, sehr monoton. Doch sobald weitere Personen mit ins Spiel kommen, gewinnt ihr Vortrag an Lebendigkeit.
Trotz aller Spannung hat der erste Band über Kindheit und Jugend in Neapel aber auch gewisse Längen. Bis ins kleinste Detail hinein wird beschrieben, was die beiden Mädchen bewegt, was sie erleben. Männer wird das vielleicht langweilen. Deshalb ist „Meine geniale Freundin“vor allem ein perfektes Geschenk für Frauen, die nostalgische Wälzer lieben.