Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Vereine als Hort der Sittlichkeit
Die Jahresgabe des Altertumsvereins beschäftigt sich mit Vereinen im 19. Jahrhundert
(uno/ag) - Die rund 800 Mitglieder des Riedlinger Altertumsvereins haben wieder besondere Post erhalten: Ein Kalender als Jahresgabe für die Mitgliedschaft. Der macht Appetit auf das diesjährige Thema die Wechselausstellung 2017 im Museum Schöne Stiege. Es geht um Vereine aus dem 19. Jahrhundert, die auch heute noch fortbestehen.
Von der Stadtmusik im Januar bis zum Liederkranz im Dezember. Die monatlichen Kalenderblätter verraten schon viel über die Historie von Vereinen, die auch heute noch lebendig sind. Neben den bereits genannten beschäftigt sich die Schützengilde, die Feuerwehr, die Bürgerwehr, der Turn- und Sportverein und der Liederkranz. Der Kalender, der vom Vorsitzenden Winfried Aßfalg konzipiert und gestaltet wurde, gibt einen Überblick über die Riedlinger Vereine und deren Historie.
Ihre Wurzeln gehen zurück zum Teil auf demokratisches oder auch weniger demokratisches Gedankengut. So ist etwa die Geschichte des Riedlinger Turn- und Sportvereins eng verbunden mit dem Geschehen der Revolution von 1848/1849. In ihren Statuten bekannten sich die Turner zu „demokratischen Prinzipien der neuen Reformbewegung“. Damit waren die Strömungen des Demokratischen Vereins gemeint, die als „Revolutionäre Bedrohung“gewertet und von der Königlichen Regierung zunächst schärfstens verfolgt wurden. Die Riedlinger Turngemeinde entwickelte bis 1849 zunächst ein reges Vereinsleben, aber wegen Prozessen gegen Turner als Revolutionsteilnehmer kam dieses wieder zum Erliegen. Der Verein löste sich vermutlich 1851 auf und wurde erst 1861 wieder gegründet.
So hat jeder Verein seine eigene Geschichte, die in den Kalenderblättern in Wort und Bild dargstellt wurde. Grundsätzlcih war das 19. Jahrhundert ein Zeitabschnitt, in dem die Vereine zum Blühen kamen. Viele waren Jahre später schon wieder Geschichte, doch einige prägen noch immer das gesellschaftliche Leben Riedlingens. „Es ist schon eine Leistung innerhalb einer Gesellschaft, wenn sich Gemeinschaften zum Teil weit über 150 Jahre erhalten haben und noch immer aktiv in das Leben der Bevölkerung hineinwirken. Vereinsgründungen wurden als gesellschaftliche Notwendigkeit angesehen und propagiert“, schreibt Aßfalg in seinem Vorwort. In der Riedlinger Zeitung, der Vorläuferin der Schwäbischen Zeitung, wurde 1868 berichtet, dass „auf dem Lande durch junge Leute leider so häufig die furchtbarsten Rohheiten verübt werden, gegenüber den Städten, wo doch weit mehr Jünglinge, eingeborne und fremde zusammen, leben, und wo doch gewiß die Veranlassungen zu Streitigkeiten mehr und naheliegender sind. Bei näherer Betrachtung findet man jedoch bald, daß neben der bessern Erziehung und Bildung in den Städten das Vereinswesen daselbst ein großer Hebel für Ordnung und anständiges Betragen bildet, - denn sei es ein Gesang-, Gesellenoder Turn-Verein, bei allen steht an der Stirne der Statuten: Ordnung und Sittlichkeit. So fühlten sich einige wenige Männer der damaligen Gesellschaft, durchaus auch sogenannte Honoratioren, aus verschiedensten Beweggründen berufen, auf mehreren gesellschaftlichen Ebenen aktiv zu werden und Vereinsgründungen vorzunehmen.