Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hollywood-Legende
Der Hollywood-Regisseur Steven Spielberg wird 70
Steven Spielberg, der König des PopcornKinos, wird 70.
Robopocalypse, die Eroberung Mexicos, Indiana Jones und die Geschichte eines jüdischen Jungen aus dem Bologna des 19. Jahrhunderts – Steven Spielbergs nächste Projekte repräsentieren sehr gut die Säulen seines Werks: Fakten und Fiktion, das Mythologische und das Politische, jüdisches Erbe und Identität. Das Ganze verbunden mit dem liberalen, idealistischen, weltoffenen Traditionsstrang Amerikas sowie einer gehörigen Portion Eskapismus.
Steven Spielberg ist ein Tausendsassa: Sage und schreibe 17 „upcoming projects“, also Filme in Vorbereitung oder bereits in Produktion, listet eine verlässliche Datenbank im Internet auf, darunter fünf bei denen er selber Regie führt – bis 2019!
Gegen die Langeweile kämpfen
Geboren am 18. Dezember 1946 in Cincinnati, Ohio, wuchs Spielberg in New Jersey und Arizona auf. „Die 1960er-Jahre waren für mich überhaupt keine verrückte Zeit, sondern das Langweiligste, was man sich vorstellen kann“, erinnerte er sich später. Ein überraschendes Geständnis für einen, der bald nach der Schule als junger Hippie im New-HollywoodUmfeld der frühen 1970er-Jahre begann. „Um ganz ehrlich zu sein, glaube ich, dass meine ganze Karriere ausschließlich dieser gähnenden Langeweile entsprungen ist.“
Am Anfang dieser Karriere war der leere Raum. Die Sprachlosigkeit zwischen dem Anhalterpärchen in seinem Erstlingsfilm „Amblin“, der unmotivierte Schock durch das Böse in Form des unsichtbaren Verfolgers, der in „Duell“einfach da ist. Dieser Film bedeutete 1971 den Durchbruch. Der nächste Film wurde ein Welterfolg: „Der Weiße Hai“. Auch da gab es zwischen den Jägern auf dem Boot diesen leeren Raum.
Vielleicht hat Spielberg diesen leeren Raum später zu oft gefüllt, um ein wirklich großer Regisseur zu werden. Ein ganz wichtiger aber ist er allemal. Denn die Geschichte des US-Kinos der vergangenen 40 Jahre ist nicht zuletzt eine Geschichte seiner Filme. In Spielbergs Werk spiegelt sich die Entwicklung des Films – mit all seinen Stärken und all seinen Schwächen. Immer nahe dran am Zeitgeist, bestimmt Spielberg Diskussionen, beeinflusst Kollegen, prägt mit seinen Firmen die Produktionsbedingungen.
Doch obwohl man ihm eine eigene Handschrift zugestehen muss, hat Spielberg doch kein Werk geschaffen, das einen ähnlich künstlerischen Anspruch erheben könnte wie etwa die Arbeiten von Scorsese oder Coppola – von einem Stanley Kubrick ganz zu schweigen. Steven Spielberg ist kein Autorenfilmer, er repräsentiert vielmehr ein Antiautoren-Kino par excellence.
Darüber sollte man nicht vergessen, was Spielberg in den letzten 50 Jahren gedreht hat: vier „Indiana Jones“-Blockbuster, populäre Schmonzetten wie „E.T.“und „Die Farbe Lila“, Popcorn-Movies wie „Jurassic Parc“, aber auch tiefschürfend-geniale Seelenanalysen seiner amerikanischen Heimat wie „Sugarland Express“, abgründige Komödien wie „1941“, subtile Mythenspiele und anrührend-sensible Dramen wie „Das Reich der Sonne“und „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“.
Und dann ist da noch „Schindlers Liste“. Man muss ihn wegen seines Pathos nicht mögen. Aber man muss anerkennen, dass Spielberg hier das Kunststück gelang, das Thema der Shoa in einer Weise ins Kino zu bringen, die neue Zuschauerschichten erreichte, für die der Holocaust bis dahin ein weißer Fleck gewesen war.
Die Angst vor dem Bösen
Spielbergs Filme sind auch dort, wo sie am populärsten sind und naiv anmuten, moralische Dramen voller Engagement und Pathos. Immer wieder scheint in ihnen die jüdische Erfahrung durch. Nicht zufällig geht es häufig um das Leiden gesellschaftlicher Minderheiten oder Einzelner. Oft spielen die Arbeiten zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die bösen Aliens in „Krieg der Welten“tragen Züge des Faschismus.
Und schließlich erzählt Spielberg immer wieder von der Angst vor dem unmotivierten Bösen. Dem stellt der Regisseur Versöhnungsangebote und neue Mythologien entgegen, bettet jüdisch-humanistische Prophetien in den Mainstream ein. Spielbergs Filme suchen den Gerechten. Seine Welt ist kein zuckersüßes Paradies, sondern eine ewige Hölle, die dem Einzelnen immer wieder moralische Entscheidungen abfordert.