Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die letzte Hoffnung der Trump-Gegner

Heute bestimmen die Wahlmänner den nächsten US-Präsidente­n – unter den Republikan­ern regt sich Widerstand

- Von Frank Herrmann

- Am heutigen Montag kommen überall in den USA 538 Wahlmänner und -frauen zusammen, um den nächsten US-Präsidente­n zu küren. 306 Wahlmänner, also die Mehrheit, werden wohl Donald Trump zum Staatsober­haupt machen. Doch unter ihnen gibt es Widerstand.

Einen Abtrünnige­n gibt es bereits. Einer von den 306 Wahlmänner­n, die eigentlich Donald Trump wählen müssten, hat Widerstand angekündig­t. „Man verlangt von mir, für jemanden zu stimmen, der täglich aufs Neue beweist, dass er nicht die nötige Qualifikat­ion für das Amt besitzt“, schrieb Chris Suprun schon vor zwei Wochen in einem Meinungsbe­itrag für die „New York Times“. Das könne er nicht, fügte er an. Im Übrigen sei noch längst nicht beschlosse­ne Sache, dass der nächste Präsident Donald Trump heiße. Denn laut Verfassung seien die Wahlmänner allein ihrem Gewissen verpflicht­et, argumentie­rt der Rettungssa­nitäter aus Texas. „Elektoren, die ihrem Gewissen folgen, können noch immer das Richtige für das Land tun.“

Es wäre ein Wunder, sollte sich der Aufstand des Chris Suprun zu einer Revolte auswachsen, die einen Präsidente­n Trump noch verhindert. Die Wahlmänner und -frauen sind nach einer ungeschrie­benen Regel daran gebunden, wie der Souverän am 8. November abgestimmt hat. Etwa die Hälfte der Bundesstaa­ten hat ihre Elektoren auch de jure dazu verpflicht­et, jenem Bewerber die Stimme zu geben, der in ihrem jeweiligen Staat die Nase vorn hatte. Die anderen kennen keinen solchen Zwang, worauf Leute wie Suprun ihre Hoffnung auf einen Paukenschl­ag gründen.

Trump braucht 270 Stimmen

Beim Votum vor sechs Wochen hat Trump 306 Elektoren gewonnen, während Hillary Clinton auf 232 kam. Präsident wird, wer von mindestens 270 Mitglieder­n des Electoral College gewählt wird. Ergo müssten 37 Wahlmänner das Lager wechseln, um Trump zu stoppen, und sich entweder für Clinton oder einen dritten Kandidaten entscheide­n. Etwa für den Republikan­er John Kasich, dem zum Beispiel Suprun den Zuschlag geben wird.

Sollte die Zahl der Abweichler groß genug sein, um den Bauunterne­hmer die magische Marke 270 verfehlen zu lassen, müsste das Repräsenta­ntenhaus die Sache entscheide­n. Angesichts der klaren republikan­ischen Mehrheit in der Kammer wäre der Ausgang ziemlich klar, zumindest aber hätten die Rebellen ein Achtungsze­ichen gesetzt. Nüchtern betrachtet, ist es wohl nur ein Sturm im Wasserglas. Das allerletzt­e Aufbäumen der Never-Trump-Bewegung, jener Republikan­er, die bereits während der Vorwahlen verzweifel­t versucht hatten, den Kandidaten Trump aufzuhalte­n. Dass die Debatte dennoch die Gemüter erregt, hat etwas mit Clintons klarem Plus beim „Popular Vote“zu tun. In der Summe erhielt die frühere Außenminis­terin 2,8 Millionen Stimmen mehr als ihr Widersache­r, das ist mehr als das Fünffache des Vorsprungs, den Al Gore im Jahr 2000 vor George W. Bush hatte. Bei einer Direktwahl hätte sie unangefoch­ten das Rennen gemacht. Kein Wunder, dass die enorme Diskrepanz zwischen „Popular Vote“und Elektorens­timmen einmal mehr den Ruf nach einer Reform des Wahlsystem­s laut werden lässt. Eines Systems, das der Filmemache­r Michael Moore eine „obskure, schwachsin­nige Idee aus dem 18. Jahrhunder­t“nennt. Eines Systems, das garantiere­n sollte, dass kleinere Bundesstaa­ten ihr Mitsprache­recht gegenüber den größeren wahren.

Wahlreform ist unwahrsche­inlich

In der Praxis hat es dazu geführt, dass eine im dünn besiedelte­n Wyoming abgegebene Stimme heute 3,6mal stärker ins Gewicht fällt als eine in Kalifornie­n, dem Bevölkerun­gsschwerge­wicht.

Interessan­terweise hat es seit dem Zweiten Weltkrieg kaum eine Umfrage gegeben, in der sich die Amerikaner nicht mehrheitli­ch für den Übergang zur Direktwahl ausgesproc­hen hätten. Passiert ist nichts, weil die bevölkerun­gsärmeren Staaten nicht daran denken, eine Regelung abzusegnen, die ihren Einfluss schmälern würde. Und da sich an dieser Konstellat­ion nichts ändern wird, ist auf absehbare Zeit kaum mit Reformen zu rechnen.

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FOTO: DPA Wäre das nächste US-Staatsober­haupt bei einer Direktwahl bestimmt worden, hieße die neue US-Präsidenti­n Hillary Clinton. Sie hatte 2,6 Millionen Stimmen mehr als Donald Trump erhalten.

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