Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Dicke Luft
Umweltministerin will Verbote für Dieselautos ermöglichen – Union und Städtetag protestieren
- Fahrverbote im Kampf gegen hohe Stickstoffdioxid-Belastungen – jetzt startet Bundesumweltministerin Barbara Hendricks einen neuen Vorstoß. Die SPD-Politikerin will künftig allein die Kommunen entscheiden lassen und hat dazu nun eine Verordnung auf den Weg gebracht. „Mit diesem Vorschlag geben wir den Städten neue Möglichkeiten zum Schutz der Bürger an die Hand“, verteidigt Hendricks ihre Pläne. „Wir machen damit auch klar, dass es Sache der Städte und Kommunen ist, zu entscheiden, ob sie Maßnahmen ergreifen und wenn ja, welche.“Man folge dem Wunsch vieler Städte und aller Landesumweltminister, die auf diese Instrumente angewiesen seien, „um die Gesundheit ihrer Einwohner zu schützen“.
Kaum waren die Hendricks-Pläne bekannt, ging die Union auch schon auf Distanz. „Millionen Berufstätige sind tagtäglich auf ihr Auto angewiesen, Güter müssen von A nach B gebracht werden, und für Lieferanten, Handwerksbetriebe und andere Mittelständler ist das Auto Erwerbsgrundlage“, warnte Ulrich Lange (CSU), verkehrspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Ein „Verbotsflickenteppich“sei „der falsche Weg“.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wollte sich am Sonntag auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht zum Vorstoß seiner Kabinettskollegin äußern. Aus seinem Ministerium hieß es jedoch, die Kommunen hätten bereits jetzt die Möglichkeit, Einfahr-Verbote für Diesel-Kraftfahrzeuge zu erlassen. Frühere Überlegungen der Umweltministerin für eine blaue Plakette für besonders schadstoffarme Auto hatte Dobrindt abgelehnt.
Drei Optionen für die Kommunen
Die Umweltministerin verweist auf die Gesundheitsgefahren durch Stickstoffdioxid, das zu Atemwegsreizungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Im Jahr 2015 sei der zulässige Grenzwert an 60 Prozent der Luftmessstellen in Ballungsgebieten überschritten worden. Nach dem von ihr vorgelegten Entwurf, der jetzt mit dem Bundesverkehrsministerium abgestimmt werden soll, hätten die Kommunen künftig drei Instrumente, um Fahrverbote zu erlassen. Option 1 wäre, Fahrzeugen mit einem geraden oder einem ungeraden Nummernschild zeitweise die Einfahrt zu verbieten. Die zweite Möglichkeit ist, nach Dieselund Benzin-Fahrzeugen zu differenzieren. Die dritte Möglichkeit soll ein System mit zusätzlichen Umweltplaketten sein. Welche Maßnahmen genutzt und ob sie womöglich kombiniert werden – darüber hätten die Kommunen in Eigenregie zu entscheiden.
Neu ist: Die Umweltministerin nimmt erstmals Abstand von der Idee der „blauen Plakette“, schlägt jetzt für Benziner der Abgasstufen Euro 1 und Euro 2 sowie Dieselfahrzeuge mit Euro 6 eine graue Plakette vor. Zudem würden Elektroautos sowie Diesel- und Benzin-Pkw mit besonders niedrigen StickstoffdioxidWerten eine weiße Plakette erhalten. Der Vorschlag sieht zudem Ausnahmeregelungen für Anwohner sowie für Lieferwagen, Handwerker und Baufahrzeuge vor.
Aus Sicht der Kommunen geht die Debatte dennoch in eine falsche Richtung. „Die Städte sind nicht die Verursacher der Schadstoffe, und wir wollen den Verkehr in den Städten nicht lahm legen“, erklärte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Fahrverbote müssen also begrenzt bleiben und können nur eine Notlösung sein, um die Gesundheit der Menschen besser zu schützen.“Die Vorschläge des Bundesumweltministeriums seien grundsätzlich sinnvoll, um für einen Teil der Fahrzeuge oder bestimmte Straßen Fahrverbote erlassen zu können. „Lösen kann das Problem zu hoher Schadstoffmengen aber nur die Automobilindustrie – durch sauberere Motoren. Hier muss endlich schneller gehandelt werden. Denn sogar Diesel-PKW mit der neuesten Norm Euro 6 stoßen zu viele Stickoxide aus.“