Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hetzer kennen keine Stille
Das Gefühl aus Hilflosigkeit, Trauer und auch Wut ist kaum in Worte zu fassen. Nach den vielen Toten in Berlin müsste eher Sprachlosigkeit, Mitgefühl und Beileid vorherrschen. Doch in den sozialen Netzwerken überschlagen sich die Meinungsäußerungen, gepaart mit Polemik und Hass.
Ganz vorne ist die AfD, die vorgibt, die Hintergründe zu wissen und die die Opfer schamlos für ihre Propaganda missbraucht. Stille kennen diese Hetzer nicht. Kurz nach dem Unfall, dem Amoklauf oder dem geplanten Anschlag ist seriös kaum zu erklären, was auf dem Breitscheidplatz unweit der Gedächtniskirche geschehen ist. Die Hintergründe und Ursachen sind komplett unklar, und doch hindert diese Tatsache manche Fernsehsender nicht daran, sensationsheischend auf Quotenjagd zu gehen.
Unbestätigte Behauptungen und Spekulationen werden zu Fakten aufgebläht. Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein Attentat gehandelt hat. Ein Sattelschlepper gerät in einer Innenstadt nicht so einfach außer Kontrolle. Auch die ersten Informationen aus Polen sind unterschiedlich. Zum einen soll der Lastwagen in Stettin ausgeliehen worden sein, zum anderen soll der polnische Transportunternehmer schon am frühen Nachmittag den Kontakt zum Fahrer verloren haben. Sofort denkt man an das Massaker von Nizza im Juli dieses Jahres, bei dem 84 Menschen getötet wurden.
Mutlosigkeit bricht sich ihren Weg und die klare Erkenntnis, dass die Polizei ihre Arbeit machen muss, bevor man sich selber die Dinge zusammenreimt. Da hilft es auch wenig, zum wiederholten Male hören zu müssen, dass Deutschland bei Terroranschlägen bislang glimpflich davon gekommen sei. Das Auflisten von Attentaten bringt gar nichts. Ja, der russische Botschafter in Ankara wurde ermordet. Ja, die Gewalt in der Türkei, wie in Syrien oder dem Jemen, ist herzzerreißend. Das macht aber den Schmerz für die Angehörigen in Berlin nicht kleiner. Die Gedanken sind bei den Opfern, deren Familien, den Verletzten, den Helfern und der Polizei.