Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kriminalbeamte warnen vor Lücken
Bis zu 50 Prozent des Personals gehen in den kommenden fünf Jahren in Rente
- Um besser gegen Islamisten gerüstet zu sein, hat das Land Baden-Württemberg seit Anfang 2015 drei Anti-Terror-Pakete geschnürt. Die gute Nachricht: Ein Großteil der neu geschaffenen Stellen ist besetzt. Die schlechte: Kritiker befürchten, dass an anderen Stellen Lücken entstehen.
„Wir stehen in den kommenden drei bis vier Jahren vor einem Engpass“, sagte Manfred Klumpp, Landesvorsitzender des Bundes der Kriminalbeamten (BDK) am Montag der „Schwäbischen Zeitung“. Dazu kommt es auch, weil nach BDK-Angaben in den kommenden fünf Jahren zwischen 30 und 50 Prozent der Kriminalbeamten in den Ruhestand gehen.
Stellen gut zu besetzen
Nach den Anschlägen auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“im Januar 2015 hatte der damalige Innenminister Reinhold Gall (SPD) ein erstes, 27 Millionen Euro teures Paket geschnürt. Nach weiteren Attacken in Paris Ende 2015 legte er nach, der Landtag verabschiedete umfangreiche Maßnahmen. Unter anderem entstanden 150 neue Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz im Land. Davon sind mittlerweile 143 besetzt, die übrigen sollen laut Innenministerium „zeitnah“folgen.
Während kürzlich bekannt wurde, dass das Bundeskriminalamt offenbar erhebliche Probleme hat, geeignete Experten zu finden, sieht man in Stuttgart keine Schwierigkeiten – weder beim Landeskriminalamt (LKA) noch an anderer Stelle. „Insbesondere bei Absolventen der Hochschulen für öffentliche Verwaltung besteht derzeit großes Interesse an einer Mitarbeit im Landesamt für Verfassungsschutz“, erläutert Ministeriumssprecher Renato Gigliotti. Derzeit seien dort lediglich sieben Stellen frei, fünf weitere würden demnächst ausgeschrieben. Im LKA mit seinen 1100 Mitarbeitern seien ebenfalls nur Stellen „im niedrigen zweistelligen Bereich“unbesetzt.
Der amtierende CDU-Innenminister Thomas Strobl hatte kurz nach Amtsantritt weitere Maßnahmen gegen die wachsende Terrorgefahr angekündigt. Anlass waren die ersten Anschläge von islamistisch motivierten Täter auf deutschem Boden in Würzburg und Ansbach. 30 neue Stellen vor allem für IT- und Islamismusexperten kündigte Strobl an. Außerdem versprach er, 90 Beamte innerhalb der Polizei zu versetzen, um die Islamismus-Bekämpfung zu stärken. Dies sei bei den regionalen Polizeipräsidien bereits passiert, das LKA bekommt im Januar die entsprechende Verstärkung.
Genau hier setzt die Kritik des BDK an. „Wo immer man Ermittler umsetzt, entstehen Lücken an anderen Stellen“, sagt Verbandschef Klumpp. Auch andere Experten warnen davor, zugunsten der Islamismus-Bekämpfung andere Bereiche zu schwächen. Einer von ihnen ist der Kriminologe Thomas Grumke. Er hält die Gefahr durch Rechtsextreme weiterhin für unterschätzt und bemängelt, dass sich aufgrund ständiger Versetzungen in Landeskriminalämtern und beim Verfassungsschutz Mitarbeiter zu wenig Expertise für ein Fachgebiet aneignen könnten.
Zu viele Sparrunden
Der Kriminalbeamte Klumpp sieht die Polizei im Land zwar auf einem guten Weg. „Es hat sich etwas bewegt in den vergangenen Jahren.“Er wirft den Verantwortlichen aber vor, viel zu spät reagiert zu haben – nach jahrelangen Sparrunden und erst, als sich die Sicherheitslage verschärfte. „Wir brauchen endlich eine Verstetigung der Planungen. Das gilt für das Personal ebenso wie für die Ausrüstung.“Das sei sinnvoller, als alle fünf Jahre teure Sonderprogramme zu verabschieden.
Ein weiteres Problem ist laut Klumpp die Tatsache, dass viele der neuen Ermittler im LKA sich von anderen Stellen aus dorthin beworben haben. Damit entstünden in anderen Präsidien im Land Lücken – die nicht so leicht zu schließen seien. „Wir müssen die neuen Kollegen im normalen Polizeidienst ja erst einmal ausbilden. Das dauert drei bis vier Jahre“, erläutert Klumpp. Denn ausgebildete Polizisten gibt es auf dem Arbeitsmarkt nicht – auch deshalb mahnen Klumpp und andere Gewerkschaftsvertreter immer wieder an, nicht zu viele Stellen abzubauen. Kurzfristige Aufstockungen sind bei der Polizei schwierig und wirken erst mit Verzögerung.