Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ausfall auf ganzer Linie
Seit Wochen kommt es im Regionalverkehr zu massiven Verspätungen – Bahn gelobt Besserung auch für die Strecke Lindau-Ulm
- Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat ein persönliches Frühwarnsystem: Bleiben bei der morgendlichen Lagebesprechung im Verkehrsministerium Stühle leer, wartet das Personal oft noch am Bahnsteig. Und zwar auf ihren Zug, der wieder mal unpünktlich oder gar nicht kommt. Seit Herbst schrillten die Alarmglocken im Hermannschen Frühwarnsystem ständig. Denn die Deutsche Bahn hat die Geduld Zehntausender Pendler im Regionalverkehr noch mehr strapaziert als sonst.
Vor allem auf Strecken im Raum Stuttgart kam es übermäßig häufig zu Zugausfällen und Verspätungen. Auch viele Fahrgäste der Süd- und der Gäubahn mussten lange Wartezeiten in Kauf nehmen. In einer Pressekonferenz am Montag hat der Minister die Bahn nochmals aufgefordert, die gravierenden Mängel so schnell wie möglich zu beseitigen.
Zu keinem anderen Thema wird Hermann zurzeit häufiger persönlich angesprochen. Täglich bekommt der grüne Politiker Briefe und EMails zugeschickt, in denen Betroffene klagen. Sie berichten etwa von verdreckten, überfüllten Waggons und fehlenden Informationen. Dass die Klagen nicht haltlos sind, zeigt eine Statistik von Land und Bahn.
87 Züge ausgefallen
Danach sind allein in der vergangenen Woche 87 Züge auf Teilstrecken und 78 Züge komplett ausgefallen. Das sind rund 1,5 Prozent aller Verbindungen im Regionalverkehr. Die Bahn will die Ausfallquote unter ein Prozent drücken. Auch bei der Pünktlichkeit hapert es teils gewaltig – für Hermann eine „unzumutbare“Situation. Auf manchen Strecken wie der Südbahn, der Frankenbahn zwischen Stuttgart und Würzburg sowie der Remsbahn zwischen Stuttgart und Donauwörth sind bis zu 20 Prozent aller Züge verspätet gefahren. Dabei gelten sie erst dann als unpünktlich, wenn sie mehr als sechs Minuten länger brauchen.
Bis September hatte die Deutsche Bahn das Regionalnetz zumeist allein betrieben. Im Rahmen des neuen Verkehrsvertrags übernehmen ab 2019 die privaten Anbieter Abellio und Go-Ahead einzelne Strecken. Weil der alte Kontrakt aber bereits dieses Jahr endet, hat die Bahn einen Übergangsvertrag mit dem Land Baden-Württemberg geschlossen. Darin verpflichtet sie sich, bis zum Einstieg der privaten Betreiber weiterhin ihre Qualitätsstandards zu gewährleisten. Davon kann angesichts der Probleme nicht die Rede sein. „Wir haben nicht das gebracht, was wir uns selber vorstellen“, räumt DBRegionalchef David Weltzien ein.
Bahn spricht von Fahrzeugschäden
Schon vor vier Wochen hatte sich ein Team aus Bahnmanagern und Ministerialbeamten daran gemacht, etliche Probleme zu lösen. Vertreter der Bahn mussten wöchentlich zum Rapport ins Ministerium. Bisher hat sich die Lage nur leicht entspannt. „Einem so großen und erfahrenen Unternehmen darf so etwas nicht passieren“, beklagte Hermann. Das Land müsse darauf bestehen, dass die versprochenen Leistungen auch eingehalten werden. Weil dies nicht passiere, solle die Bahn nun erstmals eine Strafe zwischen fünf und sieben Millionen Euro zahlen. Die Bahn führt die Behinderungen im betrieblichen Ablauf auf einen unerwartet hohen Krankenstand beim Personal und Fahrzeugschäden zurück. Auch, dass sie in kurzer Zeit zwei Fahrplanwechsel zu bewältigen hatte, habe sich negativ ausgewirkt. „Jeder Fahrplanwechsel bringt Unruhe ins System, da sich Abläufe erst einspielen müssen“, sagt Weltzien. Der letzte Wechsel am 11. Dezember habe aber bereits relativ reibungslos funktioniert.
Laut Hermann arbeiten die Mitarbeiter unter hohem Druck daran, die Missstände zeitnah abzustellen. In den nächsten Monaten sollen „zahlreiche moderne Fahrzeuge aus anderen Regionen Deutschlands“eingesetzt werden – nachdem sie ausgiebig getestet wurden. Denn Bahntöchter aus anderen Bundesländern stellten bislang oft defekte Waggons und Loks zur Verfügung. Deshalb verstärken rund 20 Mitarbeiter aus ganz Deutschland die Werkstätten im Land. Es wird Sonderschichten zum Jahreswechsel geben, außerdem sollen mehr Lokführer in Bereitschaft sein.
Bei den durch Verspätungen besonders betroffenen Fahrgästen der Rems- und Frankenbahn entschuldigte sich die Deutsche Bahn bereits mit einer Gutscheinaktion.