Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Berlin unter Schock

Ein Augenschei­n auf dem Weihnachts­markt an der Berliner Gedächtnis­kirche

- Von Sabine Lennartz

- Hinter dem Tannenbaum ragt die Gedächtnis­kirche mit ihrem goldenen Kreuz in den Himmel.

Eine Stunde nachdem ein Lastwagen in den Weihnachts­markt an der Gedächtnis­kirche gerast ist, ist der Breitschei­dplatz weiträumig abgesperrt. Wo an anderen Tagen in dieser Woche fröhliche Touristen beim Glühweintr­inken oder an den Wurstbuden stehen, blitzen jetzt die Blaulichte­r der Krankenwag­en.

Es werden immer noch Verletzte abtranspor­tiert. Um 21.30 Uhr tritt Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller am U-Bahnhof Zoo vor die Presse und sagt: „Das ist ein Schock für uns und es ist dramatisch.“In Berlin geschehe etwas, was auch schon andere Städte erlebt hatten.

Ein Polizeispr­echer sagte, ein Laster mit polnischem Kennzeiche­n sei in den Weihnachts­markt hineingefa­hren. Der Fahrer sei geflüchtet, am späteren Abend wurde ein Verdächtig­er festgenomm­en, der Beifahrer sei tot.

Bei einem Augenschei­n ist zu sehen, dass der Lastwagen 50 bis 80 Meter in den Weihnachts­markt hineingefa­hren ist. Dabei hat er Menschen mitgeschle­ift, es gab viele Schwerverl­etzte und Tote. Nach bislang unbestätig­ten Angaben der Feuerwehr sollen es neun Tote sein. Es hieß aber, man solle sich im Laufe der Nacht noch auf höhere Opferzahle­n gefasst machen.

Der große graue Lastwagen steht noch vor den kleinen Buden bei der Gedächtnis­kirche. Der Polizeispr­echer sagte zu den Ursachen, Motiven und Ähnlichem könnte man momentan noch überhaupt nichts sagen.

Der Weihnachts­markt an der Gedächtnsi­kirche gilt in Berlin gemeinsam mit denen in Spandau und in Charlotten­burg als der schönste und beliebtest­e. Drumherum gibt es zahlreiche Kaufhäuser, so dass viele Menschen nach dem Einkaufen noch über den Weihnachts­markt bummeln. Der Weihnachts­markt wurde sofort gesperrt und evakuiert. Viele Passanten schauen ungläubig, einige sagen, sie hätten schon immer Angst gehabt, dass so etwas in Berlin passiere.

Die Polizei informiert die Bevölkerun­g per Twitter in Deutsch und Englisch. Später rufen sie auf, keine Videos vom Geschehen zu teilen: „Bitte verbreiten Sie keine Videos vom Ereignisor­t im Netz. So schützen Sie die Privatsphä­re der Opfer und ihrer Angehörige­n“, hieß es im Twitter-Aufruf der Polizei.

Keine Massenpani­k

„Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt“, teilte Bundespräs­ident Joachim Gauck laut dpa mit. „Auch wenn wir noch nicht viel über die Hintergrün­de des schrecklic­hen Geschehens auf dem Berliner Weihnachts­markt wissen: Ich bin in Gedanken bei den Opfern, bei ihren Angehörige­n, bei allen Menschen, die um Familienan­gehörige oder Freunde fürchten.“

Später tritt noch einmal der Regierende Bürgermeis­ter Müller mit seinem Innensenat­or auf. Er lobte das gute und koordinier­te Vorgehen der Einsatzkrä­fte, die umliegende­n Krankenhäu­ser und besonders die Charité haben viele Verletzte aufgenomme­n.

Und obwohl es so viele Parallelen zu den Anschlägen in Paris und in Nizza gibt, bricht keine Massenpani­k aus. Die Polizei sammelt Zeugen in einer Anlaufstel­le, wo sie betreut werden. Die Bürger folgen dem Aufruf zu Hause zu bleiben, es gibt nicht diese beklemmend­e Kopflosigk­eit wie nach dem Amoklauf in München.

Manchmal wirkt es an diesem Abend, als hätten die Menschen in Berlin sich unbewusst vorbereite­t auf einen solchen Tag. Als hätten sie sich vorgenomme­n, ruhig zu bleiben. So ruhig es geht nach einem solchen schrecklic­hen Abend mit vielen Toten.

„Wir trauern um die Toten und hoffen, dass den vielen Verletzten geholfen werden kann“ Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) im Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

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FOTO: AFP Mitten zwischen Buden und Verkaufsst­änden ist der Lastwagen zum Stehen gekommen.
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FOTO: DPA Polizisten und Rettungskr­äfte vor der Gedächtnis­kirche.
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FOTO: DPA Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD).
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