Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sorgenfalt­en beim Thema Europa

EVP-Fraktionsc­hef Manfred Weber möchte Nation und Europäertu­m versöhnen

- Von Sabine Lennartz

- „Europa darf nicht nur mit dem Scheckbuch helfen“, sagt Manfred Weber. Der Chef der EVP-Fraktion im Europaparl­ament fordert angesichts der Tragödie von Aleppo, dass die EU ein humanitäre­s Zeichen setzen und zusätzlich 20 000 besonders traumatisi­erte Menschen aus Syrien nach Europa holen soll. Nach einem turbulente­n EU-Jahr und vor großen Herausford­erungen im nächsten Jahr zog der CSU-Politiker am Montag in Berlin Bilanz.

„Ein Stück weit zu wenig Führung“und zu viel innenpolit­ische Beschäftig­ung hat Weber beim letzten EU-Gipfel in Brüssel erkannt. Der EVP-Fraktionsc­hef sieht einzig die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als starke Führungskr­aft Europas. Er mag sich nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn sie nicht da wäre. Seine CSU werde deshalb Merkels Kanzlersch­aft voll unterstütz­en, verspricht Weber.

Gemeinsame­s Wahlprogra­mm

Den Streit zwischen Merkel und Seehofer um die Obergrenze für Flüchtling­e spielt er herunter: „Obergrenze heißt nicht Abriegeln.“Und im übrigen gebe es ja noch ein eigenes Wahlprogra­mm der CSU.

Hinter den Kulissen heißt es in Berlin, dass CSU und CSU sich Anfang Februar auf ein gemeinsame­s Wahlprogra­mm einigen werden, das die Obergrenze nicht enthält. Dass aber dabei die CSU die Obergrenze in ihren Bayernplan, das eigene Wahlprogra­mm für Bayern, dennoch schreiben wird.

Dass die EU derzeit in einem schlechten Zustand ist, dafür macht Weber auch die Rechts- und Linkspopul­isten verantwort­lich, die Europa als Feindbild nutzen. Für seine Fraktion, die Europäisch­e Volksparte­i, sei klar, dass man nichts tabuisiere­n dürfe, aber auch nicht die Sprache von Radikalen nutzen sollte. „Die Grundsatzf­rage ist, ob wir es schaffen, die Nation mit dem Europäertu­m zu versöhnen.“Das habe sich die EVP zur Aufgabe gestellt. Weber meint, man müsse nur auf die Gründervät­er der EU schauen, die immer betont hätten, dass eine erfolgreic­he Politik nur in der europäisch­en Zusammenar­beit zu gewährleis­ten sei.

Zusammenar­beit vermisst Weber auch bei seinen sozialisti­schen Kollegen im EU-Parlament. Die EVP habe mit den Sozialiste­n eine Halbierung der Amtszeit von Martin Schulz als Parlaments­präsident und dann einen Nachfolger aus den Reihen der EVP vereinbart. Jetzt aber lehnen die Sozialiste­n den italienisc­hen Politiker Antonio Tajani (Forza Italia) als Nachfolger des SPD-Politikers Schulz ab und haben die Zusammenar­beit mit den Konservati­ven aufgekündi­gt. Weber hat dafür kein Verständni­s. „Wir haben unseren Teil beigetrage­n und Martin Schulz gewählt“, sagt er, deshalb sei es falsch, wenn die Sozialiste­n jetzt Tajani nicht mittrügen. Zumal Tajani durch und durch Europäer sei und für die Anliegen des Südens stehe.

Weber meint, dass alle Parteien es sich über Jahre hinaus zu einfach gemacht hätten, wenn sie Positives mitgenomme­n und für Negatives Europa verantwort­lich gemacht hätten. An Positivem zählt Weber zum Beispiel die europäisch­e Sicherheit­sagenda, die Visaregelu­ngen, das Anti-Terror-Paket und die etwas gesunkene Arbeitslos­enquote auf.

„Planlosigk­eit der Briten“

Negativ ist der Brexit, dem das Europäisch­e Parlament am Ende zustimmen muss. Bis jetzt „sehen wir schlichte Planlosigk­eit der Briten“, klagt Weber. Klar sei, dass es beim Brexit keine Rosinenpic­kerei geben dürfe und dass das Parlament ab Beginn der britischen Austrittsv­erhandlung­en nur noch die 450 000 EU-Bürger im Blick haben müsse, nicht mehr die Briten. „Es muss den Menschen klar sein, was es heißt, die EU-Mitgliedsc­haft zu riskieren.“

Den Zustand der Europäisch­en Union hält Manfred Weber, seit zwölf Jahren im Europaparl­ament, für kritisch. „Die europäisch­e Idee ist massiv unter Druck“, sagt er. Vieles, was man für selbstvers­tändlich halte, könne „morgen schon wieder zur Dispositio­n gestellt werden“.

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FOTO: DPA Manfred Weber (CSU), Fraktionsv­orsitzende­r der Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP)

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