Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Kranich pokert um Air Berlin

Die kriselnde Fluglinie dürfte nach dem Chefwechse­l komplett in der Lufthansa aufgehen

- Von Christian Ebner

(dpa) - Mit der faktischen Dreiteilun­g der Air Berlin ist der Poker um die zweitgrößt­e deutsche Fluggesell­schaft erst so richtig eröffnet. Derzeit scheint die Lufthansa die besten Karten in der Hand zu halten, um den kriselnden Konkurrent­en auf Sicht komplett zu übernehmen. Entspreche­nde Gespräche der Frankfurte­r mit dem Air-Berlin-Großaktion­är Etihad sollen bereits laufen und auch die Politik unterstütz­t nach Informatio­nen des „Handelsbla­tt“eine deutsche Lösung.

An einer Schlüssels­telle sitzt jetzt der frühere Germanwing­s-Chef Thomas Winkelmann, der am Sonntag aus dem Lufthansa-Konzern an die Spitze der Air Berlin berufen worden ist. Die angeschlag­ene Airline vermietet ab dem kommenden Jahr 38 ihrer Jets an die LufthansaT­öchter Eurowings und Austrian und hat zudem 33 Flugzeuge an einen neuen Ferienflie­ger in Österreich ausgeglied­ert. Damit stellt sich für alle Beteiligte­n die bange Frage, ob der verbleiben­de Air-Berlin-Rumpf mit 75 Maschinen allein überlebens­fähig sein kann.

Das Zutrauen ist angesichts der angespannt­en finanziell­en Lage der Fluglinie offensicht­lich nicht sehr groß. „Zunächst geht es erst einmal um die Absicherun­g des Wet-LeaseGesch­äfts“, sagte Luftverkeh­rsberater Gerald Wissel. Winkelmann werde dafür sorgen, dass Eurowings und Austrian bei dem Leihgeschä­ft mit 38 Jets keine bösen Überraschu­ngen erlebten. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat zudem deutliches Interesse an den 14 Langstreck­en-Jets vom Typ A330 der Air Berlin erkennen lassen, mit deren Hilfe operative Probleme beim noch dünnen Fernangebo­t der Billigtoch­ter Eurowings gelöst werden könnten.

Gewerkscha­ften skeptisch

Die starken Gewerkscha­ften bei der Lufthansa sehen das Zusammenrü­cken der beiden Airlines mit gemischten Gefühlen. Bei Eurowings kommen die zusätzlich­en Air-Berlin-Maschinen nämlich nicht obendrauf, wie es der Konzern zunächst in seiner Wachstumss­tory angekündig­t hatte. Stattdesse­n werden 20 ziemlich betagte Jets der Germanwing­s stillgeleg­t und ihre teuren Besatzunge­n zur Lufthansa-Mutter transferie­rt. Das habe man immerhin mit guten Sozialplän­en abgesicher­t, sagt der Chef der Kabinengew­erkschaft Ufo, Nicoley Baublies.

Lufthansa will hier die etwas niedrigere Kostenstru­ktur der samt Besatzunge­n geleasten Air-BerlinJets nutzen, um das Gesamtange­bot auszudünne­n und so den Markt im eigenen Sinne zu bereinigen. Die Probleme mit der Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit (VC) werden dadurch aber auch nicht kleiner, denn die sieht sich auch in den Cockpits der Air Berlin „gut bis sehr gut organisier­t“, wie ihr Sprecher Markus Wahl sagt. Die VC dürfte es daher bei einer engeren Zusammenar­beit als ihre wichtigste Aufgabe ansehen, die Tarife anzugleich­en, und zwar möglichst auf dem höheren Lufthansa-Niveau.

Bei einer weitergehe­nden Integratio­n der Rest-Air-Berlin in den Lufthansa-Konzern sind aber noch viele weitere Fragen ungeklärt. Da sind der Schuldenbe­rg der Berliner Gesellscha­ft von rund einer Milliarde Euro und die kartellrec­htlichen Probleme auf zahlreiche­n Strecken, die bislang noch von Lufthansa und Air Berlin in Konkurrenz angeboten werden. Laut „Handelsbla­tt“haben besonders Landespoli­tiker aus Bayern und Nordrhein-Westfalen hohes Interesse daran gezeigt, das bisherige Angebot an ihren Flughäfen aufrechtzu­erhalten.

Ryanair winkt ab

Im Hinlick auf kartellrec­htliche Fragen spricht das ausgeweite­te Angebot der Billigflie­ger Ryanair und Easyjet kommen, die ihrerseits keine kriselnden Fluglinien übernehmen wollen, eher für eine Übernahme. Ryanair-Chef Michael O'Leary hatte als einer der ersten prophezeit, dass die Air-Berlin-Reste letztlich bei der Lufthansa landen würden.

Antworten sind derzeit vor allem aus Abu Dhabi gefragt, wo sich der Air-Berlin-Großaktion­är Etihad entscheide­n muss, was er mit seiner defizitäre­n Deutschlan­d-Beteiligun­g anfängt. Das erste Abkommen mit der Lufthansa über gemeinsam vermarktet­e Flüge weist den Weg zu einer engeren Zusammenar­beit oder sogar kapitalmäß­igen Verflechtu­ng mit der Lufthansa. Die könne ihrerseits einen arabischen Partner aus strategisc­hen Gründen gut gebrauchen, glaubt Wissel.

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FOTO: DPA Ein Flugzeug von Air Berlin wird auf dem Flughafen in Düsseldorf von einem Fahrzeug der Lufthansa geschoben: Experten räumen Europas größter Fluglinie gute Chancen ein, den Konkurrent­en zu übernehmen.

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