Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Keine Gleichheit vor Gericht

- Von Christine Longin wirtschaft@schwaebisc­he.de

Dass Christine Lagarde wegen einer Entschädig­ung auf Kosten des Steuerzahl­ers der Prozess gemacht wurde, ist ein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass die Justiz selbst vor der Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) nicht Halt macht. Das Urteil gegen die Finanzmana­gerin stellt allerdings niemanden zufrieden. Weder diejenigen, die einen Freispruch forderten, weil Politiker sich bei der Fülle an Entscheidu­ngen einfach irren können. Noch diejenigen, die eine Verurteilu­ng wollten, weil Lagarde dem schillernd­en Geschäftsm­ann Bernard Tapie leichtfert­ig 400 Millionen Euro an Steuergeld­ern hinwarf. Die Richter sprachen Lagarde der Fahrlässig­keit schuldig, ohne sie zu bestrafen. Das Urteil zeigt, dass vor Gericht nicht alle gleich sind. Denn das internatio­nale Ansehen der Angeklagte­n verhindert­e, dass sie bestraft wurde. Jemand ohne Rolle im Ausland hätte wahrschein­lich das Jahr Haft bekommen, das Lagarde drohte. Zu schwach waren ihre Argumente in der Frage, warum sie gegen die skandalös hohe Entschädig­ungssumme für Tapie keine Berufung einlegte.

Doch die internatio­nalen Interessen Frankreich­s haben über die Gerechtigk­eit gesiegt. Der Gerichtsho­f wollte nach der Sex-Affäre um Lagardes Vorgänger Dominique Strauss-Kahn offenbar nicht, dass noch einmal ein Franzose von der Spitze des IWF zurücktret­en muss. Dieses Szenario scheint nach dem Pariser Urteil vom Tisch. Der IWF, der der Juristin schon mehrmals das Vertrauen aussprach, dürfte auch diesmal an Lagarde festhalten. Auch die Finanzinst­itution kann sich nach Strauss-Kahn keinen weiteren Skandal erlauben. Sie wird versuchen, schnell zur Tagesordnu­ng überzugehe­n. Lagarde dürfte dabei helfen, denn ihre Kompetenz ist unbestritt­en. Doch in Frankreich wird das Urteil seine Spuren hinterlass­en. Politiker bleiben straffrei, lautet die gefährlich­e Botschaft.

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