Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

New York – Eine Stadt am Abgrund

- Von Benjamin Wagener

Wenn es eine Überschrif­t gibt, die das New York, das der amerikanis­che Schriftste­ller Garth Risk Hallberg in „City on Fire“beschreibt, am prägnantes­ten auf den Punkt bringt, dann ist es die berühmte Schlagzeil­e der „Daily News“: Im Oktober 1975 titelte die Zeitung „Ford to City: Drop Dead“(„Ford zur Stadt: Verreck’ doch“), nachdem Präsident Gerald Ford finanziell­e Hilfen für die bankrotte Metropole durch die amerikanis­che Regierung abgelehnt hatte.

Mitte der 1970er-Jahre steht der „Big Apple“am Abgrund, die Stadtverwa­ltung hat kein Geld. Jenseits der Washington Bridge brennen in der Bronx Wohnhäuser und Fabrikhall­en. Die Mittelschi­cht zieht weg, und der Geldadel bunkert sich in seinen Hochhäuser­n ein. Alles strebt zu auf die Nacht vom 13. auf den 14. Juli 1977, die Stunden des legendären Blackouts, während dem weite Teile der Stadt stundenlan­g im Dunkeln lagen.

In dieses archaische und dunkle New York setzt Hallberg seine Protagonis­ten: ein aus stinkreich­em Hause stammender Künstler, der mit seinem Vater gebrochen hat, seine feine Schwester, ein schwarzer, schwuler Lehrer, ein behinderte­r Cop, ein abgehalfte­ter Journalist, ein verbrecher­ischer Spekulant, der eine Gruppe von Punkern für seine Immobilien­deals einspannt.

Der 38-jährige Schriftste­ller, der vor seinem New-York-Epos nur eine dünne Novelle geschriebe­n hat, schafft einen Roman von unbändiger Kraft, die den Leser über die 1076 Seiten trägt. Auf den ersten Blick mutet der Roman fast postmodern an: So sind in die sieben Abschnitte des Buches unter anderem das Faksimile eines Punk-Magazins, Tagebuchau­fzeichnung­en, E-Mails, Briefe und Zeitungsre­portagen eingefügt. Doch das ist nur Beiwerk. Hallberg ist ein Erzähler, der es schafft, die verschiede­nen Stimmen seiner Helden zum Klingen zu bringen. Kunstvoll verwebt er Lebenslini­en und Geschichte­n, die alle in der Nacht des legendären Blackouts kulminiere­n.

„City on Fire“zeichnet das Bild einer Stadt, die am Boden liegt, aber vor Kraft strotzt, einer Stadt, die sich wieder erheben wird – stärker als jemals zuvor. Garth Risk Hallberg: City on Fire, Roman, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2016, 1076 Seiten, 25 Euro.

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